Pressemitteilung

Schutzpässe retteten Zehntausenden Juden das Leben - Ausstellung über mutigen Einsatz von Diplomaten in der NS-Zeit

Bericht vom 17.2.02

  • 18.2.2002


Koblenz (epd). „Warum gab es so wenige Wallenbergs?“ fragte UN-Generalsekretär Kofi Annan einmal. Der junge schwedische Diplomat Raoul Wallenberg rettete 1944 in Budapest Zehntausenden Juden das Leben: Er entwarf so genannte Schutzpässe mit Aussicht auf Visum und Ausreise, die an Juden verteilt und von der SS akzeptiert wurden.


Eine Ausstellung im Koblenzer Bundesarchiv befasst sich seit Freitag mit dem entschlossenen Handeln und dem Schicksal von Wallenberg und neun weiteren Diplomaten, die Juden vor dem sicheren Tod in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten retteten. Die Präsentation mit Porträts, zeitgenössischen Aufnahmen und Dokumenten mache aber auch deutlich, dass sich „die Lebensretter eindeutig in der Minderheit befanden“, sagte der israelische Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, bei der Eröffnung.


Nur 20 Diplomaten nutzten seinerzeit das Privileg ihrer Immunität für Rettungsaktionen. Die meisten Gesandten hätten sich im Gegenteil auf Vorschriften berufen, um Juden die Einreise in ihre Länder zu verweigern, heißt es im Katalog zur Ausstellung, die vom israelischen Außenministerium und der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem erarbeitet wurde.


Die 20 Lebensretter tragen die Jad-Vaschem-Auszeichnung „Gerechte unter den Völkern“. Ihnen gemeinsam sei das Verdienst, zur richtigen Zeit am richtigen Ort ohne Rücksicht auf persönliche Nachteile gehandelt zu haben, heißt es. Und Stein betont, die selbstlose Initiative dieser Diplomaten, die ihr eigenes Leben aufs Spiel setzten, gelte „weltweit als Vorbild für Zivilcourage und Mut“. Der Mensch solle „seinem Gewissen folgen und nicht mit dem Strom schwimmen“.


Die meisten der mutigen Diplomaten wurden seinerzeit als Konsequenz ihres Handelns aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. Georg Ferdinand Duckwitz, der einzige Deutsche unter den Lebensrettern, konnte seine Diplomaten-Karriere allerdings fortsetzen: Er wurde Botschafter in Kopenhagen und Neu Dehli sowie unter dem damaligen Außenminister Willy Brandt (SPD) Staatssekretär im Auswärtigen Amt.


Als deutscher Schiffsattaché in Kopenhagen brachte Duckwitz im Oktober 1943 über 7.000 dänische Juden innerhalb weniger Tage auf kleinen Fischkuttern über den Öresund nach Schweden in Sicherheit. Für die Flucht hatte er die jüdischen Mitbürger zunächst in Privatwohnungen, Altenheimen und Pastoraten untergebracht.


Wallenbergs Schicksal ist bis heute ungeklärt. Er wurde im Januar 1945 vom sowjetischen Geheimdienst gefangen genommen und vermutlich später getötet. Wie Wallenberg rettete auch der Schweizer Konsul Carl Lutz mit Hilfe von Schutz- und Sammelpässen Zehntausenden Juden das Leben. Den beiden Helfern wurden in Budapest Denkmäler gesetzt.


Auch der damalige portugiesische Generalkonsul in Bordeaux, Aristides de Sousa Mendes, bezahlte für seinen Einsatz einen hohen Preis: Ohne Rückendeckung des Lissabonner Außenministeriums unterschrieb Mendes Zehntausende illegale Visa, um Juden zu retten. Dafür wurde er gestraft mit Amtsenthebung, Aberkennung der Pensionsansprüche und Berufsverbot.


Mendes lebte von Almosen der jüdischen Gemeinde und starb 1954 völlig mittellos und vergessen. Erst 1988 wurde er rehabilitiert und 1995 mit der höchsten zivilen Auszeichnung Portugals geehrt.


Die Ausstellung mit dem Titel „Ein Visum fürs Leben – Diplomaten, die Juden retteten“ ist im Bundesarchiv bis zum 28. März montags bis freitags von 8 bis 19 Uhr geöffnet. (k215/17.2.02)


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