Pressemitteilung

Rassismus erkennen – Farbe bekennen

Woche der ausländischen Mitbürger – Auftakt am 23. September

  • 25.9.2001

Um latenten Rassismus und die zunehmende Bereitschaft, Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit zu diskriminieren geht es bei der diesjährigen ökumenischen „Woche der ausländischen Mitbürger/Interkulturelle Woche“. „Rassismus muss in seinen offenkundigen wie auch in seinen versteckten Formen aufgespürt und überwunden werden“, heißt es dazu im Gemeinsamen Wort zur Woche des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands, Präses Manfred Kock, des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, und des Griechisch-Orthodoxen Metropoliten in Deutschland, Augoustinos.


Die diesjährige Auftaktveranstaltung der Evangelischen Kirche im Rheinland findet am 23. September 2001, 10.00 Uhr, mit einem Gottesdienst in der Kreuzkirche in Bonn, Am Kaiserplatz. Die Predigt hält Dr. Kakule Molo, Leiter der frankophonen Abteilung der Vereinigten Evangelischen Missiion/United in Mission (VEM/UiM), Wuppertal.


Während der „Woche“ bieten Kirchengemeinden und Aktionsgruppen in ganz Deutschland zahlreiche Veranstaltungen zum Thema an, um Menschen zur Teilnahme, Mitwirkung und Unterstützung zu gewinnen. In Bonn beginnt im Anschluss an den Gottesdienst ein buntes Programm mit Musik- und Theatervorstellungen und Informationen über weitere Veranstaltungen.


Als Ansprechpartner für die Auftaktveranstaltung steht der Pressesprecher der Bonner Kirchenkreise, Joachim Gerhardt, zur Verfügung (Telefon 0228/91428-17). Interessierte können sich aus an das Ausländerreferat in Bonn wenden (Dr. Hidir Celik, Telefon 0228/697491).


 


 






 

An die Presbyterien


der Kirchengemeinden


der Evangelischen Kirche im Rheinland


 


 


 


„Rassismus erkennen – Farbe bekennen“


hier: Woche der ausländischen Mitbürger / Interkulturelle Woche


vom 23. bis 29. September 2001


 


Sehr geehrte Damen und Herren,


liebe Schwestern und Brüder,


zur Erkenntnis des Rassismus gehört die Arbeit an uns selbst: Sie beginnt mit der Einsicht, dass wir alle durch unsere Sozialisation rassistische Prägungen in uns tragen. Diese hindern uns daran, mit Menschen aus anderen Kulturen ungezwungen umzugehen, sie erschweren Leben und Zusammenleben. Appelle jeder Art sind dagegen wirkungslos. Aber in der persönlichen direkten Begegnung können sie überwunden werden. Wer begriffen hat, dass der Schwarze nebenan in der S-Bahn mit größerer Wahrscheinlichkeit Presbyter in einer Gemeinde als Drogenkurier oder Zuhälter ist, erlebt Befreiung von Angst.



Fast täglich erfahren wir Beispiele von Rassismus in offener oder versteckter Form. In einem Gespräch erzählt der Fußballspieler Gerald Asamoah von Schalke O4 eine alltägliche Geschichte:



Neulich wollte ich mit zwei Freunden und zwei Mädchen Billard spielen. Kommt der Wirt und sagt: „Der Laden ist nur für Stammgäste.“ Da sage ich: „Wie soll ich denn Stammgast werden, wenn Du mich wegschickst?“ Sagt er: „Mein Chef sagt, es dürfen nur Stammgäste rein.“ „Ein Café für Stammgäste! So ein Quatsch!“


Die Vielfalt, mit der Gott die Menschen geschaffen hat, kennt keine Orte nur für Stammgäste. Als Christen glauben wir daran, dass wir Teil des bunten, weltweiten Leibes Christi sind. Deshalb sind wir auch verpflichtet, jeder Form von Rassismus zu widersprechen. Denn Rassismus ist nicht Ausdruck von Wertungen oder Beurteilungen, die man so oder so treffen kann. Rassismus stellt das Lebensrecht und die Würde anderer grundsätzlich in Frage. Rassismus bringt Gewalt hervor und erniedrigt andere bis hin zur Bedrohung ihrer leiblichen Unversehrtheit. Als Christen sagen wir deshalb: Rassismus ist Sünde!



Alltäglichen Rassismus erkennen, das geht am besten, wenn wir auf die Menschen hören, die ihn erfahren. Oft sind es weniger die krassen Beispiele rechtsradikaler Gewalt als die kleinen Kränkungen und Benachteiligungen, die verletzend wirken.



Ich halte es für ein ermutigendes Zeichen, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger das Thema Rassismus nicht allein Polizei und Justiz überlassen, sondern sich in Initiativen zusammenschließen und durch präventive Maßnahmen mithelfen, jeder Form von Rassismus die gesellschaftliche Basis zu entziehen. Darin fortzufahren, rufe ich alle in unseren Gemeinden nachdrücklich auf.



Das Motto der diesjährigen Woche der ausländischen Mitbürger / Interkulturelle Woche „Rassismus erkennen – Farbe bekennen“ lädt dazu ein, sich mit anderen zu verbünden, damit Rassismus keine Chance in unserem Gemeinwesen hat.


