Pressemitteilung

Das Projekt „hoffen bis zuletzt“ hilft Hinterbliebenen von Tsunami-Opfern

Zum Hintergrund

  • Nr. 186
  • 21.12.2005
  • 10135 Zeichen


Der Tsunami vom 26. Dezember 2004 hat mit seiner unvorstellbaren Wucht an den Küsten Südostasiens unermessliches Leid verursacht: In den an den Indischen Ozean grenzenden Staaten fanden in der Welle etwa 300.000 Kinder, Heranwachsende, Erwachsene, junge und alte Menschen den Tod. Auch in den Touristenzentren in Thailand, auf Sri Lanka, auf den Malediven und in anderen Ländern waren viele zehntausend Opfer zu beklagen. Rund um den Globus trauern weiterhin Menschen, die ihre Angehörigen im Tsunami verloren haben.



Von den etwa 550 Deutschen, die beim Seebeben am 26. Dezember 2004 in Thailand oder auf Sri Lanka ihr Leben verloren haben, konnte inzwischen der überwiegende Teil durch die Identifizierungskommission des BKA identifiziert werden. Gleichwohl sind bundesweit etwa 15 Opfer weiterhin vermisst. Den Familien und nahen Angehörigen der deutschen Opfer des Seebebens gilt die Initiative des Projektes „hoffen bis zuletzt“.



Bereits Ende Dezember 2004 reifte am Düsseldorfer Flughafen unter den Einsatzkräften des Deutschen Roten Kreuzes und der Evangelischen Notfallseelsorge der Entschluss, den aus den Katastrophenregionen Zurückkehrenden und den in Deutschland betroffenen Angehörigen langfristige Betreuung anzubieten. Der Impuls entstand angesichts der mannigfachen Not der Menschen, die Ende Dezember 2004 in den aus Südostasien kommenden Maschinen verzweifelt nach ihren Angehörigen suchten. Hinzu kam das Leid vieler, die teils schwer verletzt zurückkehrten und nichts über das Schicksal ihrer Familienmitglieder wussten, die mit ihnen am Unglücksort gewesen waren. Das Projekt sollte eine Hilfe bei der Bewältigung des Erlittenen anbieten und damit vorhandene Angebote der medizinischen und psychologischen Regelversorgung sowie behördliche Maßnahmen ergänzen. Damit wurden bereits vorhandene Formen der Zusammenarbeit zwischen Notfallseelsorge und DRK ausgebaut und gezielt eingesetzt. Beide Partner begleiten seit vielen Jahren Menschen in Notfallsituationen. Mit zahlreichen regionalen Kooperationen wurden funktionierende Systeme geschaffen, die jetzt für die Angehörigen von Seebebenopfern und unter Einbeziehung weiterer Partner eingesetzt werden konnten.



Bereits im Januar 2005 wurde mit der Arbeit im Projekt „hoffen bis zuletzt“ begonnen. Ziel der Initiative war es, Angehörige von Vermissten in regionaler Nähe zu ihren Wohnorten zu Treffen einzuladen, bei denen Fachleute der Polizei, der Versicherungen und andere Experten Informationen weitergaben. Zudem sollten Räume für den Austausch von Betroffenen in gleicher Situation geöffnet werden, um über Bewältigungsstrategien im Umgang mit dem Erlebten sprechen zu können. Diese Treffen werden kooperativ geleitet von einem Mitglied der Kriseninterventionsteams des DRK, einer Notfallseelsorgerin bzw. eines -seelsorgers sowie einer psychologischen Fachkraft. Zusätzlich wurden regionale Kooperationspartner gesucht, wie etwa der Verein für verwaiste Eltern, Psychologische Beratungsstellen oder die Nicolaidis-Stiftung, die sich um verwaiste Eltern kümmert.



Während anfangs das Angebot besonders auf die vermissenden Angehörigen ausgerichtet wurde, zeigte sich sehr bald, dass für viele Angehörige auch nach der Identifizierung ein erheblicher Klärungsbedarf fortbestand. Er galt der Identifizierung und den Todesumständen der Opfer, ihren letzten Kontakten vor dem Tsunami, aber auch dem Verbleib von Gegenständen aus ihrem Besitz (Asservaten). Auch fast ein Jahr nach der Katastrophe leiden Angehörige, die selbst in den Unglücksregionen von der Flutwelle betroffen wurden, vielfach immer noch unter seelischen und körperlichen Verletzungen. Zudem stehen einige weiterhin vor schwierigen versorgungsrechtlichen Problemen, sofern eine finanzielle Abhängigkeit von einer vermissten oder inzwischen identifizierten Person bestand. Für diejenigen Familien, die immer noch unter der Vermissenden sind, gibt es angesichts der fast ein Jahr bestehenden Ungewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen einen enormen Bewältigungsbedarf. Viele Fragen galten zudem den Möglichkeiten der Behörden, Betroffene zu unterstützen.



