Die Hauptpersonen: schwere Metalle – voller Kraft und Spiritualität

Eröffnung der Ausstellung Innen - Außen, 7. April 2011

Am 7. April 2011 wurde die Frühjahrsausstellung 2011 „Innen – Außen. Bild- und Objektkunst“ im Haus der Begegnung eröffnet. Auszüge aus der Eröffnungsrede von Landespfarrer Kai Steffen, Dozent am Pädagogisch-Theologischen Institut, finden Sie hier.

Hielt die Eröffnungsrede bei der Frühjahrsausstellung 2011: Landespfarrer Kai Steffen Lupe
Hielt die Eröffnungsrede bei der Frühjahrsausstellung 2011: Landespfarrer Kai Steffen

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde und Mitarbeitende des Hauses der Begegnung,
liebe Künstler,

die Eisenzeit ist nach Stein- und Bronzezeit die dritte geschichtliche Periode der Menschheit. In Europa bezeichnet der Begriff Eisenzeit die Zeit zwischen dem Ende der Bronzezeit (700 v. Chr.) und der Verbreitung des Römischen Reiches (um die Zeitenwende). Für die Herstellung von Werkzeugen und Waffen trat nun Eisen an die Stelle von Bronze. Der größte Vorteil, den das Eisen gegenüber der Bronze hat, ist der, dass die Erze, aus denen es gewonnen wird, weit verbreitet und leicht verfügbar sind. Und Eisen erfordert keine Legierungsverfahren und ist ein geeignetes Material zur Herstellung von Sägen, Äxten, Hacken und Nägeln.

Alle drei Künstler der Frühjahrausstellung – Wilfried Diesterheft-Brehme, Wolfgang Hunecke, Ivo Weber – arbeiten mit schweren Materialien wie Eisen und Blei und doch präsentieren sie spirituelle Inhalte wie Taufe, Kreuz und Begegnung.

Vom 7. April bis 6. Juli 2011 sind die Werke hier zu sehen.

Es war ein ausgesprochen spannender und kreativer Prozess diese Ausstellung zu planen und ich bin den drei Künstlern sehr dankbar für Ihr Engagement. Es ist großartig, dass diese gemeinsame Ausstellung möglich ist.

Wolfgang Hunecke wurde 1950 in Bonn geboren, er studierte Theologie und Sozialwissenschaften; künstlerisch arbeitet er seit 1970. Er ist darüber hinaus Mitbegründer des „Ateliers im Baumhaus“. Neben vielen Reisen hat er in Nicaragua hat er 1989 eine Druckwerkstatt für Radierung, Holzschnitt und Lithographie aufgebaut und betreut diese. Und ich meine, dass man den Einfluss anderer Kulturen in seinen Skulpturen wiederentdecken kann.

Seine Skulpturen sind aus schwerem Eisen geschnitten, unbearbeitetes rostendes Metall oder Edelstahl.

Sie gehen in einen Dialog mit ihrer Umgebung. Sie sind im Material nicht überbordend, sondern auf das Metall im Grundmaterial reduziert. Huneckes Skulpturen schaffen es, den Raum und den Ort, die Landschaft und die Architektur zum Sprechen zu bringen. Hier im Garten des Hauses der Begegnung erleben wir es, wie sich der Raum verändert. Und das macht gute Skulpturen im Außenbereich und auf öffentlichen Plätzen und Gärten aus. Sie lassen den Raum erst zum Raum werden, sie ermöglichen eine neue räumliche Wahrnehmung von Garten, von Nähe und Ferne, Natur und Kunst, von Erde und Himmel und dem, was dazwischen ist. Ich habe sogar das Gefühl, als hätte unser Garten schon immer auf diese Skulpturen gewartet, als wäre er bisher noch unvollständig gewesen. Sie gehören hinzu, wie der Frühling.

Bei Huneckes Skulpturen wird immer aus der Zweidimensionalität einer Fläche eine erweiterte dritte Dimension, die einen Raum eröffnet, die Begegnungen schafft. Gesichter und Figuren die in einen Dialog treten. Und wir als Betrachter werden direkt in die Kommunikation einbezogen. Das ist sein Thema: Die Skulpturen sind abstrahierte, menschliche Silhouetten, die in ihren Proportionen an Alberto Giacometti erinnern.

Er sagt: „Im Zentrum meiner Arbeit stehen menschliche Grundsituationen, Menschen in Beziehung, in Dialog und Kommunikation. Dabei lassen meine Bilder und Skulpturen Raum für das nicht sichtbare Wort.“

Der zweite Künstler ist Wilfried Diesterheft-Brehme. 1962 geboren in Bonn, lebt in Düsseldorf. Auch er hat Theologie studiert, und ist neben dem Kunstschaffen auch selbst Pfarrer. Sie sagen zu Ihrer Reihe Omega und ihrer Kunst:

„Es geht um die Suche nach Farben und Formen zwischen Vergänglichkeit und Ewigkeit, Schwere und Leichtigkeit, ersten und letzten Dingen.“

Seit 2007 verarbeitet er Bleiplatten und Holz zu Objekten, die trotz ihrer „blei“-benden Schwere eine erstaunliche Leichtigkeit vermitteln.

