Pressemitteilung

Empfehlungen für die Gemeinden sollen christlich-jüdischen Dialog fördern

Nach 25 Jahren: Die Erneuerung wird aktualisiert

  • Nr. 41
  • 17.1.2005
  • 7276 Zeichen


Mit einem heute Mittag beschlossenen Text würdigt die Landessynode den weit reichenden Synodalbeschluss von 1980 „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“. Nach 25 Jahren bekräftigte sie, dass die damals begonnene Erneuerung intensiviert und fortgeschrieben werden muss. An dem 55-seitigenText nahm sie geringe Textkorrekturen vor. Sie blieb z.B. bei ihrem Ja zum Staat Israel, verallgemeinerte aber dieses Ja: „Umfassender noch als 1980 muss (statt: müssen wir) heute das Zeichen der Treue Gottes nicht nur im Blick auf die Errichtung, sondern auch auf den dauerhaften Bestand dieses Staates interpretiert werden (statt interpretieren). Darauf zielt das (statt: unser) grundsätzliche Ja zum Staat Israel. Dieses Ja muss die glaubwürdige und unbezweifelbare Grundlage aller kritischen Äußerungen zur politischen und militärischen Praxis der gegenwärtigen Regierung Israels sein.“


In der Abschlusspressekonferenz am Mittag betonte Präses Nikolaus Schneider noch einmal die Bedeutung des „neuen Gesprächsbeginns“ zwischen Christen und Juden und die grundsätzliche Positionierung, dass sich die Kirche „in der Wurzel mit Israel verbunden“ fühle. Für den Staat Israel müsse es Frieden und gesicherte Existenz geben, aber ebenso für die Palästinenser in einem von ihnen geprägten Staatswesen.


Der umfangreiche Text, den die Synode beschloss, enthält einen Aufgabenkatalog und praktische Forderungen, an der Erneuerung des Verhältnisses von Kirche und Israel weiterzuarbeiten, z.B. im Gottesdienst. So sollen bei gottesdienstlichen Lesungen und Predigttexten Abschnitte des Alten und des Neuen Testaments gleichermaßen berücksichtigt und die Lied- und Musikauswahl neu überdacht werden: „Die Gemeinden brauchen neue Lieder, die der Errneuerung des Verhältnisses von Kirche und Israel Rechnung tragen“, heißt es. Kurzfristig sollen für die Gemeinden entsprechende Empfehlungen ausgearbeitet werden.


Mit zwei Vorträgen zum christlich-jüdischen Dialog hatte die Landessynode bereits in ihrer ersten Plenarsitzung den Synodalbeschluss aus dem Jahre 1980 gewürdigt, der die besondere Verbundenheit von Christen und Juden unterstreicht. Als Folgerung war damals der Grundartikel der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland folgendermaßen ergänzt worden: „Sie (die Evangelische Kirche im Rheinland) bezeugt die Treue Gottes, der an der Erwählung seines Volkes Israel festhält. Mit Israel hofft sie auf einen neuen Himmel und eine neue Erde.“


Der niederländische Theologe Dr. Simon Schoon, Professor an der Universität Kampen, hatte am Sonntagnachmittag in seinem Vortrag vor der Landessynode hervorgehoben, die rheinische Kirche habe sich in dem Beschluss von 1980 zur Errichtung des Staates Israel und zur Schuldfrage des christlichen Anteils am Antijudaismus bekannt, und sie habe die Hebräische Bibel neu entdeckt. Christen und Juden beriefen sich auf gemeinsame Schriften. In der Zukunft sollten Christen die Schriften verstärkt in der Lesart der Juden lesen und daran Anteil nahmen, „was die Juden von Gott gelernt haben“, so Schoon.


Zum Synodalthema Christen und Juden hatte die rheinische Kirche aus ihrem Kirchengebiet auch Vertreter von jüdischen Gemeinden zu ihrer Synodaltagung eingeladen. Als Gäste gekommen waren Dr. h.c. Henry G. Brandt, Landesrabbiner Westfalen-Lippe, in Vertretung von Paul Spiegel, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, sowie der Rabbiner Professor Dr. Yehuda Aschkenasy. Am Donnerstag, 13. Januar, hielt der Wuppertaler Rabbiner Dr. Baruch Rabinowitsch die Morgenandacht auf der Landessynode.


