Pressemitteilung

Stellungnahme zur so genannten Kopftuchfrage

Gemeinsame Erklärung der drei Landeskirchen

  • Nr. 156
  • 8.11.2005
  • 3529 Zeichen


1. Die evangelischen Kirchen in NRW erkennen an, dass sich die Landesregierung in der Kopftuchfrage einer außergewöhnlich schwierigen Regelungsproblematik annimmt und Klarheit in der Sache herstellen will. Die Frage ist deswegen so schwierig, weil es sich bei dem Kopftuch um ein Symbol handelt, das für unterschiedliche Deutungen offen ist.



2. Muslima, die sich für das Tragen des Kopftuches auf ihre religiöse Überzeugung berufen, können sich auf die Religionsfreiheit, die das Grundgesetz gewährt, stützen. Sie ist in unserer Rechtsordnung ein hohes Gut. Das gewährte Recht der Religionsfreiheit gilt im Rahmen des Grundgesetzes für alle Religionen in gleicher Weise. Auch die öffentliche Schule ist, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont hat, kein religionsfreier Raum; sie bietet Raum für den interreligiösen Dialog.


Die evangelischen Kirchen in NRW sprechen die Überzeugung aus, dass der Schutz der positiven Religionsfreiheit auch für Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen gilt. Der Staat, der eine Heimstatt aller seiner Bürgerinnen und Bürger ist, muss in Fragen der religiösen Überzeugung Neutralität wahren. Das Verhalten seiner Beamtinnen und Beamten darf diese Neutralitätspflicht nicht verletzten. Das schließt die Erkennbarkeit der religiösen Überzeugung von Staatsbeamten nicht aus, setzt ihr aber Grenzen.



3. Das Tragen eines Kopftuches kann und darf nicht dazu benutzt werden, Kinder in einer staatlichen Schule einer politischen und religiösen Beeinflussung auszusetzen. Das betrifft insbesondere auch die Proklamation eines Frauenbildes, das mit den Grundrechten der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland und der dort verankerten Gleichberechtigung von Mann und Frau unvereinbar ist. Das Tragen eines Kopftuches in staatlichen Schulen setzt die Bereitschaft voraus, individuelle Motive und die Zurechenbarkeit von Deutungen dieses Symbols durch die Öffentlichkeit abwägen zu können, damit es nicht zu einer „Überwältigung“ der Schülerinnen und Schüler kommen kann.



 


 


4. Wenn eine muslimische Bewerberin für eine Lehrtätigkeit an öffentlichen Schulen unter Berufung auf ihre Religionsfreiheit im Dienst ein Kopftuch tragen will, ohne die damit verbundenen pädagogischen Fragen oder Fragen nach dem Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule bzw. Fragen möglicher Wirkung auf die Religionsfreiheit anderer Schülerinnen und Schüler oder das elterliche Erziehungsrecht angemessen zu reflektieren, kann ihr Verhalten Zweifel an ihrer Eignung als Lehrerin an einer staatlichen Schule begründen.



5. Die Zielsetzung, den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gewährleisten, wird von den evangelischen Kirchen in NRW begrüßt. Dazu sind allerdings weitere Schritte der Integration, der religiösen Bildung und des Dialogs notwendig. Dafür setzen sich die evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen ein.



 


Präses Alfred Buß, Evangelische Kirche von Westfalen


Landessuperintendent Dr. Martin Dutzmann, Lippische Landeskirche


Präses Nikolaus Schneider, Evangelische Kirche im Rheinland



 


 


Hinweis an die Redaktionen:


Diese gemeinsame Erklärung wird als Pressemitteilung von den Landeskirchenämtern in Bielefeld, Detmold und Düsseldorf gleichlautend verbreitet.