Pressemitteilung

„Wachsam bleiben und die Füße weiterhin auf den Weg des Friedens richten!“

Erklärung von Präses Nikolaus Schneider zum 8. Mai

  • Nr. 72
  • 29.4.2005
  • 3120 Zeichen


Zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai hat Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, den mehr als 800 rheinischen Gemeinden zwischen Emmerich und Saarbrücken folgende Erklärung übersandt:



„Viele Gemeinden der Evangelischen Kirche im Rheinland stellen sich nicht erst heute, 60 Jahre nach Kriegsende, ihrer Verantwortung zur Aufarbeitung des Geschehenen. Dafür bin ich dankbar. Die Wege der Erinnerung sind dabei von Gemeinde zu Gemeinde verschieden:



In manchen Gemeinden steht das Gespräch mit ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern im Vordergrund, in anderen Gemeinden das christlich-jüdische Gespräch.



Hier überwiegt die Trauer über den Tod von Zivilisten, dort hat man die Rolle der Presbyterien in der Zeit des Kirchenkampfes untersucht.



Der Generation der sogenannten „Kriegskinder“, die jetzt im Ruhestand beim Rückblick auf ihr Leben vielem Verdrängten begegnen, wird mit viel Sensibilität, Angeboten der Seelsorge und im Gespräch zwischen den Generationen geholfen.



Gerade durch die Aufarbeitung des Vergangenen wissen wir:


der 8. Mai 1945 ist auch nach 60 Jahren für diejenigen, die ihn erlebt haben, kein Datum aus einer vergangenen Zeit;


die Trauer über den Tod naher Menschen in Folge der nationalsozialistischen Diktatur, durch den Krieg oder seine Folgen;


das Weiterleben im Bewusstsein unermesslicher Schuld; das schwere Wagnis des Neuanfangs trotz äußerer und innerer Verwüstung, Zerstörung oder Vertreibung – das alles ist bis heute in der Welt.



Das Datum des 8. Mai erinnert uns aber auch daran, dass wir auf eine lange Phase des Friedens blicken dürfen. Dafür sind wir dankbar, weil wir wissen, dass dies in der europäischen Geschichte nicht selbstverständlich ist. Gerade deshalb müssen wir auch weiterhin unsere Füße auf den Weg des Friedens richten und wachsam bleiben angesichts neu aufkeimendem Extremismus in jeglicher Form.



In Stuttgart hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland im Oktober 1945 bekannt: „Durch uns ist unendliches Leid über viele Länder und Völker gebracht worden.“ Dieses Bekenntnis war nötig und hat nichts von seiner Bedeutung verloren. Neben dieser Schuld empfinden wir jedoch auch Dankbarkeit für den Geist von Christinnen und Christen aus unserer Kirche, der sich in der Barmer Theologischen Erklärung 1934 manifestiert hat; Dankbarkeit auch für den Mut und Widerstand einzelner; Dankbarkeit nicht zuletzt für die Bereitschaft der Völker zur Versöhnung mit uns.


Gebe uns Gott die Weisheit, aus diesem dunkelsten Teil deutscher Geschichte zu lernen; gebe er uns Kraft und Mut aufzustehen gegen Unrecht und Ungerechtigkeit, damit, wie es im Psalm (85) heißt, „Gerechtigkeit und Friede sich küssen, dass Treue auf der Erde wachse und Gerechtigkeit vom Himmel schaue, dass uns der Herr Gutes tue und unser Land seine Frucht gebe, dass Gerechtigkeit vor ihm hergehe und seinen Schritten folge.’“