Pressemitteilung

Vizepräses Petra Bosse-Huber: „Gottes Segen drängt auf die Straße“

Festpredigt zum Kirchenjubiläum in Wuppertal-Elberfeld

  • Nr. 54/2008
  • 29.4.2008
  • 6022 Zeichen

Achtung, Sperrfrist: Sonntag, 27. April 2008, 10.15 Uhr! Es gilt das gesprochene Wort.

Auch in Zeiten von Gemeindefusionen und der Aufgabe von Gemeindehäusern oder Kirchen geht die Segensgeschichte Gottes weiter – „wo immer des Namens Gottes gedacht wird“, stellte Petra Bosse-Huber, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, am Sonntag (27. April 2008) beim Festgottesdienst aus Anlass des 150-jährigen Bestehens der Neuen reformierten Kirche in Wuppertal-Elberfeld fest. Als in der Neuen reformierten Kirche – im Volksmund „Sophienkirche“ – am 26. März 1858 der erste Gottesdienst gefeiert wurde, legte Pfarrer Künzel ein Wort aus dem 2. Buch Mose aus: „An jedem Ort, wo ich meines Namens gedenken lasse, da will ich zu dir kommen und dich segnen.“ Dieses Verheißungswort gelte noch heute, unterstrich die Vizepräses, die selbst lange Jahre Pfarrerin an der Neuen reformierten Kirche war.

„,An jedem Ort, wo ich meines Namens gedenken lasse, da will ich zu dir kommen und dich segnen.’ Das erinnert sehr an die befreiende Entdeckung der Reformation, dass es weder heiliger Orte noch heiliger Personen bedarf, um Gott zu begegnen. Kein geweihter Altar, kein geweihter Priester kann diese Begegnung ermöglichen – nur einer: Gott selbst“, sagte die Vizepräses. Dass sich gerade diese selbstbewusst reformierte Kirche anlässlich ihres ersten Gottesdienstes mit biblischen Worten über einen Altar schmückte, könne sie nicht ohne ein amüsiertes Augenzwinkern hören, meinte Petra Bosse-Huber. Immerhin war in der reformierten Tradition doch gerade der Altar ein Sinnbild religiöser Hierarchie, wogegen der reformierte Abendmahlstisch als Symbol der menschlichen Gemeinschaft von Gleichen angesehen wurde: „Die Gemeinde Elberfeld-West hat in den Fusionen der zurückliegenden Jahre intensiv erlebt und erlitten, wie sehr solche liebgewordenen konfessionellen Deutungen und unterschiedlichen gottesdienstlichen und theologischen Traditionen – wie sie sich in den Stichworten Altar und Abendmahlstisch ausdrücken –, die lebendige Identität einer Gemeinde bis heute prägen. Hier geht es nicht um theologisch richtig oder falsch, nicht um konfessionelle Engherzigkeiten sondern um gewachsene Traditionen, sich wie Mose an das eine große Geheimnis anzunähern, an jenes ,Dunkel, darinnen Gott war’. Es war und ist ein anspruchsvoller und nicht unanstrengender Unions- und Fusionsweg gewesen hier in Elberfeld-West. Die erste Haltestelle nach den vielen Jahren als lutherische und reformierte Großgemeinden war der gemeinsame Gemeindeverband, dann später das Zusammengehen der beiden Kirchenkreise Barmen und Elberfeld. Die letzte Haltestelle nach der Aufgabe vieler geliebter schöner Gottesdienstgebäude, zuletzt der Stephanuskirche, war die Konzentration auf die Neue Kirche als einziges gemeinsames evangelischen Gottesdienstzentrum hier in Elberfeld-West. Eine Entwicklung, die angesichts der Kirchenmitgliederzahlen vor 150 Jahren schier unvorstellbar gewesen sein mag“, so die 49-jährige Theologin.

Tief tröstliche und ermutigende Verheißung Gottes

Aber angesichts dieser konkreten Geschichte der Neuen Kirche bekomme der Predigttext des ersten Gottesdienstes „einen tief tröstlichen und herausfordernd ermutigenden Klang“ – nicht nur für die Gemeinde Elberfeld-West, sondern für die gesamte rheinische Kirche: „Glaubt man diesen Worten, dann entscheidet kein heiliger Ort über die Begegnung mit dem lebendigen Gott. Ob lutherische Kirche, reformiertes Gemeindehaus, katholische Kathedrale, ökumenische Krankenhauskapelle oder die Abflughalle im Düsseldorfer Flughafen, als Entscheidendes verspricht uns Gott: ,An jedem Ort, wo ich meines Namens gedenken lasse, da will ich zu dir kommen und dich segnen.’“

Diese Zusage Gottes eröffnet nach den Worten der rheinischen Vizepräses einen weiten Horizont: „Es reicht aus Gottes Namen anzurufen, damit Menschen seine Nähe und seinen Segen an Leib und Seele erfahren können. Unsere Kirchen mit ihren Altären und Abendmahlstischen, ihren Kanzeln und Taufbecken, auch die schöne Neue Kirche hier oder die Laurentiuskirche sind wunderbare Orte, um Kirchenferne und Kirchenentwöhnte neugierig zu machen auf den unglaublichen Schatz des christlichen Glaubens. Aber einfangen und einengen lässt sich selbst mit einem solchen Haus Gottes Segen nicht. Der Segen will raus aus der Kirche. Er drängt auf die Straße, will nicht ohne die Menschen sein. Segen lässt sich niemals einsperren oder für einige privilegierte Menschen reservieren. Der Segen, der am Ende jedes Gottesdienstes steht, sehnt sich nach den Segenssehnsüchtigen hier in Wuppertal, will sich multiplizieren, sich vervielfältigen von diesen Kirchenstufen in der Sophienstraße aus, will hinausströmen auf die Friedrich-Ebert-Straße, hineinschwappen in die Kindergärten und Schulen, Bewegung bringen in Kliniken und Betriebe, ausstrahlen in die Wohnungen am Brill und am Nützenberg.“

Und Bosse-Huber weiter: „Mitten im Leben, so chaotisch oder schwer es sich für uns auch anfühlen mag, können Menschen zu Personen werden, in denen der Name Gottes weiter klingt. Zu Räumen, wo Gott selbst zu Gast kommt. Wo gegen alles Kaputte und Traurige, gegen Gewalt und Unrecht Gottes mächtiger Name seine Wirkung entfaltet. Da wo Gottes Name Raum schafft mitten im Tohuwabohu meines Lebens, da füllt Gott selbst meine Leere aus, lindert er die Verzweiflung und heilt die Lebensangst. Denn nichts anderes heißt ja dieses Versprechen: „…ich will zu dir kommen und dich segnen.“ Gerade an den Orten, die uns in ihrer Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit tief erschrecken, will Gott Menschen heilen, behüten, bewahren und stärken. Die tiefe Segenssehnsucht von Menschen soll gestillt werden.“