Pressemitteilung

„Wachsende Bedeutung von Religion und ihrer Werte in und für die Gesellschaft“

Spitzengespräch des Ministerrats mit der evangelischen Kirche

  • Nr. 64
  • 12.4.2005
  • 8005 Zeichen


Die finanzpolitische und demographische Entwicklung, Entwicklungen im Vorschul- und Schulbereich sowie die Wirtschafts- und Ausbildungsplatzsituation standen im Mittelpunkt des traditionell einmal im Jahr stattfindenden Spitzengesprächs des saarländischen Ministerrats unter Leitung von Ministerpräsident Peter Müller mit der Evangelischen Kirche im Rheinland unter Leitung von Präses Nikolaus Schneider und Evangelischen Kirche der Pfalz unter Leitung von Kirchenpräsident Eberhard Cherdron in der Staatskanzlei Saarbrücken.



Zentrale Ergebnisse des Gesprächs: Das Land und die evangelischen Kirchen sehen sich in einer Verantwortungsgemeinschaft zur Gestaltung der Infrastruktur angesichts von sinkenden Bevölkerungszahlen und zurückgehenden Steuereinnahmen. Das Land und die evangelischen Kirchen sind sich einig über die grundsätzliche Notwendigkeit eines Runden Tisches zur koordinierten Entwicklung der Vorschuleinrichtungen. Über die Umsetzung werden sie noch beraten. Die evangelischen Kirchen lehnen die Abschaffung eines weiteren Feiertages ab, während der Wirtschaftsminister darin durchaus die Chance sieht, neben vielen anderen Maßnahmen zur Standortaufwertung beizutragen.



Ministerpräsident Peter Müller unterstrich die Notwendigkeit der Vermittlung auch christlicher Werte für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund kritisierte er die Entscheidung Berlins, durch die Einführung alternativen Ethik-Unterrichts an den Schulen und der Freiwilligkeit zum Besuch des Religionsunterrichts eine bedauerliche Entwicklung weg vom Religionsunterricht zu fördern: „Wir leben in einer Zeit, in der für den Zusammenhalt der Gesellschaft die Bedeutung von Religion und der damit vermittelten Werte eher zunimmt.“ Präses Nikolaus Schneider (Rheinland) nahm dieses Bekenntnis zur Bedeutung von Religion dankbar auf. Dieses Bekenntnis tue gut, denn die Kirche sei ein wesentlicher Mosaikstein für das gesellschaftliche Miteinander.





  • Politik und Kirche in einem Boot bei Finanzlage, Demographie und Familienpolitik



Die Landesregierung informierte die Kirchenvertreter über die finanzielle Lage des Landes vor dem Hintergrund einer bundesweit und auch in anderen Bundesländern zugespitzten Finanzsituation. Das Saarland befinde sich nach wie vor in einer unverschuldeten Haushaltsnotlage – eine Situation, mit der sich heute auch die Saar-Gemeinschaftsinitiative beschäftigt. Fehlendes bundesweites Wirtschaftswachstum und zurückgehende Bevölkerung, Globalisierung und Demographie, seien dabei die große Herausforderung an Politik, aber auch an Kirche und Gesellschaft. „Politik und Kirche sitzen im gleichen Boot, Infrastruktur an die demographische Entwicklung anzupassen und Demographie als Aufgabe und Herausforderung anzunehmen“, erklärten Politiker und Kirchenvertreter übereinstimmend. Angesichts der Demographie müsse über die Passgenauigkeit von Familienleistungen und die Rahmenbedingungen für Familien nachgedacht werden: „Wir brauchen mit Hilfe der lokalen Bündnisse für Familien eine Atmosphäre vor Ort, die wieder stärker Ja zum Kind sagt“, erklärte Ministerpräsident Müller. Beispielsweise müsse etwa in der Rentenversicherung Kindererziehung sowohl auf der Leistungs- als auch der Beitragsseite stärker anerkannt werden. Nach wie vor gebe es den Kinderwunsch, doch stehe die Lebensplanung der Verwirklichung oft im Wege. Kirchenpräsident Eberhard Cherdron (Pfalz) verwies auf die laufende „Woche für das Leben“ der beiden großen Kirchen mit dem Ziel des Bewusstseins- und Mentalitätswandels („Veränderung in den Herzen“) für mehr Kinder. Der demographische Wandel werde auch dazu führen, dass es mehr Großeltern als Enkel geben werde. Man müsse sich mit der Frage auseinandersetzen, was dies für das Zusammenleben und die Infrastruktur bedeute.



