Pressemitteilung

Zukunftsfähiges Missionsverständnis in multikultureller Gesellschaft

Vom offenen Himmel erzählen

  • Nr. 15
  • 12.1.2005
  • 4794 Zeichen


Mit großer Aufmerksamkeit beschäftigt sich die Synode mit den Themen Mission und Evangelisation. Wie kann die Kirche unter veränderten Rahmenbedingungen und in Zeiten zurückgehender finanzieller Möglichkeiten missionarische Volkskirche bleiben bzw. werden? Professor Dr. Michael Herbst, Universität Greifswald, stellte diese Frage in seinem Vortrag am Montagnachmittag: Wie zugänglich sind wir als Kirche? Wie werden wir wahrgenommen aus der Sicht der Kinder, aber auch aus der Sicht der Freunde der Volksmusik? „Missionarisch ist keine bestimmte Methode, sondern heißt alles zu tun, den Menschen das Evangelium zu erschließen“, so Herbst. „Eine missionarische Kirche duldet nicht nur, sie begehrt auch plurale Wege zum Menschen“, so der Referent weiter. Von unverbindlichen und folgenlosen Eventangeboten der Gemeinden riet er jedoch ab. Die Entscheidung für den Glauben geschehe heutzutage nicht mehr kulturgeschützt, sondern eher personengestützt. Diese Wahl geschehe langsamer als allgemein angenommen und müsse in der Gemeinschaft beheimatet werden.


Die Bedeutung des persönlichen Reden vom Glauben hatte Präses Schneider bereits in seinem Präsesbericht am Montagmorgen unterstrichen. „Ich will hier nicht einem aufdringlichen ‚Hausieren‘ mit persönlichen Bekehrungserlebnissen das Wort reden oder einer sektiererischen aggressiven Mission. Aber ich will Mut machen, in Gesprächen über Glaubensfragen und in der Verkündigung wieder ‚Ich‘ zu sagen“, so der Präses.


„Vom offenen Himmel erzählen“ – das ist ein programmatisches Ziel der ganzen rheinischen Kirche in den nächsten vier Jahren, ausgehend von der Fragestellung, wie das Verhältnis von Mission und Dialog, von Toleranz und Bekenntnis, von Einladung zum christlichen Glauben und gutem Zusammenleben verschiedener Religionen neu bestimmt werden kann. In der entsprechenden Beschlussvorlage werden die Mitarbeitenden als „der eigentliche Schlüsselfaktor einer missionarischen Gemeinde“ bezeichnet, die begleitet werden müssen. Deshalb bilanziert die Synode Problemanzeigen und Erfahrungen mit missionarischen Projekten aus den vergangenen Jahren. Allein zum Proponendum (Befragung der Gemeinden) mit dem Titel „Auf Sendung“, erschienen im Jahr 2002, erhielt die rheinischen Kirche in knapp zwei Jahren über umfangreiche 200 Rückmeldungen. Neuere missionarische Ansätze verstärkt die rheinische Synode schon seit 1999 (u.a. mit den Arbeitshilfen „Visionen erden“ und „Neue Bereiche gemeinsamer Mission“).


Unter den Stichworten „beGEISTern – beWEGen – zuMUTen“ soll der Prozess in praktischen Schritten fortgesetzt werden, begleitet von einer „inspirierenden Theologie“. Dabei wird auch an die Einbeziehung ökumenischer Partner und den Dialog mit anderen Religionen gedacht. „Wir wissen, dass die Einzigartigkeit Jesu Christi nicht mit einer so genannten ‚Absolutheit des Christentums‘ verwechselt werden darf und dass unser Respekt vor der Überzeugung auch anderer auch eine solide Kenntnis ihrer Glaubensgrundlagen einschließt“, heißt es in der Beschlussvorlage (S. 12). Aber es heißt auch: „Und wir wissen, dass in einem wirklichen Dialog niemand unverändert bleibt. Es entspricht dem Geheimnis der Offenbarung des Gottes Israels und der Völker, dass jemand, der sich Menschen anderer Überzeugung öffnet, im eigenen Glauben gestärkt und bereichert wird.“ Davon strikt zu unterscheiden sei allerdings der Dialog mit Menschen jüdischen Glaubens, der nicht gleichgesetzt werden dürfe mit dem Dialog mit Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen. Der Grund: Die Kirche anerkennt, „dass vor ihr und neben ihr Israel berufen ist, Gott in dieser Welt zu bezeugen.“


Die praktischen Schritte auf dem Weg zu einer missionarischen Kirche beginnen mit Visionen (beiGEISTern) und vor Ort, in den Gemeinden als Ort der Entdeckung Gottes. Vor Ort soll die Gemeinde auch als Ort der spirituellen und persönlichen Freiheit (beWEGen) erlebt werden. Mit der Frage „Wie bin ich dazu gekommen, was glaube ich?“ wird die Gemeinde zur Sprach- und Sprechschule (zuMUTen). Es muss möglich sein, über den eigenen Glauben zu sprechen und sich auszutauschen, um die herrschende Sprachlosigkeit in Sachen Glauben zu überwinden – so die Vorlage. Die Ursachen für diese Sprachlosigkeit sind vielfältig, u.a. Erfahrungslosigkeit, Medienkonsum und Lebenshast. Aber auch, „dass in Deutschland bis heute historische Schuld verschwiegen wird, führt ganze Generationen dazu, in lebenswichtigen Angelegenheiten trotz der Fülle der Worte zu verstummen“, stellt die Beschlussvorlage fest.