Pressemitteilung

Präses: „Gottes Liebe und Gerechtigkeit nicht nur im Jenseits verankern“

Nikolaus Schneider predigt Ostern in der Johanneskirche

  • Nr. 44/2008
  • 20.3.2008
  • 12134 Zeichen

Achtung, Sperrfrist: Ostersonntag, 23. März 2008, 10 Uhr! Es gilt das gesprochene Wort.

In seiner Osterpredigt hat Präses Nikolaus Schneider davor gewarnt, Gottes Liebe und Gerechtigkeit allein im Jenseits zu verankern. „Auferstehung ist auch ein Programm zur Verbesserung der Welt, zur Hoffnung für dieses Leben“, sagte der oberste Repräsentant der Evangelischen Kirche im Rheinland am Ostersonntag in der Düsseldorfer Johanneskirche. In seiner Predigt über einen Abschnitt aus dem 1. Korintherbrief (1. Kor. 15, 19 und 20a) unterstrich Schneider, dass die Auferstehung Christi von den Toten „auch ein Programm zur Verbesserung der Welt, zur Hoffnung für dieses Leben, ist“. Und weiter: „Wenn wir Gottes Liebe und Gottes Gerechtigkeit nur im Jenseits verankern, verfehlen wir unser Leben. Dann verdrehen oder missachten wir Gottes Gebote und Christi Weisungen. Dann leben wir nicht in der Nachfolge unseres Herrn Jesus Christus. Dann wäre Christus umsonst gestorben und auferstanden.“ Der Einsatz beispielsweise gegen Hunger und Armut und für Frieden und Gerechtigkeit stehe dringend für dieses Leben auf der Tagesordnung.

Gleichzeitig machte Schneider deutlich, dass bei allem Einsatz in dieser Welt Gottes verheißene, kommende Welt nicht aus dem Blick geraten dürfe: „Denn machen wir uns nichts vor: Wir können zwar mit unserem Leben, mit unseren Worten und Taten Zeugnis geben vom Gottesreich. Wir können die Verhältnisse verbessern. Wir können Spuren legen auf das hin, was kommen soll und anfänglich sichtbar werden lassen, was uns erwartet. Wir können Schritte des Friedens und der Gerechtigkeit ermöglichen und beschreiten. Aber: wir werden das Gottesreich auf dieser Erde nicht schaffen! Wir sind nicht Gott, die Welt ist nicht unsere Schöpfung und nicht unser Eigentum! Grundlegend verändern können und werden wir unsere Welt nicht. Die ganz große, radikale Veränderung, die neue Welt Gottes wird kommen – am jüngsten Tage.“

Die Auferstehung Christi, die die Christen an Ostern feiern, gebe umfassend Hoffnung, machte Präses Schneider deutlich: „Wir haben eine begründete Hoffnung, dieses Leben auf dieser Erde verbessern zu können! Wir haben eine begründete Hoffnung gegen alle unsere Todeserfahrungen und über unser eigenes Sterben hinaus! Wir haben eine begründete Hoffnung auf den neuen Himmel und die neue Erde Gottes und für unser neues Leben im Gottesreich!“

 

Nachfolgend das Predigtmanuskript von Präses Nikolaus Schneider zu Ihrer Verwendung. Bitte beachten Sie die o.a. Sperrfrist und den Wortlautvorbehalt.

 

„Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus,
so sind wir die elendesten unter allen Menschen.
Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten! (1. Kor. 15, 19 und 20 a)

 

Liebe Gemeinde,

was ist eigentlich so schlimm daran, nur in diesem Leben auf Christus zu hoffen? Das ist doch schon eine ganze Menge. Und es ist viel mehr als ein Leben zu führen, in dem Christus überhaupt keine Rolle spielt.

Außerdem:

Ist es nicht sogar gefährlich, wenn wir unsere christliche Hoffnung auf das Jenseits richten? Wurde christliche Hoffnung in unserer Welt- und Kirchengeschichte nicht allzu schnell als billiger Trost missbraucht?

Wurden Menschen nicht immer wieder durch die gepredigten christlichen Jenseitshoffnungen davon abgehalten, sich hier auf der Erde für Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen?

Wäre es nicht an der Zeit, den eben gehörten Versen des Korintherbriefes einen anderen, einen „neuen“ Akzent zu geben? Müssten wir nicht sagen:

Hoffen wir allein im jenseitigen Leben auf Christus, so sind wir die elendesten Christenmenschen!

Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten, damit wir – seine Nachfolgerinnen und Nachfolger – aufstehen gegen Unrecht und Gewalt auf dieser Erde!

Kurt Marti, ein Schweizer Theologe, hat in diesem Sinn ein „Neues Osterlied“ gedichtet, das uns Christenmenschen davor bewahren will, die befreiende Kraft der Osterbotschaft für unser Leben hier und jetzt zu verschweigen:

„Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn erst nach dem Tode Gerechtigkeit käme,
erst dann die Herrschaft der Herren,
erst dann die Knechtschaft der Knechte
vergessen wäre für immer.

Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn hier auf der Erde alles so bliebe,
wenn hier die Herrschaft der Herren,
wenn hier die Knechtschaft der Knechte
so weiterginge wie immer.

Doch der Befreier vom Tod ist auferstanden,
ist schon auferstanden, und ruft uns jetzt alle
zur Auferstehung auf Erden,
zum Aufstand gegen die Herren,
die mit dem Tod uns regieren.“

[erläuternde Anmerkung siehe am Textende]

 

Hören wir nun noch einmal den „Originaltext“ des Korintherbriefes:

„Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten!“

Es hilft unsrem Verstehen dieses Textes, liebe Gemeinde, wenn wir uns zunächst klar machen, worauf die Menschen zur Zeit des irdischen Jesus gehofft haben?

Welche Hoffnungen hat Jesus in den Menschen, die von ihm hörten, die ihm begegneten und die mit ihm lebten, geweckt, erfüllt oder enttäuscht?

Kranke hofften auf ihre Heilung, Besessene auf einen neuen Geist.

Ausgegrenzte hofften auf neues Ansehen und Akzeptanz in ihrer Gemeinschaft,

Trauernde ersehnten das Wunder des Weiterlebens“ ihrer Tochter, ihres Sohnes, ihres Bruders.

Viele Menschen hofften auf die Befreiung von der totalitären und entwürdigenden Fremdherrschaft durch die Römer, auf politische und soziale Gerechtigkeit, auf die Gegenwart und Nähe ihres Gottes, die sich in staatlicher Selbstständigkeit und Größe erweisen sollte.

Und Jesus?

Jesus vertröstet die Menschen in ihrer konkreten Not nicht mit dem jenseitigen Leben im zukünftigen Gottesreich.

Jesus heilt Kranke und Aussätzige.

Jesus grenzt nicht aus, sondern sucht und pflegt die Gesprächs- und Tischgemeinschaft mit Zöllnern, Huren und Andersgläubigen.

Jesus befreit Menschen aus inneren Zwängen, er treibt die „bösen Geister“ aus.

Jesus holt Menschen zurück aus dem Tod, schenkt ihnen weitere irdische Lebenszeit, der Tochter des Jairus, dem Sohn der Witwe und Lazarus, dem Bruder Marias und Marthas, seinem Freund.

Aber: Jesus enttäuscht an seine Person gebundene politische Hoffnungen auf Freiheit und neue staatliche Macht und Größe. Den Weg der Gewalt und der politischen Macht beschreitet er nicht:

„Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“

Mit diesem Satz weist Jesus nicht allein falsche Erwartungen und – nebenbei bemerkt: auch falsche Verdächtigungen und Anklagen – zurück. Jesus proklamiert gleichzeitig den für seine Person unlösbaren Zusammenhang des diesseitigen Lebens mit dem zukünftigen Gottesreich! Er sagt: hier diene ich Euch unter den Bedingungen anderer weltlicher Herrschaft, meine unmittelbare Herrschaft kommt noch.

Das bedeutet nicht, dass er auf seine Weise das Leben hier und jetzt nicht schon verändern wollte – und zwar in guter prophetischer Tradition. Frömmigkeit und Gerechtigkeit sind für ihn Schwestern.

Das aber ist eben nicht alles: von Gottes Gegenwart begleitetes und gesegnetes Leben ist für Jesus irdisch und zukünftig zugleich. „Seligkeit“ und Seligpreisungen beziehen sich auf beide Dimensionen: auf unser Leben hier und das uns verheißene zukünftige Leben in der Ewigkeit.

Jesus Christus lebt und wir sollen auch leben!

Diese Osterbotschaft, die auch als Losung unser Jahr 2008 begleitet, will uns deshalb nicht allein in und für dieses Leben mit Hoffnung erfüllen.

Auferstehung ist auch ein Programm zur Verbesserung der Welt, zur Hoffnung für dieses Leben!

