M. Keuchen: Biblische Welten in Kinderbibeln. Am Beispiel von Geburt, Kindheit und Tod Jesu, in: Brieden, Norbert u.a. (Hg.): Biblische Welten. Jahrbuch für konstruktivistische Religionsdidaktik;11. Babenhausen 2020, 55-65

Wer ist aber dieser, über den ich solches höre?“ (Lk 9,9) Herodes stellt sich die Frage, wer denn dieser Jesus ist, der da in Galiläa auftritt. „Wer ist dieser Jesus?“ Die Frage haben sich die Menschen zu Jesu Lebzeiten gestellt und für sich unterschiedlich beantwortet. Diese unterschiedlichen Antworten haben sich in den vier Evangelien niedergeschlagen. Wenn Verfasser*innen von Kinderbibeln heute die Geschichte Jesu erzählen, antworten auch sie auf diese Frage unterschiedlich.

Anhand der Vielschichtigkeit dieser Frage lässt sich die (Re)Konstruktion biblischer Welten in Kinderbibeln in Wort und Bild aufschlüsseln. Die Vorstellungen in Wort und Bild in Kinderbibeln können sich im Allgemeinen ergänzen, konkretisieren, widersprechen oder hinterfragen. a) Die Frage enthält eine existentielle Fragedimension, wer Jesus für die eigene Person ist. Die Verfasser*innen und Illustrator*innen bringen ihre individuelle Jesusvorstellung in das Werk ein und konstruieren ein Bild von Jesus.

b) Auf einer zweiten rezeptionsästhetischen Ebene reflektieren die Verfasser*innen und Illustrator*innen ihr eigenes Jesusbild didaktisch unter der Frage, welche Aspekte sie dem anvisierten Zielpublikum (theologisch verantwortbar und/oder pädagogisch sensibel) vermitteln wollen, welche Aspekt sie überhaupt (entwicklungspsychologisch, sozial und auf vorhandenes Wissen und nachvollziehbare Erfahrungen und Wissen aufbauend) vermitteln können, in welcher Weise sie dies können (von welchen Lernvoraussetzungen im Blick auf sprachliche, visuelle und inhaltliche Gestaltung ausgehend) und zugleich auch welche Aspekte sie (ihren Auftragsgebern gemäß) vermitteln sollten.

c) Ihre Überlegungen basieren wiederum auf homogenisierenden Konstruktionen ihrer anvisierten Leser- und Käuferschaft (Kleinkinder, Leseanfänger/innen, das Lesealter ab ca. 8 Jahren etc.) in einer konstruierten Aneignungs- oder Vermittlungssituation (alleine lesen, häusliche Vorlesesituation, schulischer Religionsunterricht etc.).

d) Zur weiteren Komplexität trägt bei, dass jede Jesusvorstellung von Verfasser*innen und Illustrator*innen unterschiedliche Anteile eines „historischen Jesus“, eines „kerygmatischen Christus“ und/oder eines „erinnerten Jesus“ als historische und theologische Größe aufweist.

Biblische Welten in Kinderbibeln basieren auf Konstruktionen des eigenen Jesusbildes der Verfasser*innen und Illustrator*innen in Wort und Bild für ‚konstruierte‘ Kinder in einer konstruierten Aneignungs- oder Vermittlungssituation.

Marion Keuchen: Biblische Welten in Kinderbibeln. Am Beispiel von Geburt, Kindheit und Tod Jesu, in: Briden, Norbert/ Mendl, Hans/ Reis, Oliver/ Roose, Hanna (Hg.): Biblische Welten. Jahrbuch für konstruktivistische Religionsdidaktik;11. Babenhausen 2020, 55-65.