Pressemitteilung

Erstmals Architekturpreis verliehen: Profil, Identität und ein Zuhause für die Gemeinde

Projekte aus Düsseldorf, Köln, Duisburg, Baumholder und Ratingen

  • Nr. 156/2012
  • 4.12.2012
  • 11966 Zeichen

Präses Nikolaus Schneider hat am Abend (vgl. Sperrfrist!) zum ersten Mal den Architekturpreis der Evangelischen Kirche im Rheinland in drei Kategorien verliehen. Mit dem Preis in der Kategorie „Gemeindehaus“ wurde der Neubau des Gemeindezentrums in Düsseldorf-Gerresheim ausgezeichnet. Mit dem Preis für die künstlerische Gestaltung wurden die neuen Prinzipalstücke im Tersteegenhaus in Köln-Klettenberg prämiert. In der Kategorie „Kirchenraum“ fiel die Wahl der Fachjury auf die Kirche in Baumholder und die Jesus-Christus-Kirche in Duisburg. Sowohl die Gemeinden als Bauherrinnen als auch die beteiligte Architekturbüros erhielten Urkunden über den undotierten Preis. Mit 3000 Euro dotiert war hingegen der Sonderpreis der Wilhelm-Schrader-Stiftung[*], mit dem im Rahmen der Feierstunde im Düsseldorfer Landeskirchenamt der das neue Glockenhaus der Friedenskirche in Ratingen ausgezeichnet wurde.

Mehr als 40 Gemeinden hatten sich mit Projekten an dem erstmals ausgeschrie- benen Architekturwettbewerb beteiligt. „Die positive Resonanz auf den Preis zeigt auch, dass in den Kirchengemeinden ein hohes Maß an Bewusstsein für die Bedeutung einer ,gebauten Visitenkarte’ vorhanden ist“, sagte Landeskirchenrätin Gudrun Gotthardt, Leitende Dezernentin des Baudezernats. Sie hoffe, dass durch diese Preisverleihung auch anderen Gemeinden und Kirchenkreisen Mut gemacht werde, den manchmal mühsameren Weg guter Planung, der vor allem durch die Vorschaltung von Wettbewerben erreicht werde, ebenfalls zu gehen.

Verbleibende Gebäude sollen Profil und Identität ausstrahlen

„Wir hören immer viel zu schnell die Aussage: ,In Steine sollen wir investieren statt in Menschen?’. Aber das ist doch gar nicht die Alternative, die sich stellt. Die Steine sind natürlich kein Selbstzweck für eine Gemeinde“, so Landeskirchenrätin Gotthardt. „Aber es ist doch unbestritten, dass für die Gemeindearbeit einladende, freundliche und funktionale, auch spirituelle Orte notwendig und hilfreich sind! Wenn es gelingt, für die speziellen Anforderungen eines bestimmten Gemeindeprofils die passende Gebäudehülle zu schaffen, profitiert das Gemeindeleben, profitieren die Menschen in der Gemeinde, und so manche Aktivität hat dadurch noch einmal einen neuen Schwung erlebt. Bauen ist Gemeindeentwicklung! Und wir finden: Gerade wenn die Ressourcen knapper werden, ist es umso wichtiger, dass die wenigen verbleibenden Gebäude evangelisches Profil und Identität ausstrahlen und der Gemeinde ein wirkliches Zuhause geben.“

Gleichzeitig wurde im Foyer des Landeskirchenamtes, Hans-Böckler-Straße 7, 40476 Düsseldorf, die Ausstellung aller eingereichten Projekte eröffnet. Die Ausstellung ist dort bis zum 28. Januar 2013 während der Dienstzeiten zu sehen.

[*] Wilhelm Schrader (1914-2006), der in Bonn lebte und dort im Auswärtigen Amt tätig war, fühlte sich dem Protestantismus zeit seines Lebens eng verbunden. Zweck seiner Stiftung ist die Förderung der Verbreitung reformatorischen oder allgemein protestantischen Gedankenguts und dessen Darstellung in der Öffentlichkeit, um das Ansehen der Evangelischen Kirche zu erhalten und zu verbessern.

