Pressemitteilung

Präses Schneider zum 8. Mai: „Erinnerung ist Quelle der Versöhnung“

Ansprache vor der Synode der französischen Partnerkirche

  • Nr. 75
  • 2.6.2005
  • 3368 Zeichen

In diesen Tagen ist der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, zu Gast bei der Synode der Église Réformée de France. Zum
60. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs erklärte Präses Schneider am
8. Mai vor den Synodalen der französischen Partnerkirche in Aix-en-Provence:


„Am 8. Mai vor 60 Jahren kapitulierte die Deutsche Wehrmacht bedingungslos vor den alliierten Streitkräften.


Es war ein Tag der Befreiung:


–            der Befreiung von Tod und Zerstörung,


–            der Befreiung von Besatzung und Ausbeutung und


–            der Befreiung von Verfolgung und der Vernichtung der Jüdinnen und Juden in Europa.


Deutschland, seine Verbündeten und seine Kollaborateure zwangen den Menschen unter ihrer Herrschaft ein Regime des Unrechts und des Rassenwahns auf.


Gott sei es geklagt – auch der Glaube und das Zeugnis der evangelischen Kirchen in Deutschland versagte davor, die gesellschaftlichen Eliten von dieser Barbarei abzuhalten. Wir wurden schuldig, und viele von uns unterstützten die national-sozialistische Ideologie.


Der Tag des Kriegsendes war auch ein Tag des Neuanfangs. Das Schuldbekenntnis der evangelischen Kirchen von Stuttgart führte dazu, dass Kirchen aus der Ökumene den deutschen Kirchen die Hände reichten. Versöhnung konnte wachsen zwischen den Kirchen und den Völkern. Heute blicken wir dankbar auf eine Zeit der Verständigung und des Friedens in Europa zurück. Wir können uns nicht mehr vorstellen, dass die ehemaligen „Erbfeinde“ Frankreich und Deutschland Waffen gegeneinander erheben.


Der 8. Mai 2005 ist angesichts dieser Geschichte ein Tag der Verpflichtung für uns:


–          einen kräftigen Glauben zu bezeugen, um den Ideologien der Überlegenheit entgegenzutreten,


–          eine Spiritualität zu entwickeln und zu erleben, wie die Fixierung politischen Denkens und Handelns wirtschaftliche und militärische Macht überwindet und


–          für den Frieden zu beten und zu arbeiten, der sich auf die Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenwürde gründet.


Die Église Réformée de France und die Evangelische Kirche im Rheinland haben Wege der Verständigung und der Versöhnung zueinander und miteinander beschritten.


Im Namen der rheinischen Kirche bitte ich Sie, liebe Schwestern und Brüder, heute:


Lassen Sie uns die Opfer und Täter nicht vergessen, denn Erinnerung ist Quelle der Versöhnung.


Lassen Sie uns gemeinsam den Weg der Versöhnung entschlossen beschreiten –  durch Begegnungen zwischen den Menschen aus unseren Gemeinden, gemeinsame Aus- und Fortbildung unserer Pastorinnen und Pastoren und den Austausch von Theologinnen und Theologen.


Stärken wir einander, um unseren biblischen Auftrag gemeinsam nachzukommen, wie er in der Heiligen Schrift beschrieben ist: „Lass ab vom Bösen und tu Gutes; suche den Frieden und jage ihm nach.“ (Psalm 34,15).“