Pressemitteilung

Predigt anlässlich der Einführung der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland gehalten von Oberkirchenrat Wilfried Neusel in der Johanneskirche in Düsseldorf am Sonntag, 1. März 2009

Einführung der Kirchenleitung

  • Nr. 67/2009
  • 2.3.2009
  • 11860 Zeichen

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

nachfolgend erhalten Sie das o.a. Predigtmanuskript zu Ihrer Verwendung.
Bitte beachten Sie den Wortlautvorbehalt.

Der Prediger, Oberkirchenrat Wilfried Neusel, scheidet am 1. März aus der Kirchenleitung aus und wechselt als Theologe zum Evangelischen Entwicklungsdienst (eed) nach Bonn.

 

Mit freundlichem Gruß

Jens Peter Iven
Pressesprecher

Liebe Gemeinde,

wenn Gott uns heimsucht, geschehen Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen wir uns nicht träumen lassen. Von einer entscheidenden Phase seiner Heimsuchung lesen wir im Evangelium nach Matthäus, im 4. Kapitel, Verse 1-11. Ich lese nach der neuen Übersetzung der Zürcher Bibel:

[ … ]

Jesus kommt vom Jordan, von dem her, der nach Jesu eigenen Worten der größte ist, der von einer Frau geboren wurde. Jesus hat sich gegen den Willen dieses Johannes von ihm taufen lassen, um alles zu tun, was die Gerechtigkeit verlangt.

Deshalb die Stimme vom Himmel: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Wenn so etwas an die Ohren der Menschen dringt, gellt es in den Ohren der Dämonen, und der Diabolos weiß, dass er nun etwas unternehmen muss. Wer alles zu tun sich anschickt, was die Gerechtigkeit verlangt, kommt nicht in ein Machtvakuum. Das hat der Geist Gottes seit Anbeginn der Welt erfahren. Der Kampf des Barack Obama ist ja nur ein Schatten dessen, um was es geht, wenn Gott zur Welt kommt. Barack Obama ist eher ein Herkules in den Ställen des Augias, und da ist ja genug auszumisten; aber wenn Jesus den Weg Israels und des großen Mose durch die Wüste ins gelobte Land wirklich zum glücklichen Ende gehen soll, wenn er nicht wie Mose vor dem Jordan sein Ende finden soll – das geschah ja zur Zeit Jesu einigen, die sich als Messias ins Spiel brachten, Theudas und anderen – mit anderen Worten, wenn Jesus, der geliebte Sohn, die Menschheit nicht aufs Spiel setzen soll, muss er sich gleich am Anfang seiner Berufung bewähren, will sagen: sich bewahren, was sein Wesen und Auftrag ist.

Jesus fastet in der Tradition des Johannes, der sich damit vorbereitet auf die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes. „Bist Du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andren warten?“ Das ist ja nicht nur die Frage des Johannes, sondern sicher auch die der Jünger Jesu, die noch am glücklichen Ende des Weges Jesu hin- und hergerissen waren, auf dem hohen Berg, bevor Jesus ihnen offenbart, dass ihm alle Macht gegeben sei im Himmel und auf Erden, das ist auch unsere eigene, angesichts der überwältigenden Zahl der jüdischen und vieler anderer Stimmen in der Welt, die mit Nein oder mit Achselzucken antworten.

Also: nach dem Bußgang ins Wasser des Jordan hinein fastet Jesus in der Tradition des Johannes, um sich auf die Offenbarung vorzubereiten, was sage ich – auf die Offenbarung!

Und da ist der Teufel nicht weit. Der Versucher äfft die liebevolle Ansage Gottes „das ist mein geliebter Sohn“ nach. Das wird deutlich, wenn Sie mir eine Korrektur der Übersetzung erlauben. Im neutestamentlichen Griechisch ist das „Wenn“ nicht unbedingt im Sinne einer Bedingung zu verstehen. Mit Fug und Recht können wir auch lesen: „Da du ja Gottes Sohn bist.“ Der Versucher ist nicht blöd, macht sich nicht mit solchen Mätzchen an den lieben Sohn heran wie die Schlange an uns Menschen: „Sollte Gott gesagt haben?“ Nein, dass Jesus der Sohn Gottes ist, gibt er unumwunden zu. Statusprobleme kennt der Versucher nicht. Er richtet lieber ein transzendentales Chaos an, dass darin besteht, den lieben Sohn nach seinen Spielregeln umzudrehen. „Sag diesen Steinen da, sie sollen zu Brot werden!“ Nutze doch deine Privilegien, du kannst es dir doch erlauben! Mach’s dir doch nicht so schwer!

