Pressemitteilung

Nikolaus Schneider: „Spiritualität und Solidarität gehören zusammen“

Präses spricht an der Evangelischen Fachhochschule Bochum

  • Nr. Pressesmitteilung Nr. 154/2008
  • 21.11.2008
  • 3722 Zeichen

Achtung, Sperrfrist, Heute, 21. November 2008, 12 Uhr! Es gilt das gesprochene Wort.

„Die wirtschaftliche Vernunft und der Gewinn sind keine Werte an sich. Sie müssen am Interesse für die Menschen orientiert bleiben.“ Das unterstrich Präses Nikolaus Schneider am Mittag in Bochum. Was angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise und der daraus resultierenden wirtschaftlichen Probleme mit Blick auf Unternehmen gelte, gelte aber auch mit Blick auf die Diakonie und den Wettbewerb auf dem ,sozialen Markt’, so der oberste Repräsentant der Evangelischen Kirche im Rheinland in seinem Vortrag anlässlich einer Tagung zum 200. Geburtstag von Johann Hinrich Wichern in der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, an der auch der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering als Redner teilnahm. Wichern gilt als Begründer der Diakonie.

„Wir haben es Wichern bis heute zu verdanken, dass Diakonie und Mission in unserer Kirche zusammengehören. Wichern erkannte die unauflösliche Verbindung des Auftrags Jesu, sich um die Marginalisierten der Gesellschaft zu kümmern und um Menschen, die fern von Gott sind oder sich von ihm entfernt haben.“ Die Diakonie sei „Wesens- und Lebensgestalt der Kirche“, betonte Schneider die Zusammengehörigkeit: „Eine Kirche, die nicht mehr diakonische Kirche ist, ist nicht mehr Kirche Jesu Christi, und eine Diakonie, die nicht mehr als Kirche Jesu Christi erkennbar ist, ist in diesem Sinne auch nicht mehr Diakonie.“

Aber weder Kirche noch Diakonie hätten als ersten Auftrag, „die Welt oder unsere Gesellschaft zu verbessern“, so der Präses. Ihr erster Auftrag sei es, „die freie Gnade Gottes auszurichten an alles Volk“, wie es die 6. These der Barmer Theologischen Erklärung beschreibe: „Dass sich daraus positive Veränderung der Verhältnisse in der Gesellschaft ergeben, ist ein anzustrebendes Zusatzziel.“

Vorschreibender Soziastaat führt sich ad absurdum

Bei aller notwendigen und nach wie vor richtigen Ausdifferenzierung der Angebote der Kirche zur Erreichung dieses Zusatzziels in den vergangenen Jahrzehnten seien Glaubensschulung und -vergewisserung, Kontemplation und Spiritualität dabei in den Hintergrund getreten. „Eine Renaissance dieser Bereiche in den Konzepten für einen Gemeindeaufbau darf allerdings die Wendung nach außen nicht vernachlässigen. Ganzheitlich zu denken und zu handeln heißt hier: Spiritualität und Solidarität gehören zusammen“, stellte der 61-jährige Theologe und Sozialethiker fest.

Mit Blick auf den ,sozialen Markt’, auf dem auch die Diakonie bestehen müsse, gebe es aber auch einiges, das er als „zynisch“ empfinde. Als Beispiel nannte der Präses ein Altenheim mit 100 Plätzen. Weil die Kostenpauschalen gekürzt wurden, könnten nur noch etwa 30 Arbeitsplätze finanziert werden: „Mit diesen 30 Arbeitsplätzen müssen drei Schichten besetzt, Fortbildungen und auch erkrankte Mitarbeitende ersetzt werden – dann weiß ich nicht, wie das vernünftig gehen soll“, konstatierte Nikolaus Schneider: „Und wenn gleichzeitig bei den dreißig nur noch die Hälfte fachlich qualifiziert sein darf und die andere Hälfte nicht, dann haben wir hier einen vorschreibenden Sozialstaat, der sich ad absurdum führt mit solchen Prinzipien und uns in eine Lage bringt, dass wir sozusagen Sündenböcke werden für Entwicklungen, die man nun wirklich anders qualifizieren müsste.“ Eben dieses Beispiel zeige, dass wirtschaftliche Vernunft und der Gewinn keine Werte an sich seien; sie müssten an den Interessen der Menschen orientiert bleiben.