Pressemitteilung

Manuskript von Präses Schneider

Gottesdienst anlässlich der 50-Jahr-Feier des Saarlands

  • Nr. 140a / 2007
  • 15.8.2007
  • 10931 Zeichen

Achtung, Sperrfrist: Freitag, 17. August 2007, 16 Uhr! Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

nachfolgend finden Sie das Manuskript der Ansprache von Präses Nikolaus Schneider zur 50-Jahr-Feier des Saarlands am 17. August 2007 zu Psalm 33, 12 zu Ihrer Verwendung. Bitte beachten Sie die Sperrfrist und den Wortlautvorbehalt.

Die Zusammenfassung ist Ihnen heute als Pressemitteilung Nr. 140/2007 zugegangen.

Mit freundlichem Gruß

Jens Peter Iven
Pressesprecher

„Liebe Gemeinde, liebe Hörerinnen und Hörer,

das 50-jährige Bestehen des Saarlandes feiern wir heute. Der Auftakt dazu ist dieser ökumenische Gottesdienst. Und das ist gut so.

Denn dass wir an diesem Tage 50 Jahre Saarland feiern können, ist keineswegs selbstverständlich. Aus den geschichtlichen Wirren der Vergangenheit, aus Krieg und Not, aus Schuld und Versagen ist das Saarland neu hervorgegangen und schließlich zu einem Bundesland der Bundesrepublik Deutschland geworden.

Aus diesem Grunde ist es gut und notwendig, nicht nur die Gegenwart zu feiern. Wir tun gut daran, uns auch zu erinnern und nach den Fundamenten für das Zusammenleben von Menschen in diesem Gemeinwesen zu fragen. Um unseres Landes und um unseres persönlichen Lebens willen fragen wir danach, aus welchen Wurzeln heraus uns geistige und politische Orientierungen erwachsen. Was die Grundnormen sind, die ein gerechtes, ein friedliches und glückliches Zusammenleben von Menschen ermöglichen.

I.

Für uns und für unser Land ist es gut und notwendig, nach Gottes Wort und Geleit zu fragen und Gottes Gegenwart in diesem Gottesdienst zu erbitten und zu feiern. Rufen wir uns daher noch einmal die Leitgedanken des Psalms 33 in Erinnerung, den wir vorhin gehört haben:

– Menschen, die sich mit Gott im Bund glauben, werden aufgefordert, diesem Gott zu danken und ihm ein neues Lied zu singen. Vor Gott sollen die Menschen neue Töne anschlagen: vielleicht weil die alten Gott nicht mehr erreichen. Weil ja Gott nicht von gestern ist. Weil dieser Gott mehr ist als der Garant einer bestehenden Ordnung. Weil Gott immer wieder Verkrustetes aufbricht und seine Menschen neue Wege führen will.

– Gott macht neue Zusagen und möchte, dass die, die an ihn glauben, daraufhin ihr Leben in neuer Weise führen.

– Im Psalm wird kein Zweifel daran gelassen, warum das so sein kann und soll: Gott ist der Schöpfer und Erhalter der Welt. Und daher steht da auch: „Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, das er zum Erbe erwählt hat.“ Was diesem Volk da als Erbe zufällt, fällt ihm aber nicht einfach bloß in den Schoß, es enthält auch Verpflichtung:

– Gott liebt Recht und Gerechtigkeit, weil die Erde „voll der Güte des Herrn“ ist.

– Und weil das sozusagen Gottes Herzensanliegen sind und keine beliebigen Versatzstücke in den Ordnungen menschlichen Zusammenlebens, hat Gott ein Auge darauf, was wir Menschen daraus machen. Was uns das wirklich wert ist.

– Ob wir uns daran orientieren oder uns verlassen, worauf sich Völker schon immer gerne verlassen haben: auf militärische Stärke und auf die Macht, die Reichtum gibt.