Inzwischen haben in vielen Regionen Deutschlands mehr als 30 Angehörigentreffen stattgefunden, an denen bundesweit über 600 Menschen teilgenommen haben. In Nordrhein-Westfalen, wo die Initiative federführend entwickelt wurde, haben über 100 Personen oft mehrfach an Treffen des Projektes teilgenommen. In vielen Regionen Deutschlands sind Angehörigengruppen entstanden, von denen viele auch im nächsten Jahr – über das Projektende hinaus – zu Treffen einladen werden:





  • Hamburg (auch für Angehörige aus Schleswig-Holstein/Niedersachsen und Bremen)



  • Baden-Württemberg (Regionen Stuttgart, Baden-Baden und Ravensburg)



  • Nordrhein-Westfalen (Regionen Mettmann, Erkelenz, Düsseldorf, Dortmund)



  • Berlin (auch für Angehörige aus Brandenburg)



  • Rheinland-Pfalz (Region Landau)



  • Hessen (Region Wiesbaden)



  • Bayern (Region München)



  • Sachsen (Dresden, auch für Angehörige aus Thüringen und Sachsen-Anhalt)



Die Treffen in diesen Gruppen haben gezeigt: Bei dem Bedürfnis, das Geschehene und den Verlust zu verarbeiten, wird der Kontakt mit anderen Betroffenen als klärend und stärkend erlebt. Die Treffen öffnen Räume, in denen Trauer, Ungewissheit und ihre Fragen einen Ort finden. Vielfach sind durch die lokalen Angehörigentreffen Netzwerke der Betroffenen entstanden, die zum Informationsaustausch genutzt werden und bei der Bewältigung helfen. Zudem stehen Mitglieder der DRK-Kriseninterventionsteams und der Notfallseelsorge, die Angehörigentreffen organisiert haben, oft auch über die Treffen hinaus mit betroffenen Familien in Kontakt. Die beteiligten Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger wurden häufig mit dem Überbringen der Todesnachrichten beauftragt oder haben Beerdigungen durchgeführt.



Auf Wunsch der regionalen Gruppen hatte das Projekt für den 2./3. Oktober 2005 zu einem bundesweiten Angehörigentreffen nach Kassel eingeladen. Dieses zusätzliche Angebot sollte einerseits die Kontaktmöglichkeiten unter den Angehörigen vermehren und andererseits die Möglichkeit bieten, direkte Informationen von Vertreterinnen und Vertretern der beteiligten Behörden zu erlangen. Der Leiter der Identifizierungskommission des BKA in Thailand, die Leiterin der Koordinierungsstelle NOAH (Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe) des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Mitarbeitende des Auswärtigen Amtes und des DRK-Suchdienstes haben dort Informationen an die Angehörigen weiter gegeben. An ihm haben 75 Angehörige teilgenommen.



Für den Jahrestag des Seebebens am 26. Dezember 2005 haben Mitarbeitende des Projektes in Zusammenarbeit und nach den Wünschen der Angehörigen eine besondere Würdigung geplant. Die Vorbereitungen für diesen Tag sollen den Betroffenen Rituale des Abschieds anbieten, die das Leid des Ereignisses und die Erinnerung an das Geschehen in ein zwar enorm leidvolles, aber doch heilsames und tröstendes Gedenken einbetten. Viele Angehörige äußerten bereits früh das Bedürfnis, diesen Tag in Thailand zu begehen. So bietet das Projekt „hoffen bis zuletzt“ eine Reisebegleitung für Angehörige von Opfern des Seebebens an, die an den Gedenkveranstaltungen in Thailand teilnehmen werden.



Nach gegenwärtigen Stand haben sich bislang etwa 85 Angehörige gemeldet, die in Thailand das Angebot des Projektes „hoffen bis zuletzt“ wahrnehmen möchten. Zudem werden Informationen am Flughafen Phuket weitere Interessierte auf das Projektangebot hinweisen. Mitglieder des Teams werden Angehörige an Orte begleiten, die mit dem Schicksal der Opfer verbunden sind. Zudem werden an den Weihnachtstagen gemeinsame Gottesdienste gefeiert. Am Zweiten Weihnachtstag wird am Strand von Khao Lak, an dem die meisten deutschen Opfer zu beklagen sind, eine deutschsprachige Gedenkzeremonie statt finden. Zu dieser Feier wird vom Team des Projektes „hoffen bis zuletzt“ eingeladen. Sie wird gemeinsam mit dem deutschen Botschafter in Thailand, dem Honorarkonsul auf Phuket, dem Pfarrer der deutschen Gemeinde in Bangkok und den Angehörigen gestaltet. Zu dieser Gedenkveranstaltung werden etwa 150 Teilnehmende erwartet. Zudem wird es am 26. Dezember 2005 in den Bundesländern regionale Angehörigentreffen geben, bei denen der deutschen Opfer des Seebebens gedacht wird.



Ziel des Projektes ist es, die Angehörigen soweit zu stärken, dass sie ihr Schicksal nach einer gewissen Zeit alleine oder mit Unterstützung der regelhaft vorhandenen Angebote der psychosozialen Unterstützung meistern können. Das Projekt „hoffen bis zuletzt“ ist deshalb bis Ende Januar 2006 befristet. Bereits jetzt ist jedoch deutlich, dass sich viele Gruppen in Deutschland auch weiterhin treffen werden. Zudem erreichen uns Anfragen von weiteren Betroffenen, die von der Initiative gehört haben und erstmals zu Treffen kommen möchten.



Die Zusammenarbeit von Notfallseelsorge und DRK bei diesem Projekt und die sorgfältige Evaluation der Erfahrungen sollen dazu beitragen, die gegenseitige Abstimmung zum Wohl von Betroffenen bei Unglücksfällen weiter zu verbessern und den Ertrag aus dem ausgewerteten Projekt zum besseren Verständnis von Menschen in zukünftigen und vergleichbaren Notsituationen einzusetzen.



Ansprechpartner:


Projektkoordinator Pfarrer Dr. Uwe Rieske, DRK-Landesverband Nordrhein e.V., Auf’m Hennekamp 71, 40225 Düsseldorf, Telefon: 0211/3104-181, Fax: 0211/3104-197, E-Mail: u.rieske@drk-nordrhein.net



Im Internet: www.hoffen-bis-zuletzt.de und www.flutopfer-angehoerige.de