Pressemitteilung

Theologische Lektüre kann auch vergnüglich sein – (nicht nur) im Urlaub

Ferienzeit - Zeit zum Lesen

  • Nr. 88/2008
  • 8.7.2008
  • 3594 Zeichen

Warum lesen Pfarrer Krimis – oder schreiben sogar selber welche? „Jede Detektivgeschichte hat ihren Sündenfall“, so Klaus Eberl, Oberkirchenrat im Landeskirchen-amt der Evangelischen Kirche im Rheinland und Leiter der Abteilung Erziehung und Bildung, in seinem Aufsatz zum „Grenzgang zwischen Theologie und Kriminalliteratur“. Wie in der Kirche gehe es im Krimi um Schuld und Vergebung, um Gerechtigkeit und verlorene Illusionen, um Angst und Befreiung. Und um den „analytischen Blick auf die Ursachen des Übels“ – genussvollen Voyeurismus, könnte man auch sagen, denn außer dem Autor weiß schließlich nur der Leser, wer der Schurke ist.

Aber der Grenzgang reicht tiefer: Schon das Evangelium mit der Leidensgeschichte Jesu präsentiert klassische Elemente des Krimis, so Eberl: Gerichtsszenen (beim Prozess Jesu), Verrat (des Petrus), eine korrupte Justiz (Pilatus), politischer Mord (Kreuz) und das Verschwinden der Leiche. Auch für das reformatorische Zentralthema, die Rechtfertigung des Sünders aus Gnade, findet er eine Entsprechung im Genre des Kriminalromans: Unerwartete Personen werden als Verbrecher entlarvt, die biedere Oberfläche verbirgt Abgründe, Täter sind auch Opfer. Und Opfer sogar Krimihelden – wie Elise Andrilo in Eberls aktueller Krimilektüre, nämlich Brigitte Auberts Roman „Im Dunkel der Wälder“. Elise ist jung, schön und wohlhabend, aber nach einem Bombenattentat blind, stumm und gelähmt – was sie nicht daran hindert, einem Kindermörder in ihrer engsten Umgebung auf die Spur zu kommen… In seinem „Grenzgang“ wirbt Eberl für „lesendes Verstehen“, gerade in der Kirche des Wortes, und fragt, was wäre, „wenn die Verkündigung spannend wie ein Krimi wäre“?

Eine diametrale und crossmediale Antwort bietet die kleine praktische Homiletik „Kein Blatt vorm Mund“ von Volker A. Lehnert, Dezernent im Landeskirchenamt der rheinischen Kirche und zuständig für die Aus- und Fortbildung von Theologinnen und Theologen. Er empfiehlt das freie Predigen mit Stichwortzettel statt Manuskript, das des Predigers Blick befreit, den Gemeindemitgliedern leibhaftig in die Augen zu schauen. Frei Predigen ist „Jazz von der Kanzel“ zwischen Thema und Improvisation und setzt etwas in Bewegung, stiftet Neugier, so der Theologe. In sieben Schritten vermittelt sein Buch auf vergnügliche Weise „Orality“, die Fähigkeit, die Mündlichkeit neu zu entdecken, unter Einsatz von Körpersprache und „kommunikativem Kleingeld“, mit Kino im Kopf. Wer jedoch meint, das freie Predigen sei eine leichte Übung, der irrt. Subversive Nebensatztaktik, auch die Vermeidung derselben, und theonome Reziprozität mit „Rausrutschgedanken“ zu beherzigen – das dürfte einige Trainingseinheiten erfordern. Praktische Hinweise und Situationsbeispiele in dem Buch können dafür ein guter Einstieg sein. Doch auch interessierte Gottesdienstbesucherinnen und –besucher erfahren Erstaunliches: nämlich wie viele Freiheiten und Freiräume beim Predigen genutzt werden können.

Literaturhinweise:

Klaus Eberl, Das größte Verbrechen aller Zeiten. Ein Grenzgang zwischen Theologie und Kriminalliteratur, in: Spuren, Eigenverlag des Kirchenkreises Jülich 2007, S. 17 ff., www.kkrjuelich.de (dort: Download und Archiv), 10 Euro

Volker A. Lehnert, Kein Blatt vorm Mund. Frei predigen lernen in sieben Schritten. Kleine praktische Homiletik, Neukirchener Verlagshaus 2. Auflage 2008, www.nvg-medien.de , 14,90 Euro