Pressemitteilung

„Ist man vor Antisemitismus nur noch auf dem Monde sicher?“

Neue Arbeitshilfe erschienen

  • Nr. 23 / 2007
  • 9.1.2007
  • 3915 Zeichen

Die jüdische Philosophin Hannah Arendt formulierte dieses Zitat im Dezember 1941 im amerikanischen Exil. Eine gleichnamige Argumentations- und Arbeitshilfe für den Gemeinde- und Schulalltag und die kirchliche Erwachsenenarbeit legte jetzt die Evangelische Kirche im Rheinland im Rahmen der Landessynode vor. Denn „der Antisemitismus – die Feindschaft gegen Juden, weil die Juden sind – wächst wieder weltweit in bedrohlichem Ausmaß“, wie Nikolaus Schneider, Präses der rheinischen Kirche, im Vorwort der knapp 60-seitigen DIN-A-4-Broschüre feststellt. Antisemitismus sei gewachsen, obwohl sich in unserem Land eine ebenfalls „wachsende Erinnerungskultur“ entwickelt habe.

„Die Notwendigkeit einer kirchlichen Veröffentlichung entspringt der nach dem Zweiten Weltkrieg mühsam errungenen und bis heute nicht überall und umfassend akzeptierten theologischen Einsicht einer immer wieder auftretenden schändlichen Verflechtung von aus der Antike überkommener, später auch christlich-theologisch, philosophisch, naturwissenschaftlich und soziologisch begründeter Judenfeindschaft. Diese Verflechtung hat die mörderische Kraft der europäischen Judenfeindschaft massiv verstärkt, und sie hat damit zugleich die christliche Theologie korrumpiert“, so der Präses weiter.

Die selbstkritische Haltung hat in der rheinischen Kirche Tradition: Sie formulierte 1980 im Rahmen des Synodalbeschlusses „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Juden und Christen, dass die Christenheit in Deutschland eine Mitverantwortung an der Schoa trägt und dass auch die christliche Lehre dazu beigetragen habe.

Die Arbeitshilfe bringt judenfeindliche Vorurteile deutlich zur Sprache: Ist der Gott der Juden ein „Gott der Rache“ ? Ist „Auge um Auge – Zahn um Zahn“ eine typisch jüdische Lebenseinstellung? Gibt es eine besondere Beziehung der Juden zum Geld? Gibt es eine Verknüpfung der israelischen Politik mit der biblischen Landverheißung? Müssen die Juden moralisch besser sein als andere Völker? Die Widerlegung solcher Klischees beginnt mit geschichtlichen und theologischen Erläuterungen und skizziert ihre fatale Aktualität in Verschwörungstheorien und Äußerungen von Politikern demokratischer Parteien, „die sich bewusst oder unbewusst antisemtitistischer Denkmuster bedienten oder sich als Vertreter einer Schlussstrich-Mentalität zu erkennen gaben“ (S. 45).

Was ist zu tun? Die Arbeitshilfe schlägt vor: „Statt eines Schlusswortes ein Hinweis auf das Naheliegende: Das eigene Denken, Reden und Handeln kritisch prüfen“ (Kapitel 4). Außerdem beschreibt sie positive Beispiele, das Zusammenleben mit jüdischen Mitmenschen durch Einladungen und couragiertes Eintreten gegen antisemitische Vorurteile mitzugestalten und das „Erinnern vor Ort“ einzuüben. Einige Impulse: der jüdischen Geschichte im eigenen Stadtteil und in der eigenen Region nachgehen, Gedenkstätten besuchen und sich an Gedenkveranstaltungen beteiligen, vor allem aber auch in Alltagsgesprächen an Selbstverständlichkeiten erinnern, die immer wieder in Vergessenheit geraten. Wie? Genau hinsehen, konkret benennen, sorgfältig unterscheiden – so lautet die Empfehlung, die auch eine „christliche Existenz ohne Antijudaismus“ fordert und brisanten Fragen, die das christliche Selbstverständnis betreffen, nicht ausweicht (s. Kapitel 3).

Eine Checkliste für Gemeinde und Schule, Literaturangaben und Internetadressen runden die Arbeitshilfe ab, die derzeit an die 797 rheinischen Gemeinden verschickt wird. Interessierte können sie im Landeskirchenamt der rheinischen Kirche per E-Mail bei wilfried.neusel@ekir-lka.de bestellen. Im Internet steht das Heft als Download zur Verfügung, unter www.ekir.de, dort „Service“, dann „Dokumente“ anklicken.