Ja, das gilt auch für den Aufstand gegen „die Herren, die mit dem Tod uns regieren“!

Die Überwindung von Hunger und Armut steht auch nach Jahren engagierter Entwicklungspolitik dringend auf der Tagesordnung, auch wenn es viele gibt, die dieses Bemühen für gescheitert halten und meinen, es sei besser, auf die Kräfte des Marktes zu setzen.

Die Unterschiede zwischen Arm und Reich nehmen ungebremst zu, überwundene Armutskrankheiten treten wieder auf, Krieg und Gewalt gehört zur täglichen Normalerfahrung in ganz vielen Teilen der Welt, Rendite- und Gewinnerwartungen werden hemmungslos gesteigert,

Ausbeutung, das Abschmelzen des Mittelstandes und Verknappen der Lebensgrundlage der Armen ist die Folge des daraus entstehenden wirtschaftlichen Drucks – und das alles geschieht täglich unter uns! Und das ist ein beständiges Ärgernis, ein fortschreitender Skandal!

Weil das alles unsere gegenwärtige Realität ist, gilt: hoffen wir allein für das jenseitige Leben auf Christus, so sind wir elende Christenmenschen.

Wenn wir Gottes Liebe und Gottes Gerechtigkeit nur im Jenseits verankern, verfehlen wir unser Leben, dann verdrehen oder missachten wir Gottes Gebote und Christi Weisungen, dann leben wir nicht in der Nachfolge unseres Herrn Jesus Christus.

Dann wäre Christus umsonst gestorben und auferstanden!

Das „neue Osterlied“ von Kurt Marti soll und muss auch heute in unseren Kirchen und Gemeinden gesungen werden!

Gleichzeitig bleibt richtig, was der Apostel Paulus uns ins Stammbuch schreibt: hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, dann sind wir die elendesten unter allen Menschen. Auf das allein kommt es an!

Denn machen wir uns nichts vor:

Wir können zwar mit unserem Leben, mit unseren Worten und Taten Zeugnis geben vom Gottesreich,
wir können die Verhältnisse verbessern,
wir können Spuren legen auf das hin, was kommen soll und anfänglich sichtbar werden lassen, was uns erwartet,
wir können Schritte des Friedens und der Gerechtigkeit ermöglichen und beschreiten.

Aber: wir werden das Gottesreich auf dieser Erde nicht schaffen! Wir sind nicht Gott, die Welt ist nicht unsere Schöpfung und nicht unser Eigentum!

Grundlegend verändern können und werden wir unsere Welt nicht. Die ganz große, radikale Veränderung, die neue Welt Gottes wird kommen – am jüngsten Tage.

Christus ist auferstanden von den Toten – deshalb hoffen und warten wir auf einen neuen Himmel und eine neue Erde,

wo der Krieg nicht mehr sein wird, und der Tod keine Macht mehr hat,
wo Gott abwischen wird alle unsere Tränen,
wo Gott mitten unter uns wohnen wird und all unsere Fragen und Zweifel und Anfechtungen zu ihrem Ziel kommen.

Christus ist auferstanden von den Toten!
Christus lebt und wir sollen auch leben!
Wir haben eine begründete Hoffnung, dieses Leben auf dieser Erde verbessern zu können!
Wir haben eine begründete Hoffnung gegen alle unsere Todeserfahrungen und über unser eigenes Sterben hinaus!
Wir haben eine begründete Hoffnung auf den neuen Himmel und die neue Erde Gottes und für unser neues Leben im Gottesreich!

„Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus erstanden von den Toten!“

Wir hoffen in diesem und im zukünftigen Leben auf Christus.
So sind wir die seligsten unter allen Menschen! Gott sei Dank!

Gesegnete Ostern!

 

Amen

 

 

[erläuternde Anmerkung zum Gedicht von Kurt Marti

Dieses hat er später noch einmal überarbeitet. Hier die revidierte Fassung:

Das könnte manchen Herren so passen,
wenn mit dem Tode alles beglichen,
die Herrschaft der Herren,
die Knechtschaft der Knechte,
bestätigt wäre für immer.

Das könnte manchen Herren so passen,
wenn sie in Ewigkeit
Herren blieben im teuren Privatgrab
und ihre Knechte
Knechte in billigen Reihengräbern.

Aber es kommt eine Auferstehung,
die anders ganz anders wird als wir dachten.
Es kommt eine Auferstehung die ist
der Aufstand Gottes gegen die Herren
und gegen den Herrn aller Herren: den Tod.]