Beitrag von Kerstin Gralher und Stefanie Westermann, Evangelische Akademie Villigst
Wälder und Seen, Land der tausend Berge – das sind typische Antworten, wenn man fragt: „Denkst Du an das Sauerland…“. Alles richtig – aber eben auch noch viel mehr. Das wurde deutlich und konnte in vielen Gesprächen mit Menschen vor Ort erlebt werden im Rahmen der von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderten und in Kooperation mit der Evangelischen Akademie im Rheinland im September 2025 durchgeführten Begegnungswerkstatt zum Sauerland im Wandel.

So ist das Sauerland auch einer der führenden Industrie-Standorte in Deutschland mit Unternehmen, die – häufig in Familienbesitz – in ihren jeweiligen Branchen zu den Weltmarktführern gehören und einer großen Branchenvielfalt. Aber auch eine ländliche Region mit Herausforderungen: der Infrastruktur, mittlerweile bundesweit bekannt durch die jahrelange Groß-Baustelle an der Lüdenscheider Rahmedetal-Brücke, der Versorgung mit regenerativer Energie und dem Gelingen einer ökologischen Transformation insgesamt. Letzteres wird sehr deutlich, wenn man die Kalamitätsflächen der Wälder des Sauerlandes anschaut. Und nicht zuletzt geht es auch im Sauerland um die Frage, wie Menschen vor Ort gehalten oder für das Sauerland gewonnen werden können.
Transformation war der rote Faden der mehrtägigen Veranstaltung und klar wurde: Die gab es immer schon. An sehr unterschiedlichen Stellen wurde das punktuell durch die Exkursionen deutlich: Das 400-Seelen-Dorf Wormbach, eine Keimzelle des Spirituellen Sommers Südwestfalens, mit einer prominenten, kulturhistorisch interessanten Dorfkirche und sehr aktiver Dorfgemeinschaft hat sich durch den Spirituellen Sommer zum Bau eines Kunstwerks auf dem Dorfplatz inspirieren lassen (die Himmelsleiter von Wormbach) und setzt dem Eindruck vom „abgehängten Landleben“ nicht nur mit einer aktiven Theatertruppe und der Inszenierung von Loriot-Sketchen gelebtes Miteinander entgegen.
Beim familiengeführten Weltmarktführer im Maschinenbau von Rohrbiegemaschinen in Schmallenberg, transfluid, steht der Erhalt der Arbeitsplätze, der guten Arbeitsbedingungen und der Verbleib der Firma in der Region (Übernahme-Angebote werden immer abgelehnt) immer im Zentrum der strategischen Entscheidungen. Transformation versteht die Firma als Auftrag der Anpassung an veränderte Wirtschaftsumgebungen, aber nicht als Aufgabe der unternehmerischen Verantwortung vor Ort.
Wandel und Anpassung
Dass Wandel und Anpassung schon immer Thema im Sauerland waren, wurde durch den Besuch des DampfLandLeute-Museums deutlich. Der Blick in die industriegeschichtlichen Ursprünge des Sauerlands und die Anpassungsanforderungen über Jahrhunderte durch die Veränderungen im Ruhrgebiet, durch Kriege, Herrschaftswechsel, Pandemien und Produktionsentwicklungen wurde durch eine sehr unterhaltsame Führung verdeutlicht. Die zukunftsweisende Betriebsform des Museums als ehrenamtlich geführtes, über eine private Stiftung finanziertes Kulturprojekt verdeutlichte die Bedeutung eigenverantwortlichen Handelns und bürgerschaftlichen Engagements für eine funktionierende Gemeinschaft sehr deutlich.
Der zweite Exkursionstag begann mit einer thematischen Führung durch das Sauerland-Museum in Arnsberg, das mit einem spektakulären neuen Anbau an die architekturgeschichtlich interessante Entwicklung Arnsbergs anknüpft. Unter der Herrschaft Preußens sorgten die aus Berlin versetzten Beamten für den Neubau eines klassizistisch geprägten Wohnviertels in Arnsberg, das den Bewohnern Licht in ihre Behausungen brachte und sich im Stadtbild bis heute markant von den geduckten Fachwerkhäusern abhebt.
In der Anschauung von Flora und Fauna im Arnsberger Staatswald machten die Erläuterungen des Rangers die Anpassungsleistungen der Natur selbst, aber auch die der Förster und Waldpfleger unmittelbar einsichtig.

Besuch des Klosters Oelinghausen
Eine ganz andere Lebensform, aber soziologisch auch als Nischenlebensform mit Auswirkungen auf die Umgebung zu beschreiben, zeigte sich beim Besuch des Klosters Oelinghausen, in dem heute noch drei Schwestern aktiv sind. Eine von ihnen führte uns durch die Klosteranlage und Kirche. Auch hier ist vieles nicht mehr zu erhalten und umzusetzen ohne die tatkräftige finanzielle und personelle Unterstützung durch den Freundeskreis des Klosters. Bei der anschließenden Diskussions- und Gesprächsrunde präsentierte die Ehrenamtskoordinatorin der Gemeinde ihre Arbeit und Arbeitsweise – auch hier ein wieder zukunftsfähiges Modell, kirchliche und zum Teil sogar seelsorgerische Arbeit auf neue Beine zu stellen. Die Nische „Kloster“ bietet außerdem regelmäßig Platz für künstlerische Auseinandersetzung, so dass auch ein gerade ausstellender Künstler von seinen Arbeiten und seiner Arbeitsphase im Sommer in den Räumen der Klosteranlage berichten konnte.
Um die Exkursionen herum bot die Begegnungswerkstatt Vorträge und Diskussionen zur Wirtschaft und den „Hidden Champions“ im Wald sowie zu den Perspektiven, wie das Alter auf dem Land aussieht und aussehen könnte.
Davon, dass im Land der 1000 Berge auch kulinarisch kein Mangel herrscht, konnten sich die Teilnehmenden tagsüber und abends bei den unterschiedlichen gastronomischen, häufig familiengeführten Restaurants auch selbst überzeugen.
„Land“ heißt nicht, abgehängt zu sein
Der Begegnungswerkstatt gelang es zum einen zu verdeutlichen, dass „Land“ nicht heißt, abgehängt zu sein – im Gegenteil, gerade das Sauerland mit seiner prosperierenden, am Weltmarkt orientierten, mittelständisch geprägten Industrie sorgt vor Ort für genügend finanziellen Spielraum, um die erforderlichen Transformationen auch umzusetzen. Dass all das nicht möglich wäre, ohne aktive Ehrenamtliche und engagierte, den Menschen zugewandte Dienstleister wurde allerdings auch sehr deutlich.
Die Veranstaltung war Teil des von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderten Modellprojektes „Landwandel. Bewegung und Begegnung in ländlichen Räumen“. Mehr Informationen über das Projekt finden Sie hier.