Die ausgezeichneten Projekte im Überblick
(aus der Würdigung der Fachjury)

Kategorie Gemeindehaus
Evangelisches Gemeindezentrum Düsseldorf-Gerresheim
Bauherrin: Evangelische Kirchengemeinde Gerresheim
Architekt: pier 7 architekten gmbh, Düsseldorf, Alexander Pier

Die Arbeit zeichnet sich durch eine überzeugende funktionale und gestalterische Wiederbelebung des evangelischen Gemeindezentrums durch die Sanierung eines Altbaus und einen Neubau aus. Es entsteht in einer vorstädtischen Situation, die auch stark durch landschaftliche Elemente geprägt ist, ein attraktiver Beitrag zur Rückgewinnung eines öffentlichen Raumes, dessen Gestaltqualität und Gebrauchswert durch die Bauten des Gemeindezentrums und die ambitionierte Freiflächengestaltung neu definiert werden. Die gelungene Maßstäblichkeit, die Transparenz der Baukörper und die selbstverständliche Einbettung in den vorhandenen Grünraum signalisieren eine Offenheit und Weltzugewandt-heit der Gemeinde, die dazu einlädt, am Gemeindeleben teilzunehmen und eine geistliche Heimat zu finden. Die Gemeinde kann sich so dauerhaft verorten und in ihrer Wirkung positiv in die Umgebung ausstrahlen.

Alt- und Neubau werden geschickt verbunden. Die Aufteilung des Raumprogramms auf zwei Gebäude scheint den funktionalen Anforderungen gerecht zu werden. Hervorzuheben sind das effiziente Energieversorgungskonzept bestehend aus einem Blockheizkraftwerk sowieeiner Photovoltaikanlage und die Gebäudedämmung, die zu einem Niedrigenergiehausstandard führen.

Die Renaturierung des Baches ermöglichte die vorteilhafte Einbeziehung in die Freiraumgestaltung. Eine Brücke verbindet die Teilbereiche und macht dieses landschaftliche Element erlebbar.

Insgesamt stellt sich die angebotene Lösung als sehr angemessen hinsichtlich der gestellten Aufgabe dar.

Kategorie Künstlerische Ausstattung
Köln-Klettenberg, Prinzipalstücke Tersteegenhaus
Bauherrin: Evangelische Kirchengemeinde Köln-Klettenberg
Architekt: Lepel & Lepel, Köln, Monika Lepel, Innenarchitektin BDA

Der Entwurf der Prinzipalstücke und der gewölbten Rückwand im Tersteegenhaus in Köln besticht durch seine Präzision und Reduktion.

Der Gottesdienstraum im Tersteegenhaus befindet sich in einem in den 1920er Jahren als Gemeindehaus geplanten Gebäude. Der Gottesdienstraum liegt in dem ehemaligen Gemeindesaal, der bis zu dem Umbau eine frontale Anordnung der Bestuhlung aufwies.

Das Büro Lepel und Lepel schafft es durch die Ausformulierung und Anordnung des Altars, des Ambos, der kreisförmig gebogenen Rückwand und die neue kreisförmige Platzierung der Stühle, ein eigenes, vom bisherigen Raum fast unabhängiges Raumgefühl zu entwickeln. Der Altar, der die Form eines sphärischen Dreiecks aufweist, bildet schlüssig den neuen Raummittelpunkt.

Für die neuen Elemente werden Eichenholz und Aluminium verwendet. Die Materialität des Altares bekommt durch die Füße einen Gegenpol. Die Schwere des mit dem Boden und Stühlen korrespondierenden Eichenholzkörpers erhält durch die filigrane Unterkonstruktion aus Aluminium fast etwas Schwebendes.
Die Materialität des Altares wird beim Ambo und in der Rückwand aufgenommen. Der Ambo und die Bestuhlung liegen kreisförmig um den neuen Altar. Über die leicht gebogene Rückwand erhält der Raum einen Abschluss, der den Kirchenraum als Ort der Andacht definiert und die Gemeinde mit einbindet. Die mit Aluminium beschichtete Rückwand weist je nach Tageszeit unterschiedliche spannende Lichtreflektionen auf.

Der Entwurf und die Anordnung der neuen Elemente geben dem Raum eine eigene neue Identität. Durch minimale präzise Elemente wird der Raum neu definiert.

