Pressemitteilung

Erklärung der (Erz-) Bischöfe von Essen, Münster, Paderborn und der Präsides der Evangelischen Kirche im Rheinland und von Westfalen

Zum Ausstieg aus der Kohleförderung

  • Nr. 58 / 2007
  • 8.2.2007
  • 3857 Zeichen

Die Bergleute brauchen Verlässlichkeit!

Die Entscheidung der Politik, den deutschen Steinkohlenbergbau auslaufen zu lassen, betrifft die Menschen im Ruhrgebiet und im Ibbenbürener Raum unmittelbar. Sie erwarten auch von uns Antworten darauf, wie sie diese Situation gestalten können. Im Revier ist die enge Bindung der Bergmannsfamilien an die Kirche ebenso traditionell wie der nach wie vor allgegenwärtige Bergmannsgruß „Glück auf“.

Wir Bischöfe und Präsides fordern von der Politik nach den jüngsten Kabinettsbeschlüssen die gleiche Verlässlichkeit ein, die die Bergleute seit jeher auszeichnet.

Das bedeutet im Einzelnen:

  1. Der endgültige Ausstieg aus der Steinkohleförderung darf nur sozialverträglich erfolgen. Es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben.
  2. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung im Jahr 2012 den Ausstiegsbeschluss überprüfen will. Wir sind uns allerdings im Klaren darüber, dass es einen der ältesten und traditionsreichsten Berufe in dieser Region bald nicht mehr geben wird. Dabei können wir nicht vergessen, dass der Bergbau unsere Region über lange Zeit groß und wohlhabend gemacht und einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufstieg in ganz Deutschland geleistet hat. Bergmännische Tugenden wie Treue und Verlässlichkeit, aber auch Gottvertrauen und die Pflege des religiösen Brauchtums wie z. B. die Verehrung der heiligen Barbara, haben die Region nachhaltig geprägt. Wir betrachten den bevorstehenden grundlegenden Einschnitt in Lebensgewohnheiten, Familientraditionen und Arbeitsplatz-Angebot aber auch als Zukunftschance. Diese Chance kann jedoch nur genutzt werden, wenn die Schaffung zukunftsträchtiger neuer Arbeitsplätze im Revier erheblich forciert wird, sonst droht ein Strukturbruch in manchen Regionen. Wir Bischöfe und Präsides werden beim weiteren Wandel der Industrieregion Ruhr nicht nur aufmerksame Beobachter sein, sondern uns auch einmischen. Die über 50 Jahre währende Zusammenarbeit von Kirche und Bergbau in der gemeinsamen Sozialarbeit der Konfessionen (GSA) ist hierfür ein bewährtes Instrument. Die Überwindung der Arbeitslosigkeit durch Schaffung neuer Arbeitsplätze ist trotz leichter Entspannung am Arbeitsmarkt nach wie vor die große Herausforderung.
  3. Die hervorragenden Ausbildungseinrichtungen der RAG müssen erhalten bleiben und weiter betrieben werden. Die RAG bildet derzeit mehr als 5000 junge Menschen in überbetrieblichen Maßnahmen in rund 50 Berufen aus. Außerdem erhalten in den Bildungszentren über 600 benachteiligte junge Menschen in Förderkursen eine Ausbildung. Zusammen mit den betrieblichen Ausbildungen für die Tochterfirmen der RAG ist der Konzern der mit Abstand größte Ausbilder des Landes. Diese Kapazitäten und dieses Wissen dürfen nicht verloren gehen. Wir Bischöfe und Präsides fordern im Sinne der jungen Generation den Erhalt dieser bewährten und modernen Ausbildungsstätten.

Wir werden alles in unseren Möglichkeiten Stehende tun, um den Bergleuten zu helfen – gerade weil es in absehbarer Zeit keinen Steinkohlebergbau in Deutschland mehr geben wird. Die Leistungen dieser Männer und dieser Familien bleiben vorbildlich. Wenn die Bergleute ihre Zechen für immer verlassen, verdienen sie von uns allen die gleiche Solidarität, die sie durch Jahrhunderte vorgelebt haben.

 

Hans-Josef Becker

Erzbischof von Paderborn

Dr. Felix Genn

Bischof von Essen

Dr. Reinhard Lettmann

Bischof von Münster

Nikolaus Schneider

Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland

Alfred Buß

Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen