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Flüchtlingsreferat

30 Jahre vermitteln, helfen, Anwalt sein

Mit einem Gottesdienst am 3. Oktober feiert das Flüchtlingsreferat des Kirchenkreises sein 30-jähriges Bestehen. In einem Interview resümiert Flüchtlingsreferentin Annette Faßbender ihre Arbeit.

Fremd und doch zuhause. Fremd und doch zuhause.

Zum Gottesdienst am Sonntag, 3. Oktober, 11.15 Uhr, in der Evangelischen Kirche am Brandenberg, Friedhofstraße 140, lädt das Flüchtlingsreferat alle Interessierten, Freunde und Wegbegeleiter recht herzlich ein. Der Gottesdienst findet im Rahmen der interkulturellen Woche statt.

 

Das Flüchtlingsreferat im Kirchenkreis An der Ruhr gibt es nun seit 30 Jahren. Was hat sich seitdem in der Arbeit verändert?

Eingerichtet wurde das Flüchtlingsreferat am 1. Mai 1080, seitdem hat sich einiges verändert. Es gab Zeiten, etwa zu Beginn der 90er, da hatten wir wesentlich mehr Flüchtlinge in Mülheim als heute und die Unterbringungssituation war wirklich schwierig. 1993 wurde die Asylgesetzgebung massiv geändert. Weil es kaum noch Flüchtlingen gelingt, die "Festung Europa" zu erreichen, sind die Zahlen der Neuantragsteller stark zurück gegangen und infolgedessen hat sich auch die Unterbringungssituation entspannt. Die Nachfrage nach Beratung im Flüchtlingsreferat ist aber nicht weniger geworden.

Die Beratungsarbeit ist und bleibt sicherlich wichtig, daneben hat das Flüchtlingsreferat in meinen Augen auch ein Wächteramt. Wir müssen darauf aufmerksam machen, wenn Menschen in ihren Rechten beschnitten werden, uns in Gremien dafür einsetzen und ein öffentliches Bewusstsein schaffen. Ich informiere gerne in Gemeinden über die Situation von Flüchtlingen und biete für Interessierte auch interkulturelle Trainings an.

 

 

Gottesdienst zum 30-jährigen Bestehen am Sonntag, 3. Oktober, 11.15 Uhr, in der Kirche am Brandenberg. Gottesdienst zum 30-jährigen Bestehen am Sonntag, 3. Oktober, 11.15 Uhr, in der Kirche am Brandenberg.

Ist das Thema Kirchenasyl noch aktuell?
In Styrum, Saarn und Holthausen waren ja schon einmal Flüchtlinge untergekommen. Ich bekomme auch jetzt noch Anfragen, fast in jeder Woche. Oft sind aber andere Möglichkeiten geeigneter, um den Flüchtlingen zu helfen. Da arbeitet das Flüchtlingsreferat sicher in einer Filterfunktion. Ein Kirchenasyl ist nur dann sinnvoll, wenn noch ein Verfahren um den Aufenthaltsstatus der Menschen noch anhängig ist, oder man ein neues Verfahren anstrengen kann. Wenn ich diese Chancen sehe, trage ich den Fall einer Gemeinde vor.

 
Was brauchen die Menschen, die zur Beratung kommen?
Das kann ganz unterschiedlich sein. Wenn unmittelbar eine Abschiebung droht oder zu drohen scheint, müssen wir zügig die rechtliche Situation klären. Ich erkläre dann, welche Wege gangbar sind, schreibe an Konsulate, telefoniere mit Ämtern.

Aber so dringlich sind nicht alle Fälle. Viele Flüchtlinge brauchen einfach Hilfe dabei, im deutschen Alltag Fuß zu fassen, der Schulbesuch für die Kinder muss geregelt werden und die Erwachsenen müssen Geld verdienen.