Wohlgemerkt, liebe Gemeinde: es geht nicht um die Sättigung der vielen, die hungern auf dieser Welt. Nein, es geht um diese Sorte von Machtentfaltung, die bei „Brot und Spielen“ endet, in der Sprache von 2010: Hartz IV und Infotainment.

Wie satt werden in der Weise des lieben Sohnes vor sich geht, erfahren wir später am See Genezareth. Dazu gehört ein Blick zum Himmel mit einem Dankgebet auf den Lippen und eine Aufforderung zum Teilen. Und dann macht das Brot eben nicht nur satt, sondern Hunger nach einem weiteren Horizont jenseits der Kalorienzufuhr.

Da ist dann übrigens auch keine Show dabei, wie der Diabolos es gern hätte.

So ist dann auch die Antwort Jesu: „Es steht geschrieben.“ Demütig unterstellt er sich der Autorität des geoffenbarten Wortes, das nicht fern, sondern nah ist, nahe liegend. Der Messias ist nicht Herr des göttlichen Wortes, sondern sein göttlicher Vollstrecker. „Nicht vom Brot allein lebt der Mensch – ersparen Sie mir bitte die exegetischen Zwischenschritte – nicht vom Brot allein lebt der Menschensohn, dieser liebe Sohn Gottes, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“

Schon hier erwähne ich, dass alle Entgegnungen Jesu dem Buch Deuteronomium entnommen sind, also dem Buch der Wiederholung der Weisung Gottes nach dem Scheitern der Großmachtallüren der Könige Israels und Judas. Ja, liebe Gemeinde, wir leben von diesen glücklichen Wiederholungen, von diesem göttlichen „noch einmal will ich…“

 

[ Musik Ulrich Cyganek ]

 

„Dann nahm ihn der Teufel mit in die heilige Stadt, und er stellte ihn auf die Zinne des Tempels. Und er sagte zu ihm: Da du ja Gottes Sohn bist, stürze dich hinab. Denn es steht geschrieben: Seine Engel ruft er für dich herbei, und sie werden dich auf Händen tragen, dass dein Fuß nicht an einen Stein stoße.“ Ei, nun wird der Teufel zum frommen Fundamentalisten, kommt nun auch mit der Autorität der Schrift. Merke: man kann mit Bibelzitaten auch riesiges Unheil anrichten, wenn sie gegen den Geist hinter den Buchstaben in Anspruch genommen werden.

Das infame Motiv: Jesus soll nun aus der Rolle des Versuchten in die Rolle des Versuchers schlüpfen. „Da du ja Gottes Sohn bist, zeig doch mal mit einem Sturz, wie unverbrüchlich dein Vertrauen zum Vater ist!“ Hier ist, liebe Gemeinde nicht an eine Demonstration vor Schaulustigen zu denken. Es geht einzig und allein darum, Jesu Verhältnis zum Vater zu korrumpieren, wie später in bester Absicht bei Petrus: „Herr, das geschehe dir ja nicht!“ Ein Messias kriecht nicht zu Kreuze. Wie noch später beim Volk, einschließlich der ganzen frommen Elite, das Jesus am Kreuz begafft und dem Teufel mit dem Spott Spaß macht: „So steige er jetzt vom Kreuz herab, und wir werden an ihn glauben.“ So sind wir.

„Während die Juden Zeichen fordern und die Griechen Weisheit suchen, verkündigen wir Christus den Gekreuzigten, für die Juden ein Ärgernis, für die Heiden eine Torheit..“ Das ist die paulinische Zusammenfassung dieser Auseinandersetzung.

Jesus lehnt das Wagnis des Glaubens ab, den von Karl Barth in seiner ersten Auflage des Römerbriefs so populär gemachten „Sprung ins Leere“. Im Neuen Testament steht nichts vom Wagnis des Glaubens, sondern von der Treue Gottes, von Gehorsam und Tun des Wortes, auch vom Schrei „Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben!“ Nichts existentialistisch Gestyltes! Jesus spricht später auf seinem Weg mit großer Eindringlichkeit von denen, die seit den Tagen des Johannes dem Himmelreich Gewalt antun und es gewalttätig an sich reißen.

Ein lieber Sohn stellt seinen Vater nicht auf die Probe, stellt ihn auch nicht vor vollendete Tatsachen, selbst in Gethsemane nicht. „Wiederum steht geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott nicht versuchen.“ So Dtn, 6,16, und da heißt es weiter: „Die Gebote des Herrn, eures Gottes, sollt ihr halten…und du sollst tun, was recht und gut ist, damit es dir gut geht und du in das schöne Land hineinkommst..“

Dieses Land, das die besitzen werden , die sanftmütig sind, nicht die, die übermütig sind.

