Pressemitteilung

Kirchensteuer-Achterbahn: Erst geht’s noch etwas aufwärts, dann rapide abwärts

Oberkirchenrat Georg Immel zur Finanzlage der rheinischen Kirche

  • Nr. 197/2009
  • 1.12.2009
  • 9008 Zeichen

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Die Gemeinden der Evangelischen Kirche im Rheinland werden in diesem Jahr vermutlich mehr Kirchensteuern einnehmen als bislang kalkuliert. Davon geht Oberkirchenrat Georg Immel, Finanzdezernent der rheinischen Kirche, aus: „Das ist eine Achterbahnfahrt. Erst geht’s unverhofft noch ein bisschen aufwärts, dann aber rapide abwärts.“ Statt der erwarteten 550 Millionen Euro beläuft sich die Schätzung für dieses Jahr nun auf etwa 570 Millionen Euro. Für das Jahr 2010 aber fällt Immels Prognose deutlich schlechter aus: 490 Millionen Euro.


„Bis einschließlich Oktober sind die Einnahmen besser als wir das im vergangenen Herbst für 2009 geschätzt hatten“, erklärte Oberkirchenrat Immel am Montagabend vor Journalistinnen und Journalisten in Düsseldorf: „Als vorsichtiger Finanzdezernent bleibe ich mit der Aussage, wo wir am Ende des Jahres stehen werden, aber zurückhaltend. Auch wenn die Schätzung ,nur noch’ die Monate November und Dezember umfasst, bleibt die Prognose gerade des Dezember-Aufkommens ein Problem.“ Mit etwa 20 Prozent des Jahresaufkommens, das sich aus der Sonderzuwendung, also dem „Weihnachtsgeld“ ergebe, habe der Dezember erheblichen Einfluss auf das Jahresergebnis. In welchem Umfang dies allerdings (noch) gezahlt werde, sei unklar. „So geht die aktuelle Schätzung für dieses Jahr von einem Aufkommen im Bereich von 570 bis 580 Millionen Euro aus. Dies würde uns natürlich noch einmal eine nicht erwartete Entlastung angesichts der zukünftig zu erwartenden zurückgehenden Kirchensteuereinahmen bringen“, so Georg Immel. Für das Jahr 2010 erwartet der Finanzfachmann allerdings einen deutlichen Einnahmerückgang auf etwas 490 Millionen Euro Kirchensteuer.


Prognosen werden schwieriger


Die Finanzprognose ist allerdings schwierig geworden: Die Lohnsteuer habe sich durch das – in diesem Jahr verlängerte – Kurzarbeitergeld im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland in 2009 nur in deutlich geringerem Umfang verringert hat als angenommen. „Wir müssen aber damit rechnen, dass selbst bei einem geringen Wachstum in 2010 gegenüber 2009 eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen im sozialversicherungspflichtigen Bereich wegfallen werden“, erläuterte der Oberkirchenrat. Und das gelte unabhängig davon, ob die Bundesregierung die Zahlung des Kurzarbeitergeldes im kommenden Jahr von zwei Jahren wieder auf eineinhalb Jahre zurücknehmen sollte.


Zudem gibt es nach Angaben Immels noch weitere Unsicherheitsfaktoren: „Die Auswirkungen des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung kommt noch hinzu, also die Steuerfreistellung aller Krankenversicherungsbeiträge, die uns rechnerisch zwischen 20 und 30 Millionen Euro Kirchensteuern kosten werden.“ Und schließlich führe auch die Anhebung des Kinderfreibetrags von 6.024 Euro auf 7.004 Euro zum Wegfall von Einkommensteuer – und damit auch zum Wegfall von Kirchensteuer: „Sollten sich unsere Schätzungen hier bestätigen, würde dies einen Rückgang von 2008 auf 2010 von mehr als 100 Millionen Euro oder circa 20 Prozent des Aufkommens bedeuten“, sagte der Finanzdezernent.


Landeskirchlicher Haushalt


Zahlen nannte Oberkirchenrat Georg Immel auch für den landeskirchlichen Haushalt und erinnerte an die Rahmenbedingungen in der rheinischen Kirche, die von Emmerich bis Saarbrücken reicht: Die Kirchensteuereinnahmen der rheinischen Kirche hängen zu 85 Prozent von der Kirchenlohnsteuer ab. Die Kirchensteuerhoheit liegt bei den derzeit 771 Kirchengemeinden bzw. bei den Gemeindeverbänden. Die übergemeindlichen Aufgaben der Kirchenkreise und der Landeskirche werden über Umlagen finanziert. Die Umlage an die Landeskirche und ihre Ämter, Werke und Einrichtungen beträgt zurzeit 10,13 Prozent


