Pressemitteilung

Erinnerung an Pogromnacht: „Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen“

Zahlreiche Gottesdienste zum Gedenken an Pogromnacht vor 70 Jahren

  • Nr. 145/2008
  • 10.11.2008
  • 2383 Zeichen

„Der 9. November 2008 ist ein Tag nicht nur der Trauer und der Schande, sondern auch Tag der Verpflichtung der Kirche, auch in einer Demokratie wachsam zu sein gegen antisemitische Ausfälle und Verhaltensweisen.“ Das hat Präses Nikolaus Schneider (61) aus Anlass des Gedenkens an die Opfer der Reichspogromnacht vor 70 Jahren unterstrichen. In dieser Frage habe die Kirche vom Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer gelernt, verwies der Repräsentant der Evangelischen Kirche im Rheinland auf ein Zitat des im KZ Flossenbürg getöteten Pfarrers: „Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen.“

Als am 9. November 1938 überall die Synagogen brannten, hatte Bonhoeffer in seiner Studienbibel Psalm 74, Vers 8, unterstrichen: „Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Lande!“ Daneben setzte er das Datum 9. November 1938.

Neusel: „Das Böse sprießt wie Unkraut und muss immer neu gejätet werden“

Wie wichtig die Erinnerung und das Gedenken sind, beschreibt Oberkirchenrat Wilfried Neusel im Interview mit www.ekir.de: „Wenn wir die Novemberpogrome im Deutschen Reich 1938 vergäßen, wäre dies nicht nur eine Beleidigung der Opfer, sondern auch eine fatale Verdrängung von Schuld und Verantwortung“, so der Leiter der Abteilung „Mission – Ökumene – Religionen“ im Landeskirchenamt.

„Die Inszenierung der Pogrome war ein barbarischer Akt von Staatsterror, der nicht nur eine lange humanistische und aufklärerische Kultur in Deutschland vernichtete, sondern auch berufsständische Ehrenkodizes korrumpierte. Feuerwehr und Polizei wurden zu Mittätern, statt ohne Ansehen der Person zu helfen. Die Justiz wurde zum Schweigen verurteilt, aber auch jeder spontane Akt von Hilfsbereitschaft kriminalisiert“, so Oberkirchenrat Neusel weiter: „Davon blieben auch die Kirchen und ihre Mitglieder nicht unberührt. Nur eine Minderheit half im Stillen oder protestierte öffentlich.“ Die Erinnerung sei für die Nachkommen der Täter und der Opfer auch deshalb unabdingbar, „weil das Böse wie Unkraut sprießt und immer neu gejätet werden muss“.

In Kirchenkreisen und Gemeinden der rheinischen Kirche finden zahlreiche Gottesdienste und Veranstaltungen zum Gedenken an die Pogromnacht statt. Eine Auswahl der Termine findet sich im Internet unter www.ekir.de.