Pressemitteilung

Neuer Tarif bei Kirche und Diakonie in Anlehnung an den TVöD

Arbeitsrechtliche Schiedskommission hat entschieden

  • Nr. 167 / 2007
  • 23.10.2007
  • 7695 Zeichen

Für rund 140.000 Beschäftigte in Kirche und Diakonie innerhalb der drei Landeskirchen und der drei Diakonischen Werke Rheinland, Westfalen und Lippe hat die Arbeitsrechtliche Schiedskommission am Montag (22.10.) über die zukünftige Gestaltung des kirchlichen Tarifes, des BAT-KF entschieden.

Der BAT-KF/ MTArb-KF ist das kirchliche Tarifwerk, das mit den Angestellten und Arbeiterinnen und Arbeiter der drei Landeskirchen, ihrer Kirchenkreise, Verbände und Gemeinden ebenso wie in vielen diakonischen Einrichtungen vereinbart ist. Die Arbeitsrechtliche Schiedskommission war zur Entscheidung als verbindliche Schlichtung angerufen worden, da sich die Vertreterinnen und Vertreter der Mitarbeiterverbände VKM-RWL und Marburger Bund sowie der Kirchen und der Diakonischen Werke nicht einigen konnten.


Der heutige Beschluss der Arbeitsrechtlichen Schiedskommission lautet:



  1. Der BAT-KF und der MTArb-KF werden gemäß der Vorlage Nr. 13/2007 einschließlich der Übergangsregelungen, wie sie Gegenstand der Abstimmungen der Arbeitsrechtlichen Kommission Rheinland/Westfalen/Lippe waren, geändert.

  2. Die Änderungen und die Übergangsregelungen treten am 1. Juli 2007 in Kraft.

  3. Die Arbeitsrechtliche Schiedskommission empfiehlt, die Möglichkeit für einrichtungsspezifische, in der Regel befristet gültige, und für refinanzierungsbedingte Abweichungen zu schaffen.

  4. Die Arbeitsrechtliche Schiedskommission empfiehlt, die Regelungen zu 1. in angemessener Zeit – spätestens aber binnen vier Jahren –  zu überprüfen und sie gegebenenfalls strukturell, auch hinsichtlich des Tabellenwerkes, abzuändern oder zu ergänzen.

Mit dieser Richtungsentscheidung hat die Kommission dem Antrag der Mitarbeiterseite entsprochen und neben der inhaltlichen Ausgestaltung des Vergütungssystems des BAT-KF entsprechend dem TVöD auch eine Einmalzahlung von 900 Euro festgelegt.


Wir erklären dazu:

Nach dem Beschluss der Schiedskommission gilt im Rahmen des BAT-KF ein Vergütungssystem entsprechend dem des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) und des TV Ärzte in Kirche und Diakonie in Rheinland, Westfalen und Lippe. Dies bewirkt nicht den großen Schritt nach vorn, den wir erhofft hatten. Für die verfasste Kirche werden sich die daraus ergebenden Folgen nicht so stark auswirken wie für die diakonischen Einrichtungen. Denn diese stehen unter wirtschaftlichem Konkurrenzdruck. Sie müssen nun ohne die Öffnungen im Tarifrecht, die sie erhofft haben, auskommen. Die Schiedskommission hat aber gleichzeitig die Notwendigkeit hervorgehoben, künftig refinanzierungsbedingte Abweichungen zu schaffen. Das ist eine zukunftsträchtige Möglichkeit zur Bewältigung der vor uns liegenden Probleme.



Zum Hintergrund


BAT-KF

Der Bundesangestelltentarif (BAT) wurde Anfang der sechziger Jahre als Tarifvertragssystem für den öffentlichen Dienst in Bund, Ländern und Gemeinden eingeführt. Ihm entsprachen damals weitgehend auch die Tarifregelungen bei Bahn, Stadtwerken, kommunalen Krankenhäusern usw. Ebenso galt der BAT bei den Wohlfahrtsverbänden und – als Bundesangestelltentarif kirchlicher Fassung (BAT-KF) auch bei den Kirchen. Bis auf einige Abweichungen entsprach der BAT-KF dem BAT; die Vergütung war identisch. Der BAT ist an das Prinzip der Beamtenbesoldung angelehnt: Bei gleich bleibender Tätigkeit beginnt die Vergütung relativ gering und steigt alle zwei Jahre bis zu einer Endstufe, die 50 Prozent oder mehr über dem Einstiegsbetrag liegen kann. Verheiratete Angestellte bekamen einen Ehegattenzuschlag, pro Kind gab es einen weiteren Zuschlag. Im sozialen Bereich waren die Finanzierungssysteme so organisiert, dass die Träger sozialer Einrichtungen voll die Personalkosten erstattet bekamen – vorausgesetzt, die Mitarbeiter wurden gemäß BAT bezahlt (Kostendeckungsprinzip). So wurde der BAT zur „Leitwährung“ für alle Träger im sozial-diakonischen Bereich.