Bereits 1978 haben die Vorsitzenden der Kirchen in ihrem Gemeinsamen Wort zur Woche der ausländischen Mitbürger formuliert, dass die Bundesrepublik Deutschland zum Einwanderungsland geworden ist. Mehr als zwanzig Jahre hat es gedauert, dass sich diese Erkenntnis auch in der Politik durchgesetzt hat. Seit Jahrzehnten findet eine Einwanderung statt, und auch zukünftig wird es Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland geben.



Der von Bundesinnenminister Schily vorgelegte Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz löst sich von einer rein arbeitsplatzorientierten Anwerbepolitik alten Stils und öffnet sich einer echten Einwanderungspolitik. Das entspricht den Erwartungen, die wir in unserem „Plädoyer für eine zielorientierte Zuwanderungs- und Intergrationspolitik“ formuliert haben (siehe Anlage).



Allerdings sind die neuen Regelungen im einzelnen für Asylbewerber und Flüchtlinge enttäuschend. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen:





  • In Deutschland leben etwa 250.000 Menschen als sogenannte „Geduldete“. Die Zuwanderungskommission hat die Forderung erhoben, für diesen Personenkreis ein sicheres Aufenthaltsrecht zu schaffen. In seinem Entwurf hat der Bundesinnenminister jedoch vorgesehen, die „Duldung“ künftig gänzlich wegfallen zu lassen. Damit steht zu befürchten, dass Tausende in die Illegalität getrieben werden, da sie die strengen Voraussetzungen für einen sicheren Aufenthaltsstatus nicht erfüllen können.




  • Das Bundessozialhilfegesetz soll Menschen in Bedrängnis ein Leben in Würde ermöglichen. Die durch das „Asylbewerberleistungsgesetz“ deutlich reduzierten Sätze sollen künftig auf Dauer gekürzt bleiben.




  • Der Entwurf sieht auch vor, das „Nachzugsalter“ für Kinder auf zwölf Jahre zu senken. Damit wird massiv in das Recht der Eltern eingegriffen. Mit der Zuwanderungskommission treten wir dafür ein, das Nachzugsalter für Kinder wie in anderen europäischen Ländern auf achtzehn Jahre anzuheben.




  • Auch das „Recht auf Asyl“ ist keine humanitäre Wohltat, die ein Staat gewähren kann oder nicht. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht. Angesichts des Zusammenwachsens in Europa spricht vieles dafür, dass eine rein nationalstaatlich konzipierte Einwanderungs- und Asylpolitik ein Relikt der Vergangenheit ist. Das deutsche Asylrecht unterschreitet in weiten Teilen die Standards des Völkerrechts. Die Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgung als Asylgrund entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention wird in Europa nur von Deutschland und Frankreich verweigert. Dass der Gesetzentwurf gerade in diesem Bereich keine Verbesserungen vorsieht, ist sehr zu bedauern.




  • Praktische Erfahrungen in der Ausländer- und Flüchtlingsarbeit haben die Kirchen immer wieder veranlasst, eine gesetzliche Härtefallregelung zu fordern. Obwohl dies bereits in den Koalitionsvereinbarungen der Bundesregierung formuliert ist, sieht der Entwurf des Bundesinnenministers keine Härtefallregelung zur Lösung von Einzelfällen vor. Ein vom Bundesinnenminister zur Diskussion gestelltes „Kirchenkontingent“ ist nicht akzeptabel. Der Schutz von Menschen, die sich in Gefahr für Leib und Leben befinden, ist und bleibt eine staatliche Aufgabe, die nicht auf die Kirchen abgewälzt werden kann.




  • Angesichts von über 130.000 anhängigen Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten schlägt die Ausländerbeauftragte vor, „reinen Tisch zu machen“. In allen Verfahren, die bereits länger als fünf Jahre dauern, sollten die Akten geschlossen und ein Bleiberecht gewährt werden. Ohne diesen einmaligen „Schluss-Strich“ wird es weder zu der vorgegebenen Beschleunigung der Asylverfahren noch zu einer Entlastung der Gerichte kommen. Leider wird auch zu diesem Sachverhalt im Entwurf des Bundesinnenministers keine Regelung angeboten. Dies gilt auch für die von den Kirchen seit Jahren geforderte unabhängige Verfahrensberatung vor Beginn der Asylverfahren.


Trotz dieser und vieler anderer Kritikpunkte leitet der Entwurf des Bundesinnenministers eine neue Zuwanderungs-und Integrationspolitik ein. Dafür ist ein großer Konsens innerhalb der politischen Parteien wünschenswert.



In der Woche der ausländischen Mitbürger bitte ich Sie, den Schwerpunkt auf die Diskussion des Gesetzentwurfs des Bundesinnenministers zu legen, der jetzt in Kürze in die parlamentarische Beratung kommt. Mit Ihrer Erfahrung und Kompetenz können Sie beitragen, notwendige Korrekturen und Ergänzungen zu erreichen.



Viele von Ihnen opfern seit vielen Jahren Zeit und Phantasie und setzen darauf, dass unser Land tatsächlich weltoffen, tolerant und ein Zufluchtsort für Menschen in Not bleibt. Sie tun dies im Vertrauen auf die Verheißung, dass uns die Liebe Christi immer wieder darin bestärkt, Menschen, die zu uns kommen, freundlich und einladend aufzunehmen.



Ich danke Ihnen für diesen Dienst in unserer Kirche und grüße Sie mit dem Wochenspruch für die diesjährige Woche der ausländischen Mitbürger



„Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch“ (1. Petrus 5,7).



Ihr


(Manfred Kock)