Pressemitteilung

Präses Rekowski am Reformationstag: „Auf den Inhalt kommt es an“

Tischrede und Ökumenischer Gottesdienst zum Auftakt des Festjahres

  • Nr. 147/2016 
  • 31.10.2016
  • 6574 Zeichen

Ratingen/Wuppertal/Köln. Zum Beginn des Festjahres zu 500 Jahren Reformation hat Präses Manfred Rekowski betont, dass die Reformationsbewegung die Bibel neu entdeckt hat. Martin Luther, der die Heilige Schrift ins Deutsche übersetzt hat, war sie so wichtig, dass er sagen konnte: sola scriptura, allein die Schrift: „In der Bibel suchte und fand er stets das, was Christum treibet; anders gesagt: was zu Christus führt“, so der oberste Repräsentant der Evangelischen Kirche am heutigen Reformationstag.

In seiner Tischrede beim 4. Ratinger Reformationsmahl in der Evangelischen Stadtkirche sagte er am Mittag: „Martin Luther entwickelte keinen Masterplan zur Reform oder Rettung der Kirche, sondern er knüpfte an die existentiellen Fragen der Menschen an und stellte Christus, die Gnade Gottes, den Glauben und die Bibel in den Mittelpunkt seines Redens und Wirkens. Weil der Einzelne und die Kirche vom Wirken Christi leben, wird das Reformationsjubiläum auch ganz sicher nicht in neuen Aktions- oder Animationsprogrammen münden.“ Vielmehr gehe es darum, dass für die Menschen spürbar und verstehbar wird, dass Gott in Jesus Christus handelt: „Er bewegt mich, berührt mich und spricht mich an. Der Reformation geht es zuerst um Glaubensvergewisserung, die dann aber nicht folgenlos bleibt für die Kirche und die Welt.“

Ökumenisch beging der rheinische Präses den diesjährigen Reformationstag am Abend  in seiner Heimatstadt Wuppertal. Dort predigte er in einem Ökumenischen Gottesdienst, der in der (evangelischen) Gemarker Kirche begann und der nach einem kurzen Gang der Besucherinnen und Besucher in der nahegelegenen (katholischen) Kirche St. Antonius endete.

Nicht auf Kosten der jeweiligen Schwesterkirche

Kirche, so machte Manfred Rekowski in seiner Predigt in der katholischen Kirche deutlich, empfehle sich durch ihre Ausstrahlung den Menschen: „Die Zeiten der Selbstempfehlung unserer Kirchen auf Kosten der jeweiligen Schwesterkirche sollten vorbei sein. Als katholische und evangelische Kirche werden wir von der Gesellschaft gemeinsam in Haftung genommen.“ Vielleicht seien es zurzeit eher die schwierigen Entwicklungen in beiden Kirchen, die sie zusammenschließen, als die vermeintlichen Vorzüge, die sie trennten. Bezogen auf den Predigttext aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther sagte er: „Paulus lenkt unseren Blick weg von Tradition, Besitzstand, Erfolgsrezepten hin zu den real existierenden Gemeinden. Unsere Gemeinden mit ihrem Gemeindeleben sind die Empfehlung für Kirche. Kirche ist Kirche vor Ort. Kirche ist die versammelte und den Glauben in Wort und Tat bezeugende Gemeinde.“

„Ihr seid ein Brief Christi“. Dieser Satz, den der Apostel Paulus der Gemeinde in Korinth geschrieben habe, gelte auch heute für die Gemeinden: „Die Pfarrgemeinde St. Antonius und die Evangelische Kirchengemeinde Gemarke-Wupperfeld sind ein Brief Christi. Ein Dokument der Gnade Gottes, ein Zeugnis für das Heil Gottes, Schrift des neuen Bundes. Und Jesus Christus ist Inhalt und Autor dieses Briefes. Das bedeutet doch: Ihr bezeugt, was ihr euch selber nicht ausgedacht habt und was ihr euch selbst niemals sagen könntet.“ Die Gemeinden seien unabhängig von der Konfession ein Liebesbrief Gottes, „indem ihr in dunkle Lebenssituationen von Menschen hinein bezeugt: Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes, die er uns in Jesus Christus gezeigt hat. Trostbrief Jesu Christi für Menschen in Angst und Sorge seid ihr, indem ihr euch gemeinsam an Jesu Worte festhaltet: In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Einladungsschreiben für die Menschen seid ihr, indem ihr sie freundlich an seinen Tisch einladet: Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist.“

Präses Rekowski hob hervor, dass es nicht so sehr darauf ankomme, welche Form die „Briefe Christi“ haben: „Es gibt förmliche Schreiben und auf Papierfetzen geschriebene Notizen mit außerordentlich wichtigem Inhalt. Es gibt kurze Nachrichten auf Twitter und SMS-Nachrichten. In unseren Gemeinden kann die Form der Briefe, die wir darstellen, ganz unterschiedlich sein: Die eine Gemeinde oder Kirche bevorzugt möglichst offizielle Briefe, versehen mit einem amtlichen Briefkopf. Andere trauen sich, die Botschaft Christi als Plakatwand mitten in den Zentren der Städte aufzustellen oder als getwitterte Nachricht ins Internet zu stellen, also sie in ganz aktuellem Outfit weiter zu geben. Die unterschiedlichen Erscheinungsweisen der Briefe Christi sind nicht das Problem. Auf den Inhalt kommt es an.“

Die Sprengkraft des Evangeliums hat die ganze Welt verändert

Auf die Widerstandskraft des Evangeliums hat Oberkirchenrätin Barbara Rudolph in der zentralen regionalen Reformationsfeier in der Kölner Trinitatiskirche aufmerksam gemacht. „Das, was wir heute Abend feiern, hat eine Sprengkraft, die nicht nur die Geschichte in Deutschland und Europa verändert hat, sondern die ganze Welt“, sagte die Leiterin der Abteilung 1 Theologie und Ökumene im Landeskirchenamt der rheinischen Kirche. Dass die Reformation sich in der damaligen Welt so schnell ausgebreitet habe, sei weit mehr als ein Medienereignis gewesen. „In ihrem Zentrum stand die Gottesentdeckung, das Gottesereignis, das Himmel und Erde bewegt: die Rechtfertigung allein aus Gnade. Keine theologische Formel, sondern eine rasante Geschichte!“, so Rudolph. Sie sprach in ihrer Predigt von der Widerstandskraft des Evangeliums, die etwa in den weltweiten ökumenischen Beziehungen immer wieder zu spüren sei: Die Reformation habe erst gerade begonnen.

„Ich bin vergnügt, erlöst, befreit“

Bis zum Reformationstag 2017 gibt es in den 719 Gemeinden und 38 Kirchenkreisen der Evangelischen Kirche im Rheinland zahllose Gottesdienste, Vorträge, Feste usw., mit denen die Protestantinnen und Protestanten zwischen Niederrhein und Saarland an 500 Jahre Reformation erinnern. Und auch auf landeskirchlicher Ebene gibt es viele Veranstaltungen und Aktionen: Sie stehen unter dem Motto „Ich bin vergnügt, erlöst, befreit“, in Anlehnung an einen Psalm des niederrheinischen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch.

Einen Überblick über die Planungen der Evangelischen Kirche im Rheinland, zu denen auch 95 Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten, das Pop-Oratorium Luther u. v. m. gehören, finden Sie hier.