 

[ Musik Ulrich Cyganek ]

 

Nun, im dritten und letzten Versuch setzt der Teufel alles auf eine Karte. Denn es ist schon ausgemacht, dass er alles verliert, wenn er jetzt nicht gewinnt. Also Strategiewechsel! Nicht die Position des Gottessohnes wird thematisiert, sondern der Teufel positioniert sich. „Wieder nimmt ihn der Teufel mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt ihm alle Königreiche der Welt und ihre Pracht. ,Dies alles will ich dir geben, wenn du dich niederwirfst und mich anbetest.’ Wir wissen ja aus der Kirchengeschichte, wie sehr darauf geachtet wird, wer sich vor wem niederwirft. Und auch in unseren heutigen ökumenischen wie in unseren Kirche/Staat-Beziehungen spielt dieser Punkt, wenn auch oft nur verdeckt, eine entscheidende Rolle.

Der Einsatz des Teufels ist hoch, Poker vom Feinsten! Aber was ist das für ein Geschenk, wenn es mit einer Forderung verbunden wird. Es stinkt zum Himmel!

„Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber Schaden nimmt an seinem Leben.“ Vor dem Vater fällt Jesus in Gethsemane nieder, nicht aber vor diesem Blender.

Indes: Aus Goethes Faust wissen wir, dass das so Einleuchtende und selbstverständlich Erscheinende ganz und gar nicht selbstverständlich ist.

Von Dostojewski haben wir die Geschichte vom Großinquisitor, der um der Einheit und Macht der Kirche willen zu Jesus sagt: „Dich werden wir nicht mehr zu uns lassen.“ Der Großinquisitor fragt Jesus beim nächtlichen Verhör: “ Entscheide nun selbst, wer recht hatte: Du oder jener, der Dich damals fragte. … Wenn auch nicht wörtlich, so doch dem Sinne nach lautete sie: ,Du willst in die Welt gehen und gehst mit leeren Händen, mit dem vagen Versprechen einer Freiheit, das sie in ihrer Einfalt und angeborenen Zuchtlosigkeit nicht einmal begreifen können, vor dem sie sich fürchten und das sie beängstigt – denn nichts ist jemals dem Menschen und der menschlichen Gemeinschaft unerträglicher gewesen als die Freiheit.’“

Realismus, wenn ohne Hoffnung auf die Treue des Vaters, kann unerträglich zynisch werden, unerträglich deshalb, weil der Zynismus im Gewand des Wohltäters daherkommt. Und selbst in der sympathischeren Variante des Petrus, der auf Jesus eindringt und ihn beschwört: „Das geschehe dir ja nicht!“ ist ein Gefälle zum Zynismus angelegt. Der Erfolg muss doch jetzt schon sichtbar werden, nicht durchs Kreuz verfinstert! Wie viel Allmachtsphantasien sind in Diakonie und Entwicklungshilfe verborgen. Und? Werden die von uns Betreuten zu mündigen Menschen in der Mitte unserer Gemeinden? Eine bange Frage, die wir uns selbstkritisch immer wieder stellen müssen.

Fort mit dir, Satan. Denn es steht geschrieben: „Zum Herrn, deinem Gott, sollst du beten und ihm allein dienen.“

Da du ja Mitglied der Kirchenleitung bist…., da du ja Chef in deiner Firma bist…, da du ja Mitglied des Presbyteriums bist…

Wenn wir uns als von Gott berufene auf Jesus berufen, ist es segensreich, uns zu Beginn unseres Diensts und immer wieder neu auf die Geschichte der Versuchung zu besinnen.

Und dann eben doch! Nicht erzwungen, sondern als göttliches Echo auf das letzte Wort Jesu: „Und es kamen Engel und dienten ihm.“

 

Und dann eben doch, ganz zum Schluss: „Mir ist gegeben alle Macht, alle Autorität, nicht nur auf Erden, sondern auch im Himmel.“

Unsere Vollmacht besteht darin, Jesus zu folgen, alle Völker zu Jüngern zu machen, indem wir auf den Namen des Dreieinigen taufen und alles zu halten lehren, was er uns geboten hat. Nicht mehr und nicht weniger. Und das in der Gewissheit, dass der Bewährte bei uns ist alle Tage bis an der Welt Ende.

Amen