Pressemitteilung

Christus im Mittelpunkt, nicht der Rock: Protestanten gehen die Wallfahrt mit

Einladung von Bischof Ackermann zur Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 in Trier

  • Nr. 129/2011
  • 28.11.2011
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Eher unerwartete Schritte in der Ökumene gehen im kommenden Jahr das Bistum Trier und die Evangelische Kirche im Rheinland: „Auf Einladung von Bischof Stephan Ackermann beteiligen wir uns an der Heilig-Rock-Wallfahrt im Jahr 2012“, berichtete die auf evangelischer Seite für Ökumene zuständige Oberkirchenrätin Barbara Rudolph am Montagabend von Journalistinnen und Journalisten in Düsseldorf. Diese protestantische Beteiligung sei möglich, weil die Wallfahrt Jesus Christus in den Mittelpunkt stelle und nicht das Kleidungsstück.

Unter dem bewusst ökumenisch ausgerichteten Leitwort „…und führe zusammen, was getrennt ist“ bereitet das Bistum Trier derzeit die Wallfahrt zum „Heiligen Rock“ vom 13. April bis zum 13. Mai 2012 vor. Bischof Ackermann hat – wie schon sein Vorgänger im Jahr 1996 – die Evangelische Kirche im Rheinland und die anderen Kirchen eingeladen, daran mitzuwirken. Seit den Anfängen der Kirche gilt das ungeteilte Gewand Jesu als Zeichen für die eine ungeteilte Kirche – und ist nun Anlass für diese ökumenische Initiative.

Luther wetterte gegen die „Bescheißerei zu Trier“

„Die Wallfahrt selbst hat den 500. Jahrestag der Zeigung des Heiligen Rockes unter Kaiser Maximilian I. im Jahre 1512 zum Anlass. Nur fünf Jahre später begann mit den Thesen Martin Luthers zu Ablass und Buße die Reformation. Mehrmals hat sich Luther scharf und entschieden gegen Wallfahrten ausgesprochen“, erklärte Oberkirchenrätin Rudolph. Die Reliquie, deren Verehrung – zu Recht – die evangelische Tradition ablehne, sei zwar noch Anlass der Wallfahrt, habe aber nach katholischer Lehre keine eigenständige Heilsbedeutung. „Die Bulle von Papst Leo X. aus dem Jahre 1515, die die Echtheit des Gewandes behauptete, hatte Luther seinerzeit dazu verleitet, über die, so wörtlich, ,Bescheißerei zu Trier’ zu schimpfen. Dass der wortgewaltige Luther mitunter übers Ziel hinaus geschossen ist, belegt diese ungehobelte Bezeichnung eindrücklich“, sagte die Ökumeneexpertin.

 
Schon 1959 habe der damalige Trierer Bischof den Glauben an die Echtheit der Tunika den Gläubigen seines Bistums nicht mehr auferlegt. „Der Leiter der Wallfahrt 2012, Dr. Georg Bätzing, spricht nun stattdessen von einem Symbol, in Anlehnung an die orthodoxe Tradition von einer Ikone und mit Bezug auf die – zutiefst evangelische – Barmer Theologische Erklärung aus dem Jahr 1934 von einer These – alles Verweise auf Jesus Christus. In all dem zeigt sich für mich eine neue theologische Durchdringung und Uminterpretation einer Tradition: War der heilige Rock in der Reformationszeit ein Heilsmittel zum ewigen Leben und in den Jahrhunderten danach eine katholische anti-protestantische Demonstration, so bietet er heute eine Chance, den einen Herrn der Kirche, Jesus Christus, als die gemeinsame Mitte neu zu feiern“, machte Barbara Rudolph deutlich, warum eine Beteiligung evangelischer Christinnen und Christen an der Wallfahrt möglich sei.

Nicht von ungefähr werde am Tag der Ökumene der Weg im Dom beginnen, und dann weg von der Reliquie hinaus über mehrere Stationen – davon eine die Evangelische Basilika – zu einem gemeinsamen Taufgedächtnisgottesdienst führen. Sehr bedacht sei der Weg so gewählt, dass die Gemeinde der Reliquie den Rücken kehre und in der Taufe an den einen Christus, den einen Herrn der Kirche, gedenke.

Reformatorische Kriterien als Orientierungshilfe

 
Die reformatorischen Kriterien sind bis heute eine evangelische Orientierungshilfe in der Ökumene. Andreas Mühling, Professor für Systematische Theologie in Trier, hat dies folgendermaßen zusammengefasst: Die evangelischen Theologen, nicht nur der Reformationszeit, lehnen ein Wallfahrtsverständnis ab, welches
– ein magisches Denken impliziert,
– im Glauben an Ablässe die so genannte Werkgerechtigkeit impliziert
– Christus aus dem Leben der Gläubigen verdrängt
und kirchenpolitisch als Ausdrucksform eines kämpferischen Katholizismus verstanden wird.
Dazu Oberkirchenrätin Barbara Rudolph abschließend: „Diese klaren Kriterien im Blick nutzen wir die uns geschenkte Gelegenheit der Wallfahrt in Trier, gemeinsames Zeugnis zu geben. Und wir tun dies durchaus mit der Perspektive, im Jahr 2017 eine Gegeneinladung auszusprechen, die eine evangelische Prägung hat.“

Hinweis: Eine entsprechende Orientierungshilfe für rheinische Gemeinden wird bis zur Landessynode im Januar vorliegen.