Pressemitteilung

Der interreligiöse Dialog erfordert „volljährig gewordene“ Religion

Prof. Dr. Magonet hält Festvortrag beim Symposion Christen und Juden

  • Nr. Pressemitteilung 150
  • 29.10.2005
  • 4952 Zeichen

Einen anspruchsvollen Festvortrag hörten die über 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gestern am späten Abend beim Symposion „Gemeinsame Bibel – gemeinsame Sendung. 25 Jahre Synodalbeschluss zur Erneuerung des Verhältnis-ses von Christen und Juden“ in Wuppertal. Der Rabbiner und Professor Dr. Jonathan Magonet, promovierter Theologe und Rektor des Leo Beack Collegs für Jüdische Studien in London, präsentierte das Thema „Der Dialog mit Israel und der Dialog mit den Religionen“ in exzellentem Deutsch, gewürzt mit einer feinsinnigen Portion englischen Humors.


Zum Ausgangspunkt wählte er die Jona-Geschichte aus der Bibel. Die Geschichte: Jona, der unfreiwillige Prophet, wird von Gott in die sündige und gottesferne Stadt Ninive geschickt. Er soll dort predigen und die Menschen zur Umkehr aufrufen bzw. Gottes Strafe ankündigen. Aber Jona will nicht. Er versucht, vor dem unliebsamen Auftrag zu flüchten und setzt sich auf einem Schiff in Gegenrichtung ab. Natürlich lässt Gott ihn nicht einfach entkommen. Er schickt ein Unwetter, das die Matrosen in Angst und Schrecken versetzt. Sie werfen erst die Ladung über Bord und anschlie-ßend den fremden Passagier, nachdem sie Jona durch das Los als Sündenbock ausgemacht hatten – ein im Altertum durchaus übliches Verfahren. Das Meer beruhigt sich – und was ist mit Jona? Ein großer Fisch verschluckt ihn und spuckt ihn nach drei Tagen wieder an Land. Jona geht nun doch nach Ninive und predigt knapp und ohne großes Engagement den Untergang. Wundersamerweise aber geben die Bewohner nach seiner Rede tatsächlich ihren Lebenswandel auf, allen voran der König. Sie zeigen Reue, und Gott verschont sie.


Magonet zeigte an dieser Geschichte die „Vielsprachigkeit“ der beteiligten Personen auf, die zunächst alle „ihren eigenen Gott“ anriefen, aber dabei doch erkannten, dass Gott unverfügbar ist, größer als alle ihre Vorstellungen – und Namensgebungen – von ihm. „Es ist die Ironie des Buches, dass Jona der Vertreter Gottes ist, der trotz seiner selbst diese außergewöhnlichen Ereignisse zustande bringt. Indem er vor der Sendung wegrennt, bekehrt er versehentlich die Matrosen. Indem er widerwillig seine Sendung ausführt – und das mit einem Mindestmaß an Bemühung, indem er nur fünf Worte spricht – bringt er eine ganze Nation zur Reue“, so Magonet, und es sei nicht einmal sicher, dass Jona verstehe oder annehme, was geschehe.


Der Exkurs in die Bibel machte deutlich, dass das ängstliche Festhalten an den eigenen religiösen Glaubensinhalten die Menschen auseinander treibt. Diese Konkurrenz um den Besitz der einen „wahren“ Religion betrachtete er als nicht mehr zeitgemäß: „In der Vergangenheit haben wir uns selbst im Gegensatz und in Opposition zueinander definiert. Heute müssen wir uns in Beziehung zueinander definieren“, betonte er.


Das Schwierigste für die Menschen sei es, die „offenkundige Begrenzung“ eigener religiöser Vorstellungen anzunehmen. Doch könne der Dialog der Religionen zu dieser Erkenntnis verhelfen und genau damit zu einer Festigung des eigenen Glaubens führen. „Der interreligiöse Dialog ist eine Herausforderung, gerade weil er uns mit der Relativität unserer eigenen religiösen Positionen konfrontiert, aber dies zu tun versucht, ohne deren Legitimität zu leugnen. Er erfordert eine Ebene religiöser Reife, die verständlicherweise schwer anzunehmen ist, ‚volljährig gewordene‘ Religion,“ so Magonet. Und er betonte die Notwendigkeit, gemeinsam Fragen nachzugehen: „Fragen, die nicht unsere Unterschiede betonen, sondern das, was wir gemeinsam haben“.


Die rhetorischen Fragen des jüdischen Morgengebets seien eine Einladung, in uns selbst ein Maß an Bescheidenheit zu fördern und gemeinsam den Übergang „vom Konflikt zum Gespräch, vom Monolog zum echten Dialog“ zu erkunden. Und so endete auch der Festvortrag des Rabbiners nicht mit Antworten, sondern mit liturgischen Fragen, die zur Offenheit und zum Nachdenken einladen: „Was sind wir? Was ist unser Leben? Was ist unsere Liebe? Was ist unsere Gerechtigkeit? Was ist unser Heil? Was ist unsere Ausdauer? Was ist unsere Macht? Unser Gott, was können wir von Dir sagen“.


Das Symposion wurde heute mit Vorträgen und Arbeitsgruppen fortgesetzt. Am Abend erhält Prof. Dr. Magonet die Ehrendoktorwürde der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal, an der er schon mehrere Lehraufträge übernommen hat. Das Symposion endet morgen mit einem feierlichen Gottesdienst am morgigen Sonntag, 30. Oktober, mit einem in der Citykirche Barmen-Gemarke, Zwinglistraße 5, 42275 Wuppertal, der um 10.30 Uhr beginnt. Die Predigt hält Präses i.R. Manfred Kock.