Damit sind die Hauptgedanken noch einmal skizziert. Gerechtigkeit und Recht sind in dem Willen Gottes selber verankert, seine Güte soll das Zusammenleben auf Erden bestimmen. Und daraus folgen Lob und Dank des Menschen – soweit diese Welt eben nicht sich selbst verdankt, sondern gottgewollte und gottgewirkte Schöpfung ist. Die Ewigkeit des Schöpfers ist es letztlich, die allem menschlichen Bemühen in Zeit und Raum Gewicht und Dauer verleiht. Deshalb wird vor den menschlichen Überheblichkeiten gewarnt, dem Wahn von Macht und Stärke Einhalt geboten.

II.

Wie notwendig und sinnvoll diese Rückbesinnung ist, das erhellt ein kurzer Blick auf die Geschichte:

Es ist nicht lange her, dass mit Arroganz und Ignoranz jeglicher Glaube an den Gott Israels als sinnlos oder gar schädlich denunziert wurde. Stattdessen setzte man auf die Kraft des Blutes, die Herrlichkeit der eigenen Rasse, die Durchsetzungsfähigkeit der eigenen Waffen.

Das Recht wurde rücksichtslos dem Machtinteresse der Partei und des Führers unterworfen, Eliten unseres Landes ließen sich in den Dienst von Unrecht, Willkür, Krieg und Verbrechen einspannen. Für viele war das auch noch ein sehr einträgliches Geschäft. Die Ergebnisse sind hinreichend bekannt:

Aus tausend wurden 12 Jahre, aus Macht und Sieg die totale Kapitulation und die Abhängigkeit von den Sieger- und Besatzungsmächten, aus dem Wahn von Rasse und Blut Ratlosigkeit und Verwirrung aller Maßstäbe und Orientierungen für das Leben.

III.

Ganz sicher ist es so, dass die Verwüstungen der Städte und Landschaften genauso verheerend waren wie die Verwüstungen des Denkens und des ethischen Empfindens und Handelns.

Kräftig musste deshalb damals – und muss immer wieder – gegen diese Verwüstungen des Denkens und die Verirrungen des ethischen Zusammenlebens angegangen werden.

Da hilft kein Leisetreten. Da ist es nicht mit ein paar zaghaften Tönen getan: Das neue Lied des 33. Psalms muss laut ertönen, damit es auch gehört wird. Es muss laut ertönen, damit wir Mut gewinnen, uns unserer Schuldgeschichte zu stellen. Damit aus unserem Glauben neues Zutrauen und neue Stärke für unsere Gegenwart und Zukunft erwächst.

„Die Erde ist des Herrn und alles, was darinnen ist“ – das muss auch heute laut gesagt werden: den Verzweifelten zum Trost und zur Hoffnung; den Spöttern zur Mahnung und den Arroganten und Ignoranten zur Warnung und zur Bestreitung ihrer Ansprüche!

Gott verbindet sein Wollen und Tun mit Recht und Gerechtigkeit, mit Liebe und Güte. Damit sind die Grundnormen benannt, die ein gelingendes Leben ermöglichen.

Recht und Gerechtigkeit, Liebe und Güte, das sind die Wohltaten und Weisungen Gottes für uns Menschen – damals vor 3000 Jahren im Volk Israel wie auch heute hier in Saarbrücken und im ganzen Saarland. Aber nicht irgendwelche Gesetze und irgendeine Gerechtigkeit! Gottes Reich und seine Gerechtigkeit, in der Heiligen Schrift überliefert und immer wieder neu ausgelegt – daran die Regierenden und die Regierten zu erinnern, ist die Aufgabe der Kirchen, die Aufgabe von uns Christinnen und Christen.

Und das nicht moralinsauer oder mit erhobenem Zeigefinger. Sondern so, dass unser Reden und Predigen zur Freude wird; so, dass wir sagen können: danket dem Herrn und singt ihm neue Lieder! Und schafft mit Freude, Dank und Gesang eine neue Realität aus Recht, Gerechtigkeit, Liebe und Güte – ruft sie aus, damit sie Wirklichkeit wird! Denn Gottes Wort ist wahrhaftig, auf sein Tun ist Verlass!

IV.

