Pressemitteilung

Luthers Frage nach der Rechtfertigung vor Gott bleibt aktuell

Reformationstag

  • Nr. 149
  • 31.10.2005
  • 3410 Zeichen

 Sperrfrist 31.10.2005, 6 Uhr – Es gilt das gesprochene Wort!



Anlässlich des heutigen (31. Oktober 2005) Reformationstages unterstreicht Präses Nikolaus Schneider die Aktualität der Frage Martin Luthers nach der Rechtfertigung des Menschen vor Gott. Auch wenn die „Frage nach unserem ewigen Seelenheil“ unser alltägliches Denken und Handeln nur noch wenig bestimme, habe sich Luthers Frage, wie der Mensch vor Gott bestehen kann, nicht erledigt, betont der 58-jährige Theologe, weil es „ja nicht nur um die Frage nach dem ewigen Leben des einzelnen Menschen im Jenseits geht. Hatte dieser Aspekt im Mittelalter das Schwergewicht, so ist für uns der andere Aspekt, nämlich unser gerechtes Leben auf der Erde, wichtiger geworden. Die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes und nach unserer Rechtfertigung vor Gott umschließt beides, das Diesseits und das Jenseits, also unsere Lebens- und Sterbenserfahrungen und unsere Auferstehungshoffnungen.“


Heute, 488 Jahre nachdem der Mönch und Reformator seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen hat, lebten die Menschen in anderen Zwängen und mit anderen Ängsten als die Menschen des Mittelalters, erklärt Präses Schneider: „So brauchen wir heutigen Christinnen und Christen in der Regel nicht die Erlösung und Befreiung von einem übersteigerten Bemühen, uns durch gute Werke, asketische Bußübungen oder den Kauf von Ablassbriefen die Gerechtigkeit vor Gott zu verdienen oder zu erkaufen. Aber brauchen wir nicht Befreiung und Erlösung von übersteigerten Erwartungen an uns selbst und unsere Lebenspartner? Brauchen wir nicht Erlösung und Befreiung von Lebenslügen und menschlichen Allmachtsphantasien? Brauchen wir nicht Erlösung und Befreiung von Todesverdrängung und Gegenwartsüberhöhung?“


Unverdientes Geschenk Gottes


Die Rechtfertigung „allein durch Glauben“, die Luther nach Jahren quälenden Suchens als Antwort auf seine Frage „Wie werde ich gerecht vor Gott?“ im Römer-Brief des Apostels Paulus gefunden habe, bedeute auch: „Im Glauben an die Liebe und Gegenwart Gottes bekommen wir unsere unantastbare Menschenwürde geschenkt!“ Gott habe uns Menschenwürde verliehen „nicht weil wir besonders fromm, besonders klug oder besonders schön sind. Unsere Menschenwürde ist nicht abhängig von einer intakten Gesundheit, besonderer Leistungsfähigkeit oder einer ausgewogenen Persönlichkeit. Er schenkt uns unsere Gerechtigkeit und unsere menschliche Würde  – ohne unser Verdienst und unsere Würdigkeit!“ so der oberste Repräsentant der mit knapp drei Millionen Mitgliedern zweitgrößten deutschen Landeskirche.


Radiogottesdienst zum Reformationstag aus Paris


Präses Nikolaus Schneider entfaltet seine Gedanken zum Reformationstag heute (31. Oktober 2005) in einer Predigt in der evangelischen Christuskirche in Paris. Der Westdeutsche Rundfunk überträgt den Radiogottesdienst von 19.05 bis 20 Uhr auf WDR 5 (vgl. Pressemitteilung 146/2005). Pfarrerin Claudia Weik-Schaefer und Pfarrer Markus Schaefer von der dortigen Gemeinde gestalten die Liturgie und die Moderation. Für die musikalische Begleitung sorgen Helga Schauerte und Simon Rummel (Orgel) sowie Eva Schieffer (Flöte).