Pressemitteilung

„Vielleicht kann das Miteinander in Marxloh auch bis in die Türkei ausstrahlen“

Grußwort von Präses Schneider zur Moschee-Eröffnung in Duisburg

  • Nr. 128/2008
  • 24.10.2008
  • 7334 Zeichen

Achtung, Sperrfrist: Sonntag, 26. Oktober 2008, 13.30 Uhr! Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Präses Nikolaus Schneider ist als Repräsentant der Evangelischen Kirche im Rheinland am kommenden Sonntag, 26. Oktober 2008, Gast bei der Eröffnung der neuen Moschee in Duisburg-Marxloh.

Nachfolgend finden Sie das Manuskript seines Grußwortes, das er dort halten wird, zu Ihrer Verwendung. Bitte beachten Sie die oben angegebene Sperrfrist und den Wortlautvorbehalt!

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichem Gruß

 

Jens Peter Iven
Pressesprecher

 

 

 

„Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Muslime in Duisburg, liebe Gäste!

Nach vielen Jahren der Planung und nach dreieinhalb Jahren Bauzeit feiern wir heute gemeinsam die Eröffnung der Moschee mit Begegnungsstätte hier in Marxloh. Ich möchte mich bei Ihnen, sehr geehrte Frau Saat und Ihnen, sehr geehrter Herr Özay für die Einladung herzlich bedanken und überbringe Ihnen und der ganzen Gemeinde die besten Glück- und Segenswünsche der Evangelischen Kirche im Rheinland. Es ist ein Tag der Freude und wir freuen uns mit Ihnen.

Mit dieser prachtvollen Moschee signalisieren Sie: wir treten heraus aus den Nischen der Gesellschaft, heraus aus den Provisorien, in denen wir jahrzehntelang gebetet und uns versammelt haben. Wir sind auch mit unserem Glauben hier in Duisburg, in Deutschland angekommen. Wir sind hier zu Hause! Und wir wollen uns auch mit allem, was uns ausmacht, in diese Gesellschaft einbringen.

Der Glaube ist ein elementarer Bestandteil unseres Menschseins und er braucht Orte, an denen er sichtbar zur Darstellung kommt. Mit dieser Moschee in Marxloh haben Sie einen solchen Ort, an dem Sie sich Ihres Glaubens vergewissern können, einen Ort, wo Sie Ihre Traditionen wahren können, aber eben auch einen Ort, an dem Sie Ihre Identität als Muslime in Deutschland gestalten und neue Wege erproben können.

Denn das ist sicherlich das Besondere an diesem Moscheeprojekt, dass sie beidem Raum geben will: der Wahrung des Glaubens einerseits sowie der Bildung und der Begegnung andererseits. Beides will einführen und ermutigen zum Leben hier in Deutschland, zur Integration ohne Assimilation. Die Aufgabenstellung lautet also: den eigenen muslimischen Glauben stärken und zugleich eine Brücke sein zur deutschen Gesellschaft. Mit den Angeboten der integrierten Begegnungsstätte im Bereich der Frauenbildung zeigen Sie in besonderer Weise, dass die Integration der Muslime in unsere Gesellschaft ein elementarer Bestandteil der Arbeit in der Begegnungsstätte sein soll.

Von Anbeginn des Projektes haben Sie als Verantwortliche offen und transparent über das Vorhaben berichtet, insbesondere sind Sie auf viele Menschen in den Stadtteilen und Nachbarschaften, Kirchengemeinden, Schulen und Kindertagesstätten zugegangen, um sie als Bündnispartner für dieses Projekt zu gewinnen. Mit der Einrichtung eines Beirates haben Sie frühzeitig viele gesellschaftliche Gruppen der Stadtgesellschaft in das Projekt direkt einbezogen. Und ich habe davon gehört, dass Sie in diesem Beirat keineswegs nur Freundlichkeiten ausgetauscht haben, sondern wirklich aufeinander gehört, manchmal sogar miteinander gerungen haben, aber doch immer mit dem Ziel, das Projekt der Begegnung der Religionen und Kulturen zum Erfolg zu führen.

