Pressemitteilung

„Der Barbarei darf die Tür nicht geöffnet werden – auch nicht der kleinste Spalt.“

Stellungnahme der Evangelischen Kirche im Rheinland zur Folter

  • Nr. 177 / 2007
  • 8.11.2007
  • 4053 Zeichen

Mit dem Problemkreis von Gewalt, Krieg und Folter hat sich die Evangelische Kirche im Rheinland immer wieder auseinandergesetzt. Nun legt sie eine Stellungnahme zur Folter vor, die als wichtige Fortsetzung anderer friedensethischer Beschlüsse zu verstehen ist. „Nicht einen Spalt breit!“ lautet der Titel der 24-seitige DIN A-5-Broschüre, in der die Menschenwürde aus biblisch-theologischer Sicht und die absolute Geltung des Folterverbots auch nach internationalem Recht im Mittelpunkt stehen. Die Broschüre wird in diesen Tagen an die Gemeinden und Kirchenkreise der rheinischen Kirche, ihre Ämter, Werke und Einrichtungen, die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre Gliedkirchen, Verantwortliche in der Bundeswehr sowie in der Polizei des Bundes und der Länder und ökumenische Netzwerke geschickt. Dort soll sie diskutiert und in die öffentliche Diskussion eingebracht werden.

Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, hatte bereits auf der Landessynode 2006 eine Güterabwägung beim Folterverbot und eine gesetzliche Regelung von Ausnahmen abgelehnt. „Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass auch demokratische Staaten offen Folter anwenden und dass die ‚Nutzung der möglicherweise durch Folter gewonnenen Informationen‘ in einem freien und rechtsstaatlich geordneten Gemeinwesen wie der Bundesrepublik Deutschland als möglich erachtet werden“, sagte Schneider in seinem Bericht zur Landessynode, und weiter: „Dagegen sage ich: Gegenüber der Folter ist eine absolute Grenzziehung notwendig. Diese Grenzziehung darf nicht überschritten werden. Der Barbarei darf die Tür nicht geöffnet werden – auch nicht der kleinste Spalt.“

Diesem Votum schloss sich die Landessynode, das oberste Gremium der rheinische Kirche, im Januar 2007 an und erklärte: „Folter ist eine besonders bedrückende Form der Gewalt. Am Verbot von Folter und Folterandrohung darf nicht gerüttelt werden. Es muss aus rechtlichen und prinzipiellen ethischen Gründen absolut gelten.“ Das Verbot folge auch dem jüdisch-christlichen Verständnis vom Menschen. Folter und Folterandrohung greifen in die von Gott geschenkte Unantastbarkeit der menschlichen Würde und damit in das Recht Gottes auf sein Geschöpf ein.

Ausdrücklich bezieht sich die Stellungnahme auf die im November 2005 von der rheinischen Kirche vorgelegte umfangreiche Argumentationshilfe zur Friedensarbeit „Ein gerechter Friede ist möglich“, in der aktuelle Fragen von Gewalt und Krieg analysiert werden. In der 72-seitigen DIN-A-4-Broschüre wird das Prinzip der Gewaltfreiheit als vorrangiges Mittel zur Vermeidung gewaltförmiger Konflikte und als Reaktion darauf fokussiert.

Der inhaltliche Zusammenhang von Gewalt, Krieg und Folter kommt im Titelbild beider Broschüren zum Ausdruck. Beide Male wurde ein Ausschnitt aus dem Bild „Der verwundete Engel“ (1903) des finnischen Malers Hugo Simberg gewählt. Der weibliche Engel ist verletzt, Er trägt Spuren von Gewalt am Körper. Kopf und Augen sind verbunden. Er hat Blutspuren an den Flügeln. Er sitzt auf einer Trage aus dürren Holzästen, die von zwei Jungen mit ernsten und bekümmerten Mienen getragen werden. Die Auswahl des Titelbildes erläutert Kirchenrätin Pfarrerin Christine Busch, Dezernentin in der Abteilung Ökumene, Mission, Religionen im Landeskirchenamt: „So wirkt er wie Gottes verletzte Botin, wie die Vorbotin seines Schmerzes über eine zerrissene Welt. Er mahnt an gefährdetes Leben und zugleich an verlorenen Schutz. Auch erinnert er an Leben, das geborgen und heil sein soll. Wir ahnen, wie es sein könnte: Gerechtigkeit und Frieden gehen eine wunderbare Verbindung ein, die Gott uns versprochen hat.“

  

Die Broschüre steht im Internet zum Download bereit. Ebenso wie die Argumentationshilfe „Ein gerechter Friede ist möglich“ ist sie abrufbar unter www.ekir.de/dokumente.