Aber passen wir auf, dass wir den Namen Gottes nicht missbrauchen. „Was nennt ihr mich Herr, Herr und tut nicht, was ich euch sage“, warnte Jesus schon seine eigenen Leute davor, aus Gott einen Götzen zu machen, eine Projektionsfläche eigener Vorstellungen von ihm. Nicht die Menschen nehmen Gott in Dienst für ihre eigenen Interessen, sondern Gott ruft uns auf den Plan – für sein Recht und seine Güte. Er lässt sich nicht manipulieren gemäß unserer frommen Bedürfnisse. Nicht: Wie hätten wir ihn denn gerne, unseren Gott, sondern: Wie möchte er uns denn haben – das ist die entscheidende Frage

Gottes Wollen und seiner Macht verdankt sich alles Leben! Ja, das manchen verdächtige Wort Macht scheuen wir nicht. Denn Gottes Macht ist Schöpfermacht, ist Lebensmacht. Alle menschliche Machtausübung soll sich daran orientieren!

Gott, der Herr ist lebendig und gegenwärtig; alle hochmütigen Pläne werden letztendlich an ihm scheitern! Bis in das Denken, Planen und Wollen von Menschen kann und wird Gott eingreifen. Diesem Gott, dem Schöpfer unserer Welt und dem Liebhaber allen menschlichen Lebens, wollen wir unsere Lieder singen, laut und hörbar für alle Welt.

V.

Wenn wir dieses Lied wirklich ernst nehmen, wenn es unser Leben bestimmt, dann haben wir eine belastbare Basis für unser persönliches Leben und für die Gestaltung unserer Gemeinschaften. Und dann hat das Konsequenzen.

– Wer seine Wurzeln und seine Ausrichtung in Gottes Wort und Weisung findet, der erkennt, dass alle Menschen, Nationen und Völker Geschöpfe Gottes sind.

– Er wird darin Gott die Ehre erweisen, dass er respektvoll mit allen seinen Geschöpfen umgeht.

– Er wird darin Gott loben, dass er nach Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen strebt.

– Recht und Gerechtigkeit, Gnade und Barmherzigkeit als die Grundmotive des menschlichen Zusammenlebens – das bedeutet nicht die Vereinheitlichung aller Kulturen, Religionen und Wirtschaftsmodelle. Konkurrierende Ansätze und unterschiedliche konkrete Gestaltungen in Wirtschaft, Politik und Kirchen sind für Menschen durchaus Bereicherung und Ermutigung zum Engagement – solange wir unsere jeweiligen Standpunkte und Entscheidungen nicht zum einzig gültigen Maßstab allen Denkens und Handelns erheben.

– Recht und Gerechtigkeit, Liebe und Güte als Grundnormen unseres menschlichen Zusammenlebens – das verhindert die Durchsetzung unserer Lebensinteressen mit roher Gewalt;

das verhindert, dass wirtschaftliche oder militärische Überlegenheit dazu genutzt wird, eigene Lebensrechte zu sichern und die anderer mit Füßen zu treten.

VI.

Dass Konflikte und Meinungsverschiedenheiten durch Debatten und mit Hilfe des Rechtes ausgeglichen werden, dass wir uns nicht mehr bekriegen und vernichten – welche Wohltat ist das!

Im Geiste dieser Überlegungen wurde nach dem 2. Weltkrieg auch die Europäische Gemeinschaft mit all ihren Institutionen geschaffen. Sie ist ein großartiges Friedensprojekt. Ihr verdanken wir es, dass die Erstürmung der Spicherer Höhen heute nur noch als eine forsche Wanderung verstanden werden kann.

Das Saarland ist an ganz zentraler Stelle dieses Friedensprojektes gelegen. Im Saarland begegnen sich die Kulturen, das Saarland nimmt eine Brückenfunktion wahr, die Frieden ermöglicht und immer wieder neu entwickelt.

VII.

Gott schenke diesem Land immer wieder neu verantwortliche Frauen und Männer, die ihre Wurzeln und ihre Ausrichtung in Gottes Wort suchen und finden.

Und Gott schenke uns allen immer wieder neu Kraft, Mut und Stimme, Lieder von Gottes Recht und Gerechtigkeit, von Gottes Liebe und Güte zu singen und zu leben!

„Wohl dem Menschen und dem Volk, dessen Gott der Herr ist!“

Wohl uns Menschen und wohl unserem Volk, weil Gott der Herr ist!

Amen“