Hier sind sicherlich die Gründe zu suchen, dass dieser Moscheebau anders als in anderen Städten nicht von lauten Protesten begleitet war, sondern eine breite Unterstützung aus Politik, Kirchen und Zivilgesellschaft erfahren hat. Und ich möchte mich bei allen, die daran mitgewirkt haben recht herzlich bedanken. Einen sichtbaren Ausdruck findet dies in der breiten Beteiligung an der heutigen Feier.

Das macht die Freude noch größer, dass wir sie miteinander teilen.

In diese Freude heute mischen sich freilich auch Stimmen, vielleicht nicht so laute Stimmen, die den Moscheebau nicht mit guten Gefühlen begleiten. Die sollten wir gerade heute nicht überhören. In unseren eigenen evangelischen Gemeinden gibt es zum Beispiel Menschen, die da fragen: wie kann das denn sein, dass wir Kirchen schließen müssen, unsere Gemeinden kleiner werden und gleichzeitig große Moscheen gebaut werden. Es sind Menschen, die mit diesem Wandel nicht so ohne Weiteres klar kommen. Hier überwiegen Skepsis und Trauer. Diese Menschen gilt es nicht zu verlieren, sondern mitzunehmen auf den gemeinsam zu gestaltenden Weg.

Darum möchte Sie alle bitten auch weiterhin jene Sensibilität aufzubringen, die dieses Projekt von Anbeginn an so ausgezeichnet hat: nämlich auch auf die Vorstellungen und Gefühle der anderen wirklich zu hören.

Wenn wir so voneinander wissen und dieses Wissen in unser Handeln einfließen lassen, dann wird diese Moschee mit Begegnungsstätte tatsächlich das werden, was wir uns alle erhoffen: ein Zeichen des Friedens für Duisburg, ein Zeichen des Friedens für die Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion, ein Zeichen des Friedens für alle Menschen, die sich hier begegnen.

Denn das friedliche Miteinander der Religionen ist grundlegend für den Frieden zwischen den Menschen. Dazu wollen auch wir als Kirchen an diesem Ort beitragen. Diesen Tag verstehen wir wie eine uns entgegen gestreckte Hand: Wir nehmen sie gerne an.

In diesem Geiste habe ich gelesen, dass Sie Herr Prof. Bardakoglu erst vor wenigen Tagen in einem Interview davon gesprochen haben, dass zwar manche Fortschritte im Verständnis der Religionsfreiheit in der Türkei in vergangenen Jahren zu verzeichnen sind, dass aber „vieles (noch) zu tun bleibt“. Im Namen der Evangelischen Kirche im Rheinland möchte ich Sie Herr Prof. Bardakoglu und Herrn Botschaftsrat Arslan als Vertreter der Türkei herzlich bitten, in Ihren Bemühungen um mehr Religionsfreiheit in der Türkei nicht nachzulassen. Vielleicht kann das Miteinander von Kirchen und Moschee in Marxloh nicht nur in andere Regionen Nordrhein-Westfalens und Deutschlands ausstrahlen, sondern bis in die Türkei?

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

der heutige Tag ist eine wichtige Etappe. Die eigentlichen Bewährungsproben des Alltags, die werden jetzt folgen. Bei dem Bemühen, die Begegnungsstätte mit konkretem Leben zu füllen und das Miteinander von christlicher und muslimischer Gemeinde zu stärken, wünsche ich Ihnen allen Gottes Segen.

Bei allen Unterschieden im Glauben teilen wir mit Ihnen als Muslimen den Glauben an den einen Gott, der die Welt geschaffen hat und der uns in die Verantwortung stellt, diese uns geschenkte Welt gemeinsam zu gestalten. Als Zeichen dieser Verbundenheit möchte ich Ihnen für Ihr Islam-Archiv gerne einen Goldfarbdruck der ersten Seite der berühmten Gutenberg – Bibel aus dem Jahr 1452 mit dem biblischen Text des ersten Schöpfungsberichtes überreichen.

Gottes Segen begleite Sie alle in Duisburg in Ihren Bemühungen um Frieden und ein gelingendes Miteinander der Religionen und Kulturen!“