Im Plenum hatte Henry G. Brandt nach dem Vortrag von Dr. Schoon der Synode seine Anerkennung „für eine Pioniertat nicht ohne Gegenwind“ ausgesprochen. „Der Beschluss kam 2000 Jahre zu spät, aber er kam“, so Brandt, „und wir begrüßen ihn in der Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft“. Brandt ermutigte die Synode, den beschrittenen Weg der Erneuerung und der Gemeinsamkeiten weiter zu gehen, mit den Worten: „Shalom aus der Wurzeln, ‚ganz‘ zu sein.“


Der Theologe Dr. Bertold Klappert, Kirchliche Hochschule Wuppertal, hatte anschließend in seinem Vortrag als „Ertrag“ des Synodalbeschlusses von 1980 unterstrichen, dass Christen und Juden sich als Erwählungs-, als Hoffnungs- und als Segensgemeinschaft verstehen können. „Wir nehmen Anteil an der Auserwählung des Volkes Israel, wenn der aronitische Segen (Israel-Segen) ausgesprochen wird“, so Klappert. Seine Forderung für die Zukunft lautete: „Eine Anbetungs- und Sendungsgemeinschaft müssen wir noch werden.“ Die christliche Trinitätslehre sollte auch als Auslegung des erste der Zehn Gebote („Ich bin der Herr, Dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“) verstanden werden. Besonders dringlich und aktuell sei die Öffnung des Dialogs zum Islam und zur Abrahamsgemeinschaft, denn Israel und die Kirche seien „gemeinsame Zeugen Gottes für die Welt“. Klappert schloss mit einer Vision – der Vision der „Toleranz aus Identität statt aus Beliebigkeit“ und forderte, den Unterschied zu erkennen und das Verbindende zu begreifen, um den gemeinsamen Weg zu finden.


In dem Synodenbeschluss von 1980 wird die Einsicht betont, „dass die fortdauernde Existenz des jüdischen Volkes, seine Heimkehr in das Land der Verheißung und auch die Errichtung des Staates Israel Zeichen der Treue Gottes gegenüber seinem Volk sind“. Die Synode erkannte damals als Schuld, dass eine falsche judenfeindliche Tradition von der Ersetzung des alten Bundes Gottes mit Israel durch einen neuen Bund in Jesus Christus mit der Kirche und der Menschheit ausgegangen sei. Sie betonte vielmehr die besondere Verbundenheit von Synagoge und Kirche in ihrem gemeinsamen Bekenntnis zu Gott als dem „Schöpfer des Himmels und der Erde“.


Mit Rückblick auf die Revision der eigenen Tradition und das inzwischen veränderte Bewusstsein für die besondere Beziehung der Kirche zu Israel sieht sich die rheinische Kirche 25 Jahre nach dem Synodalbeschluss zu weiteren Schritten auf dem begonnenen Weg der Erneuerung verpflichtet. Die Herausforderungen: Das Echo auf der jüdischen Seite bzw. von anderen Kirchen, aber auch die Verschärfung und weltpolitisch gesteigerte Brisanz, die der Nahostkonflikt inzwischen erfahren hat, sowie die Perspektiverweiterung von muslimischer Seite und „die beschämende Brisanz“, die Antisemitismus und Rassismus in den letzten Jahren bekommen haben.


 


Aktueller Buchtipp:
Katja Kriener/Johann Michael Schmidt (Hg.),
… um Seines Namens willen“
Christen und Juden vor dem Einen Gott Israels.
25 Jahre Synodalbeschluss zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden, Neukirchener Verlag 2005 (14,90 Euro)


Katja Kriener ist Pfarrerin in der Studienstelle Christen und Juden, eine landeskirchliche Einrichtung der rheinischen Kirche, die sich in zahlreichen Veröffentlichungen, Projekten, Begegnungs- und Studienprogrammen mit Fragestellungen im Dialog von Christen und Juden auseinandersetzt.