Neben Omega zeigen wir hier die Bildserie „Let`s go“ – eine fortlaufende Bewegungsabfolge, die im Auge des Betrachters schnell oder besonders langsam wirken kann.

Die Blei-Objekte muten Stofflichkeit an. Es ist für den Betrachter nicht sofort zu erkennen, dass es sich um schweres Blei handelt. Fast leicht wirken die Arbeiten, als wären es luftige Stoffe und doch sind sie kiloschwer. Blei um Holz – Innen und Außen. Mit dem Wort Blei spielt der Künstler gerne, wenn es um etwas Blei-bendes geht, etwas was bleibt, um das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit. Auch die Patina des alten Materials mutet diese Dimension des Vergänglichen, Wandelbaren und Bleibenden an. Auch die Titel: Omega, Cross, stehen in dieser Vergänglichkeit und/ oder Zeitlosigkeit.

Die Werke sind alle auf kaltem Wege entstanden, das Material wurde nicht erhitzt und doch hat es etwas Eruptives, als wäre das Material noch in Bewegung. Seine Bilder strahlen eine ungeheure Energie aus. Man wird hineingezogen. Die Gedanken gehen auf eine Reise, nicht nur durch die Materialität sondern auch durch die aufblitzenden Farben in den Zwischenräumen.

Ich zitiere Diesterheft-Brehme noch einmal:

„Differenzieren von Bewegungen in vertikaler oder horizontaler Richtung: leicht, schwer, fließend, lockend, lachend, aufregend, beruhigend, schreiend, schnell, noch schneller, sich wiederholend und niemals gleich, sich lösend und letztlich erlösend. Erinnern an etwas, das war und vielleicht auch bleibt.

Es gibt noch einen weiteren Künstler, Ivo Weber: Im zweiten Stock können Sie seiner Rauminstallation begegnen. Der Installation „Johannes, eine Taufmaschine“ einer Art temporären capella. Die Installation besteht aus Stahl, Motoren, Getriebe, Finger in Silicon, und dem Neonschriftzug Capella. Die Maschine wurde 2006 entworfen. Sie ist bereits seit Januar 2011 hier im Haus der Begegnung zu Gast.

Bei Einwurf eines Euros taucht sich der Finger in das mit Wasser gefüllte Becken, hebt sich wieder, drückt sich gegen die graue Gummirolle und beträufelt die davor stehende Person.

Die rote Lampe signalisiert, wann Taufzeiten sind – z.B. gerade jetzt.

Ivo Weber schlug vor, dass seine Installation nicht Teil einer Ausstellung sein sollte, sondern schon vorher aufgestellt wird, damit die Maschine auch benutzt wird, denn in Ausstellungen ist die Berührung von Kunstwerken oft eher eine nicht gern gesehene Handlung. Sie sind aber herzlich eingeladen sich in eine Performance mit der Installation zu begeben, zumal die Kirchen der EKD dieses Jahr zum Jahr der Taufe erklärt haben.

Die Künstler – alle drei – arbeiten mit Metall, mit Eisen, Stahl und Blei. Und alle Skulpturen und Objekte haben etwas Widerborstiges und Kantiges. Und das ist gut so. Viele Objekte und Skulpturen zeitgenössischer Künstler und Bildhauer sind in Ihrer Struktur eher harmonisch und weich. Ich denke z.B. an Künstler wie Tony Craag. Hier geht es oft um das runde, tropfenförmige, glatte, das sich Einfügende…

Wir erleben hier in dieser Frühjahrsaustellung einen Aufbruch von schweren Metallen, im positiven Sinne störend, irritierend, anstoßend und anregend. Voller Kraft und Spiritualität. Wie das Wort, das uns begegnet. Nie langweilig, oft widerborstig und herausfordernd.

Nehmen wir die Frühjahrsausstellung im Haus der Begegnung deshalb als eine Kunst wahr, die herausfordert, die anstößt, eruptiv, rostend, mit Wasser besprengend. Innen und Außen. Lassen wir uns von der Kunst herausfordern. Das Schwere und Leichte. Innen und Außen.

Begleiteten die Vernissage musikalisch: Gregor Schor (Sax) und Jannis Bach (Piano) Lupe
Begleiteten die Vernissage musikalisch: Gregor Schor (Sax) und Jannis Bach (Piano)

Abschließend möchte ich noch den beiden Musikern danken: Gregor Schor am Saxofon und Jannis Bach am Flügel. Große Nachwuchstalente. Wenn ich Euch bisher auf Mitarbeiterschulungen begegnet bin, habt Ihr das Haus so mit Klang gefüllt, dass es uns eine große Freude ist, Euch heute hier zu haben.

Wir hören nun noch ein Stück im Sitzen und dann bewegen wir uns mit der Musik hier im Haus und nach Draußen zu den Werken von Hunecke und Diesterheft Brehme und mit einem Abstecher in die Capella von Ivo Weber.

Ihnen Allen einen guten anregenden Abend – Innen und Außen.

Kai Steffen / 16.05.2011