Kategorie Kirchenraum
Neugestaltung Evangelische Kirche Baumholder
Bauherrin: Evangelische Kirchengemeinde Baumholder
Architekt: Heinrich Lessing, Mainz, Architekt BDA

Die Evangelische Kirchengemeinde Baumholder stand vor der Herausforderung, ihren Gebäudebestand reduzieren zu müssen. Dem noch verbliebenen Kirchengebäude aus dem Jahr 1750 sollte folglich eine Mehrfachnutzung zugewiesen werden. Die Lösung bestand darin, das Gemeindezentrum in den Kirchenraum zu integrieren, was auch zu einer Neubelebung der Gemeindeaktivitäten geführt hat.

Die Jury lobt insbesondere die gelungene Dreifachzonierung des Kirchenschiffs in eine Wochentagskapelle, einen neu eingefügten Gemeindesaal und den eigentlichen Kirchenraum. Bei Bedarf können alle drei Räume miteinander verbunden oder aber mittels Schiebeelementen voneinander getrennt werden. Die Empore mit Orgel über dem Gemeindesaal ist vom Hauptkirchenraum über Treppen erreichbar und rückseitig durch Glaselemente von der angrenzenden Kapelle separiert. Alle drei Funktionsbereiche sind so zusätzlich energetisch singulär nutzbar, was den Energiepreisen zukünftig Rechnung trägt. Der barrierefreie Zugang, eine behindertengerechte WC-Anlage sowie eine Miniküche runden das gelungene Multifunktionskonzept ab, das vielfältige Nutzungsmöglichkeiten und überraschende Raumeindrücke bietet.

Insgesamt kann diese Baumaßnahme als Vorbild für weitere, zukünftig anstehende Umnutzungskonzepte im Rahmen von Gebäudekonzentrationen angesehen werden.

 

Kategorie Kirchenraum
Jesus-Christus-Kirche, Duisburg
Bauherrin: Evangelische Gemeinde Trinitatis
Architekt: Kastner Pichler Architekten, Köln

Ein überwältigender Raum, der aufgrund des Äußeren so nicht einzuordnen ist. Worin besteht die Magie des Raumes, der ästhetisch aus einer anderen Zeit zu stammen scheint und doch außerordentlich authentisch wirkt. Was ist Bestand, was ist hinzugefügt, erneuert, überhöht, man kann es schwer trennen. Darin besteht die besondere Leistung der Renovierung, die dem Bestandsbau mit wenigen, aber gekonnten Interventionen eine schlagende Strahlkraft verleiht. Die leicht dissonanten Farben, Materialkontraste und die präsente Lichtführung spielen zu etwas überzeugend Neuem zusammen. Darin liegt auch eine Botschaft des Projektes, dass für viele Kirchen der 70er und 80er Jahre durch gezielte und durchaus sparsame Eingriffe ein neues ästhetisches Wiedererwachen möglich ist. Dass sich dies lohnt, zeigt das Projekt exemplarisch auf.

Sonderpreis der Wilhelm-Schrader-Stiftung
Neubau des Glockenhauses, Friedenskirche, Ratingen
Bauherrin: Evangelische Kirchengemeinde Ratingen
Architekt: blumberg + schürg architekten-ingenieure, Wuppertal

Hier wird nicht nur auf den Klang vertraut, den raumgreifenden Schall der Glocken, sondern auch auf eine objekthafte Präsenz im Stadtraum. Und die ist genau das Herausragende des Projektes in seiner Verbindung mit der sorgfältigen architektonischen Detaillierung, dass das Glockenhaus trotz seiner kleinen Kubatur eine große Wirkung im Stadtraum entfaltet und das Kirchengebäude, das etwas unscheinbar in der Tiefe des Grundstücks liegt, neue Wahrnehmung schafft. Der gläserne Einblick in den Glockenstuhl verlangt auch den Passanten Aufmerksamkeit ab und spricht die mythische und besondere Bedeutung von Glocken an.

Eine vorbildliche Lösung, um auch mit geringen Kosten Außergewöhnliches zu erreichen.

 
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Hinweis an die Redaktionen: Bildmaterial von der Preisübergabe durch Präses Schneider stellen wir Ihnen am Mittwoch gerne zur Verfügung. Sprechen Sie uns auch an, wenn Sie Bildmaterial zu den Projekten benötigen: pressestelle@ekir.de oder Telefon 0211/4562-373.