Pressemitteilung

Oberkirchenrat: Christliche Werte-Erziehung wichtige Bildungsaufgabe - Vor bildungspolitischen "Schnellschüssen" nach PISA gewarnt

Meldung vom 21.2.02

  • 5.3.2002

Köln (epd). In der Diskussion um die Krise des deutschen Bildungssystems muss die Wertefrage nach Ansicht der evangelischen Kirche eine zentrale Rolle spielen. Kindern müsse geholfen werden, „ihren Platz in der Gesellschaft zu finden“, sagte Oberkirchenrat Harald Bewersdorff (Düsseldorf) am Donnerstag in einem epd-Gespräch auf der Bildungsmesse in Köln. Entscheidend sei dabei die Frage: „Was muss ich wissen, um das Leben sinnvoll zu gestalten?“


Eine Werte-Erziehung sei aber nicht ohne eigenen Standpunkt möglich, betonte Bewersdorff, Leiter der Abteilung Bildung und Erziehung der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sie habe auch zu tun mit Religion und Glauben, daher sei der konfessionelle Religionsunterricht unverzichtbar. Schüler müssten sich mit der „Gottes- und Menschenfrage“ beschäftigen. Bewersdorff beklagte, vielfach sei das Wissen über den christlichen Glauben und die christliche Tradition nur noch rudimentär vorhanden, dabei stecke die Alltags-Wirklichkeit voller christliche Symbole, etwa bei Filmen oder in der Werbung.


Der Oberkirchenrat warnte vor „politischen Entscheidungen im Schnellverfahren“ nach den alarmierenden Ergebnissen der internationalen Schulvergleichsstudie PISA. So gingen die Überlegungen, die Einschulung vorzuziehen, in die falsche Richtung. Kindergärten und Kindertagesstätten seien eine Bildungsinstitution, die sich bewährt habe und nicht beschädigt werden dürfe. Sie sei vermutlich eher als die Schule in der Lage, etwa die in der PISA-Untersuchung beklagten sprachlichen Defizite von Migrantenkindern auszugleichen.


Bewersdorff beklagte eine „Bildungs-Ungerechtigkeit“ in Deutschland: Kinder aus bestimmten Milieus würden benachteiligt. So hätten etwa Familien mit mehreren Kindern oft nicht das Geld für eine Tagesbetreuung. Er erhoffe sich von den PISA-Ergebnissen, dass Bildung wieder als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werde, in die mehr als bisher investiert werden müsse. Die „Nachfolgekosten“ für Kinder, die einen schlechten Bildungsweg hinter sich haben, seien wesentlich höher, mahnte der Oberkirchenrat.


Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) präsentiert sich auf der Bildungsmesse unter dem Motto „Ein jegliches hat seine Zeit“. Bei Bildung dürfe „nicht nur nach dem Output geguckt“ werden, sondern Schüler bräuchten auch Zeit zum Lernen, Entdecken und Experimentieren, um entscheidungsfähig zu werden, erläuterte Bewersdorff dazu.


Die Kirchen haben den Angaben zufolge schon lange vor PISA die Notwendigkeit von Tagesbetreuung erkannt, die nun eines der großen gesellschaftspolitischen Themen geworden sei. Allerdings dürften Schüler dabei nachmittags nicht nur betreut werden, sondern es müsse auch Bildungsangebote geben. Auch die Ganztagsschule müsse verstärkt ins Blickfeld rücken. Als Beispiel nannte Bewersdorff den Aufbau eines Ganztags-Gymnasiums der rheinischen Kirche in Trier. (d20356/21.2.02)


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