Pressemitteilung

Terroranschlag auf Ziele in den USA am 11. September 2001

Brief an Ausschüsse, Ämter und Einrichtungen der Evangelischen Kirche im Rheinland

  • 4.10.2001

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder,


die Bilder von den Zerstörungen in New York und Washington begleiten unsere Versuche zu begreifen, was geschehen ist. Unsere Sprache versagt angesichts solch hemmungsloser Brutalität, gepaart mit einer logistischen Präzision, die das Leben Tausender unschuldiger Menschen auslöschte.


Unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Angehörigen, unser Dank den Einsatzkräften und Freiwilligen, die sich der Verletzten annehmen, unser Gebet der Hoffnung, dass die Zeit der Besinnung nicht zur Vorbereitung des Gegenschlags dient, sondern dazu genutzt wird, die für den Terroranschlag Verantwortlichen dem Schutz ihrer Anonymität zu berauben, um sie für ihre Verbrechen zur Rechenschaft ziehen zu können.


Unsere Ohnmacht fassen wir in die Klage Jeremias:


  „Ach, wie sitzt so einsam die Stadt, einst reich an Volk! Wie ist die zur Witwe geworden, die groß war unter den Völkern! Die da Fürstin war unter den Städten ist dienstbar geworden. Sie weint und weint durch die Nacht, Tränen auf der Wange; keiner ist da, der sie tröste, von all ihren Liebhabern, alle ihre Freunde sind untreu, sind ihr zu Feinden geworden…“ (1,1 f.)


Das Unfassbare sucht nach Erklärungen und Antworten. Bereits jetzt hören wir von unseren muslimen Freunden, mit denen wir seit Jahren offen und konstruktiv zusammenarbeiten, dass sie sich bedroht fühlen und angesichts der öffentlichen Berichterstattung verängstigt sind. Es besteht die Gefahr, das Bekenntnis zum Islam und einen gewaltbereiten Fundamen-talismus im islamischen Umfeld in Eins zu setzen. Eine derartige Stigmatisierung des Islam könnte für das Zusammenleben von Christen und Muslimen in unserem Land verheerende Auswirkungen haben.
 
Als Christen dürfen wir uns nicht davon anstecken lassen, wenn jetzt gedanklich wie sprach-lich „aufgerüstet“ wird. In allem Erschrecken über das Geschehen in New York und Washing-ton darf auf terroristische Gewalt und Hass nicht mit gleicher Münze zurückgezahlt werden. Unser Auftrag ist es vielmehr, entschlossen dafür einzutreten, dass jeglicher Form des Ter-rors der Boden entzogen wird. Unsere Werte bleiben Weltoffenheit, Toleranz und Gerechtig-keit.


Die eindeutigen Stellungnahmen herausragender Repräsentanten der islamischen Welt ge-genüber dem Terroranschlag in den USA dürfen wir nicht durch das unverantwortliche Ver-halten einzelner weniger Fanatiker trüben lassen. Gerade in der bevorstehenden „Woche der ausländischen Mitbürger / Interkulturelle Woche“ ist Gelegenheit, das Gespräch mit den muslimen Gemeinden zu suchen und offen zu unterstreichen, was uns der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Dr. Nadeem Elyas, in einer ersten Stellungnahme mitgeteilt hat:


 


 


  „Wer immer die Hintermänner dieser blutigen Tat sind, beim Islam können sie keine Rechtfertigung für ihre Tat finden. Wer sich Terrorismus, Gewalt und Ermordung unschuldiger Zivilisten als politisches Mittel bedient, kann sich nicht auf den Islam berufen. Wir beten für eine friedliche Welt, die frei ist von Gewalt und Terrorismus.“


Ich grüße Sie herzlich


Ihr


Jörn-Erik Gutheil