 

 

Flüchtlingsreferentin Annette Faßbender Flüchtlingsreferentin Annette Faßbender

Spielt Seelsorge auch eine Rolle?
Ja, auch wenn die Flüchtlinge das vielleicht nicht so bezeichnen würden. Manche Familien kommen schon in der zweiten oder dritten Generation zu mir. Sie haben erfahren, dass mein Büro ein Ort ist, wo sie ohne Angst alles erzählen können und genießen es, hier auf Augenhöhe ihre Fragen zu diskutieren. Ich höre nach solchen Gesprächen auch oft ,Es war gut, Ihnen das einfach mal zu erzählen.'


Wann erleben Sie Momente der Zufriedenheit in Ihrer Arbeit?
Das kann schon ein scheinbar kleiner Anlass sein. Etwa ein Telefonat, wo jemand am anderen Ende der Leitung mitdenkt und einfach entgegenkommend ist. Im Laufe der Zeit hat sich auch mit dem Ausländeramt der Stadt ein wirklich gutes Gesprächsklima entwickelt.
Bei "Voll die Ruhr" habe ich gesehen, dass einige Klienten mit ihrer Afrika-Gruppe einen eigenen Stand hatten. Sie nehmen ihre Sache jetzt selbst in die Hand und das ist einfach toll zu sehen.

Es gibt auch kleine persönliche Erfolgsgeschichten: Ich hatte einen Klienten aus Kamerun, der kannte sich gut mit Computern aus. Nachdem er im Asylerfahren hier gescheitert war, suchten wir nach Alternativen und fanden eine Möglichkeit nach Kanada weiterzuwandern.
Er arbeitet jetzt an der Universität in Montreal. Ein Äthiopier, der vor zweieinhalb Jahren als Asylbewerber hierher kam, bewirbt sich jetzt um ein Stipendium, um seinen Master in Wirtschaftwissenschaften zu machen.


Und Rückschläge?
Die erlebe ich dann, wenn sich Gesprächspartner, etwa bei Behörden, engstirnig zeigen. Doch es sind nicht immer nur die deutschen Behörden. Auch die Arbeit mit Klienten kann schwierig sein. Manche treten fordernd auf und ich muss Grenzen zeigen. Auch die Verständigung funktioniert nicht selbstverständlich. Es ist viel zu schlicht, zu sagen, die Fremden bereichern uns mit Ihrer Kultur und leckerem Essen. In der Beratung kommt es vor, dass ich die Menschen, die vor mir sitzen, einfach nicht verstehe, obwohl wir sprachlich gut
kommunizieren können. Das war Motivation für mich, eine Fortbildung zu machen, um nun selber interkulturelle Trainings anzubieten.


Welche politischen Entscheidungen könnten helfen, die Situation von Flüchtlingen zu verbessern?
Deutschland könnte sich zum Beispiel stärker in "Resettlement" (Wiederansiedlungs-) Programmen der UN-Flüchtlingskommission engagieren und bestimmte Kontingente besonders bedrohter Flüchtlinge aufnehmen. Im Moment macht es unsere Asylgesetzgebung fast unmöglich, nach Deutschland zu kommen. Gleichzeitig ist die Not der Flüchtlinge aber nicht kleiner geworden. Die Idee von der "Festung Europa" ist eine Illusion. Besonders wir im europäischen Binnenland bekommen gar nicht mit, was sich an unseren Außengrenzen eigentlich abspielt. Um die Situation zu verbessern, müssen wir uns auf europäischer Ebene vernetzen.


Was kann ein Einzelner, eine Einzelne tun, um Flüchtlingen in Mülheim zu helfen?
Viele derjenigen, die zu mir in die Beratung kommen, würden sich über persönliche Kontakte zu Mülheimerinnen und Mülheimern freuen. Für sie ist es einfach wichtig, jemanden in entspannter Atmosphäre bei einer Tasse Kaffee fragen zu können ,Wie würdest du dies angehen? Wie würdest du denn das machen?' Man kann gemeinsam kochen, gemeinsam Ausflüge machen. Es geht um gleichberechtigte Kontakte auf Augenhöhe. Im Idealfall wachsen Beziehungen mit gegenseitigem Geben und Nehmen. Wenn sich jemand auf diese Weise engagieren möchte, vermittle ich gerne die Kontakte.

 

 

ala /

 



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