AVR

Auch die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR DW-EKD) übernahmen weitestgehend die Inhalte des BAT, zugeschnitten auf die diakonischen Einrichtungen. Diese Regelung setzen bundesweit die Träger diakonischer Einrichtungen um, soweit sie nicht das regionale landeskirchliche Tarifrecht anwenden. In den drei Landeskirchen Rheinland, Westfalen und Lippe ist das der BAT-KF. Mit der Einführung eines „Pflegemarktes“ begann dieses Bedarfsdeckungssystem in den neunziger Jahren zu verfallen. Es wurde mehr und mehr ersetzt durch die Bestimmung von Budgets oder Pauschalleistungen. Diese nahmen keine Rücksicht mehr auf die Kosten, die sich aus dem geltenden Tarifsystem ergaben. Immer mehr drängten private gewinnorientierte Unternehmen an den Markt – zum Beispiel ambulante Pflegedienste, private Krankenhaus- und Altenheimketten. Dieser Herausforderung wurde der BAT nicht mehr gerecht. Um das Überleben diakonischer Einrichtungen zu sichern, musste das Tarifrecht überarbeitet werden.


TVÖD

Viele Hoffnungen richteten sich anfangs auf eine Neuregelung der Tarife im öffentlichen Dienst. Der Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TVöD) hat aber das Aufstiegsprinzip – anfangs geringe, doch regelmäßig steigende Vergütung bei unveränderter Tätigkeit – im Prinzip beibehalten: Die Unterschiede zwischen Anfangs- und Endgehalt sind nach wie vor gravierend. Für bestimmte Arbeitszweige, zum Beispiel ambulante Pflegedienste, reichen die Leistungsentgelte nicht aus, um Einrichtungen zu finanzieren, deren Mitarbeiterschaft im Durchschnitt einer höheren Altersgruppe angehört. Für die Diakonie bedeutet das: Dieser TVöD kann nicht mehr einheitliche „Leitwährung“ für alle Einrichtungen sein.
Deshalb wurden die AVR überarbeitet. Ziel: Gleiche Arbeit wird gleich bezahlt – unabhängig von der Dauer der Tätigkeit, die beim selben Arbeitgeber oder in der entsprechenden Branche erbracht worden ist. Die Einstiegsbeträge der neuen AVR liegen wesentlich höher als beim TVöD, steigen dann aber bei gleicher Tätigkeit nur noch in zwei Schritten um insgesamt zehn Prozent. Die Berufserfahrung wird also immer noch gewürdigt.
Ein Hauptproblem für die Mitarbeiterseite ist die Regelung der Jahressonderzahlung, des sogenannten Weihnachtsgeldes. Es beträgt bei den AVR ein volles Monatsgehalt, wird aber nicht mehr, wie bisher, in einer Summe (mit dem November- oder Dezembergehalt) ausgezahlt. Stattdessen wird im November nur die Hälfte bezahlt, während die zweite Hälfte Mitte des folgenden Jahres fällig wird – allerdings nur dann, wenn das inzwischen vorliegende Jahresergebnis einen positiven Abschluss aufweist. Damit soll ein gewisser Ausgleich der unvorhersehbaren wirtschaftlichen Entwicklungen, denen jeder Betrieb ausgesetzt ist, erzielt werden – um zu verhindern, dass kurzfristige Schwankungen zu Entlassungen führen. Die AVR sind, betrachtet man die Gesamtkosten eines Berufslebens über 25 Jahre oder länger, im Vergleich zum TVöD kein Sparmodell. Tatsächlich liegen, über 25 Jahre gerechnet, die AVR-Vergütungen etwas über denen des TVöD. Die AVR führen aber zu einer günstigeren Ausgangsposition im Wettbewerb der sozialen Dienste als das am überkommenen Beamtenrecht orientierte Modell, das sich im TVöD fortsetzt.