Die Kirchen sehen angesichts zurückgehender Einnahmen die Notwendigkeit, weitere Konsolidierungsprogramme bis 2010 bzw. 2012 aufzulegen. Bisher konnten die Sparnotwendigkeiten im Wesentlichen auf innerkirchliche Maßnahmen beschränkt werden. Auf Dauer werde dies nicht ohne Rückwirkung auf gesellschaftliche Aufgaben der Kirche bleiben können. Eine nicht kostenneutrale Senkung der Unternehmenssteuern auch bei Personengesellschaften würde das Einnahmeproblem weiter verschärfen. Es bestand Übereinstimmung, dass es einer großen Steuerreform hin zu mehr Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung bedarf, für weitere Netto-Entlastungen aber kein Raum bestehe, wenn Staat und Kirche ihrer gesellschaftlichen Verantwortung weiter gerecht werden wollen.





  • Situation im Vorschul- und Grundschulbereich



Bezüglich der Kindertageseinrichtungen kündigten die evangelischen Kirchen an, sie wollten sich mit der katholischen Kirche und den Kommunen in ihrer Funktion als Träger für die Entwicklung einer koordinierten Gesamtperspektive und damit zur bedarfsgerechten Sicherung und zum bedarfsorientierten Umbau der Einrichtungen im Saarland zusammensetzen. Das Land und die Kirchen waren sich einig darin, dass es dazu einen Runden Tisch geben soll. Über das Wie soll noch gesprochen werden.



Die Landesregierung erläuterte die Grundschulstrukturreform, mit der einerseits der finanziellen und demographischen Situation Rechnung getragen werde, andererseits ermöglicht werde, bei weiterhin kleinen Klassen und kurzen Schulwegen in durchweg mindestens zweizügigen Schulen mehr Qualität in Unterricht und Betreuung (mehr Förderung, mehr Unterricht, mehr Betreuung, mehr Verlässlichkeit) zu verankern. Dankbar zeigten sich die beiden Kirchen, dass das Land die Religionslehrerausbildung an der Universität des Saarlandes erhalten habe.





  • Ausbildung und Arbeitsmarkt



Die Landesregierung verwies auf die seit Jahren anhaltende vorbildliche und bundesweit führende Ausbildungsplatzsituation im Saarland und warb dafür, in den Anstrengungen und im Klinkenputzen für Ausbildungsplätze nicht nachzulassen und sie zu intensivieren. Das Land sei bundesweit Spitze, aber in einer insgesamt schwierigen Zeit. Deshalb sei erneut ein Ausbildungspakt vereinbart worden. Die Kirchen kündigten dabei ihre Unterstützung an. Erfahrungen tauschten das Land und die Kirchen bezüglich der Umsetzung der Hartz-
IV-Reform am Arbeitsmarkt aus. Betont wurde, dass ein stärkeres Gewicht auf die Qualifizierung Arbeitsloser gelegt werden müsse. In diesem Zusammenhang erläuterte der Wirtschaftsminister die Notwendigkeit, zur Standortaufwertung neben einer Reihe anderer Maßnahmen auch über die Abschaffung eines weiteren Feiertages zu reden. Dies führe zu einer deutlichen Entlastung der Wirtschaft, verbessere den Standort und ermögliche damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Angesichts der finanziellen Lage müsse über Mehrarbeit geredet werden. Seitens der Kirchen wurde dieses Ansinnen abgelehnt: „Dazu sagen wir auch als evangelische Kirchen ein klares Nein. Die Streichung eines weiteren Feiertage wird den Standort Deutschland nicht retten“, so Kirchenpräsident Cherdron und Präses Schneider unisono.





  • Symposion „Europa und die Kirchen“



Die evangelischen Kirchen informierten über das geplante Symposium „Europa und die Kirchen“. Im Anschluss an das nächste Treffen zwischen Landesregierung und evangelischer Kirche soll ein entsprechendes Symposium stattfinden und dazu beitragen, über das protestantische Profil in Europa zu informieren und zu diskutieren.


 


Diese Pressemitteilung wird gemeinsam von der Staatskanzlei, Saarbrücken, der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche der Pfalz veröffentlicht.