Die Umlage für den „landeskirchlichen Haushalt“ wird für 2010 auf 49,7 Millionen Euro geschätzt. Das sind fast 6 Millionen weniger als 2009 (55,6 Millionen Euro). Die Ausgaben im landeskirchlichen Haushalt sinken gegenüber 2009 um etwa 1,3 Millionen Euro auf 81,8 Millionen Euro. Wesentlich hierfür sind nach Angaben Immels u.a. Minderausgaben bei den Personalkosten für Vikarinnen und Vikare (186.000 Euro), im Bereich der Verwaltungsausbildung (80.000 Euro) und freiwilligen Leistungen bei der Promotionsförderung (116.000 Euro), allerdings auch durch verstärkte Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche von Westfalen zum Beispiel durch die Zusammenlegung der Predigerseminare am Standort in Wuppertal und der Pastoralkollegs im westfälischen Villigst. „Deutliche Einsparungen ergeben sich auch durch die Integration der Studienstelle Christen und Juden in unsere Ökumeneabteilung. Das spart 168.000 Euro. Dank einer erhöhten Wirtschaftlichkeit können wir auch bei der Finanzierung unserer Internate 113.000 Euro einsparen“, sagte der Oberkirchenrat: „Beschlossen ist angesichts unserer Finanzsituation bereits in der Landessynode 2006 eine Reduzierung unserer Bezuschussung der Overheadkosten bei Arbeitslosenmaßnahmen mit 204.000 Euro, die aber immer noch mit 2,66 Millionen Euro finanziert werden. Im Bereich der Liegenschaften können wir in 2010 für die Schulen und Internate 785.000 Euro weniger einstellen – es bleiben allerdings immer noch mehr als 2,9 Millionen Euro.“


Aber es gebe auch Mehrausgaben u.a. bei den Studierendenwohnheimen (244.000 Euro), in der Finanzierung der Realschulen (100.000 Euro) und bei Strukturmaßnahmen, die mit 246.000 Euro mehr zu Buche schlagen. „Bei diesen handelt es sich um Ausgaben, die durch Umstrukturierungen in oder Aufgabe von Einrichtungen entstehen; im Wesentlichen durch die Weiterbeschäftigung von Mitarbeitenden, deren Stellen zukünftig wegfallen“, erläuterte Immel: „Nicht nehmen lassen wollen wir uns die Ausrichtung eines Jugendcamps in Idar-Oberstein, das 150.000 Euro kostet, unsere Teilnahme an der Bildungsmesse Didacta für 20.000 Euro und die Ausrichtung des so genannten Konfi-Cups, eines Fußballturniers für Katechumenen und Konfirmanden, den wir erstmals ,offiziell’ mit 15.000 Euro in den Haushalt eingestellt haben.“


Entnahme aus der Ausgleichsrücklage


Um den Haushalt 2010 für die unmittelbaren „landeskirchlichen Aufgaben“ decken zu können, muss eine Entnahme aus der Ausgleichsrücklage in Höhe von rund 3,7 Millionen Euro eingeplant werden. Das sind knapp 1,7 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr, in dem eine Entnahme von 2,1 Millionen Euro vorgesehen ist. „Allerdings hält sich die Entnahme nur deshalb noch einigermaßen in Grenzen, weil wir den Jahresüberschuss des Jahres 2008 in Höhe von 5,87 Millionen Euro ebenfalls zum Haushaltsausgleich einsetzen“, so Georg Immel. Es führe kein Weg daran vorbei, die bislang geleisteten Dienste und Aufgaben der Landeskirche kritisch zu hinterfragen. Eine entsprechende Überprüfung starte derzeit.


Im Bereich der „gesamtkirchlichen Aufgaben“ steigen die Ausgaben um 550.000 Euro auf 58,6 Millionen Euro, wobei der durch die Umlage bei den Kirchengemeinden benötigte Finanzbedarf um 1,23 Millionen Euro sinkt. Nach Angaben Immels sinken die rheinischen Ausgaben für die EKD – im Wesentlichen durch Reduzierung der Verpflichtungen im Finanzausgleich – um 1,47 Millionen Euro, während sie im innerrheinischen Bereich deutlich ansteigen. „Die Mehrausgaben, die fast ausschließlich auf die von uns begonnene Umstellung unserer Haushaltssystematik auf das ,Neue Kirchliche Finanzwesen’, also die Umstellung von der kameralen auf die weitgehend doppische Buchführung zurückgehen, werden durch bereits in 2008 zurückgestellte Mittel finanziert“, stellte Oberkirchenrat Immel fest.


Im Bereich der Pfarrbesoldung werden für die Versorgungssicherung in 2010 weitere 36,8 Millionen Euro aufgebracht. Das bedeutet eine Reduzierung gegenüber 2009 um ca. 4,3 Millionen Euro. Die geringere Zuführung habe ihren Grund in der Abhängigkeit vom Kirchensteueraufkommen, das für 2009 niedriger geschätzt wird als für 2008. Jedes Jahr sollen 20 Prozent des Aufkommens für die Versorgung zurückgelegt werden.


Rheinische Kirche rechnet mit langfristigem Kirchensteuerrückgang


Neben der Lohn- und Einkommensteuerentwicklung und der wirtschaftlichen Entwicklung ist es vor allem der demografisch bedingte Rückgang der Mitgliederzahlen, der die Einnahmesituation der rheinischen Kirche langfristig schmälert. In den kommenden 30 Jahren erwartet die Evangelische Kirche im Rheinland einen Rückgang ihrer Mitgliederzahlen um ein Drittel und eine Verringerung der Kirchensteuereinnahmen um etwa die Hälfte.