Pressemitteilung

Präses Schneider: „Tiefe Sehnsucht nach ökumenischer Gemeinschaft“

Eine erste Bilanz vom Kirchentag vor der Presse

  • Nr. 122 / 2007
  • 9.6.2007
  • 9871 Zeichen

Mit einem Marathonlauf verglich Präses Schneider auf der heutigen Pressekonferenz des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentages die Bemühungen um ökumenische Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche. „Umso dankbarer bin ich, dass der Kirchentag, gerade hier in Köln, so etwas wie eine Verpflegungsstation an der Laufstrecke war“, resümierte er. Hunderte Menschen, die am Donnerstag am Lima-Gottesdienst teilnehmen wollten, mussten weiterziehen, weil es keinen Platz mehr in der Kirche gab. .Auch der Kölner Dom, in dem gestern Abend ein ökumenischer Gottesdienst mit Kardinal Meisner, dem Metropoliten der griechisch-orthodoxen Kirche Augoustinos und Präses Schneider und gefeiert wurde, war überfüllt. „Mit ihrem Andrang haben die Menschen deutlich gemacht, wie groß die tiefe Sehnsucht nach ökumenischer Gemeinschaft ist“, so Schneider. Die Sehnsucht der Menschen nach mehr Miteinander, die am Ende des ökumenischen Gottesdienstes im spontanen Applaus  zum Ausdruck gekommen sei, war erfüllend, so Schneider: Und dann ist es natürlich wie bei jeder Erfüllung: Sie macht Lust auf mehr.“



Kraft im Kampf um die Würde der Menschen



Auch den „Ruf nach Heiligendamm“ der am Donnerstag Abend vom Kirchentag ausging, lobte der Präses: „Mich hat die Veranstaltung sehr berührt, weil die Mischung auch unter den Teilnehmenden auf der Bühne gezeigt hat, dass der Kirchentag unter dem Dach des Wortes Gottes Menschen und Kräfte bündeln kann, die die Globalisierung als Gestaltungsaufgabe annehmen. Er betonte: „Wir haben auch mit leisen, bewegenden, sehr persönlichen Appellen Kraft im Kampf um die Würde aller Menschen.“



Darüber hinaus stellte der Präses ein gesteigertes Interesse der Kirchentagsbesucherinnen und –besucher an den Fragen zu Arbeit und Arbeitslosigkeit fest. Die entsprechenden Veranstaltungen waren, anders als bei vorangegangenen Kirchentagen, wieder gut besucht. „Wir brauchen die Stimme des Protestantismus und seiner Sozialethik, um unsere Gesellschaft auch an dieser brisanten Stelle nicht aus den Fugen geraten zu lassen“, sagte Schneider.


Aus Sicht der gastgebenden Landeskirche falle die Bilanz des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentags in Köln positiv aus: „Die Evangelische Kirche im Rheinland blickt dankbar auf diesen Kirchentag in Köln: Was wir an Projekten und Ideen in den Kirchentag eingebracht haben, hat überwältigende Resonanz gefunden. Wir sind gerne Gastgeberin gewesen. Und ich hoffe, wir haben das auch gut gemacht“, sagte der Präses. Und weiter: „Wir sind mit offenen Augen, Ohren, Händen und Herzen auf unsere Gäste zugegangen. Und wir kehren reich beschenkt in unseren Gemeinde- und Glaubensalltag an Rhein, Ruhr, Mosel, Saar, Nahe, Glan und Wupper zurück.“ Die Begegnungen mit Besucherinnen und Besuchern des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentags hätten der Evangelischen Kirche im Rheinland „Anstöße, Ideen gebracht und Mut gemacht, mit neuem Schwung vom offenen Himmel Gottes zu erzählen und so Menschen zum Glauben einzuladen“.


 


Nachfolgend das Manuskript des Präses-Statements. Es gilt als gesprochen!


„Heute Mittag Bilanz des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentags ziehen zu sollen, dass ist ungefähr so, als komme der Kellner während der Hauptspeise – noch vor Dessert und Espresso – an den Tisch und fragt, ob der Gast denn mit dem Restaurantbesuch zufrieden war.
Folglich unterliegt meine heutige Bilanz einer gewissen Vorläufigkeit; aber was ist im Leben nicht vorläufig?


Um im Bild zu bleiben: Schon jetzt kann man dem Küchenchef und seinen Leuten ein sehr, sehr großes Kompliment machen. Die Vielfalt auf dem Kölner Kirchentagsbuffet war eben nicht nur eine bunte, schön angerichtete Mischung, die das Auge angesprochen und Appetit gemacht hat.
Viele Speisen, von denen ich in den Tagen von Köln probiert habe, waren gut gewürzt – von Gottes Wort und der Lebendigkeit und Glaubenskraft der Kirchentagsbesucherinnen und -besucher.
Aber das für mich wichtigste ist, dass das Menu nicht nur meinen Gaumen gekitzelt hat. Das Menu war eben auch mehr als ein süßer Snack, der nicht lange vorhält.


Vieles von dem, was wir hier in Köln erlebt haben, muss sich erst noch setzen, wenn Körper und Geist der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach anstrengenden Tagen und Nächten wieder zur Ruhe kommen. Das geht mir auch so.


Aber drei Punkte will ich in dieser vorläufigen Rückschau ausdrücklich bilanzieren:


1. Manche – auch von Ihnen – waren oder sind vom „Ruf nach Heiligendamm“ enttäuscht. Diese Enttäuschung möglicherweise zu großer Erwartungen teile ich nicht. Mich hat die Veranstaltung am Donnerstag sehr berührt, weil die Mischung auch unter den Teilnehmenden auf der Bühne gezeigt hat, dass der Kirchentag unter dem Dach des Wortes Gottes Menschen und Kräfte bündeln kann, die Globalisierung als Gestaltungsaufgabe annehmen. Es hat meiner Seele gut getan, dass wir nicht der Lust am  Lautsprecherischen oder am Krawalligen erlegen sind. Denn wir haben auch mit leisen, bewegenden, sehr persönlichen Appellen Kraft im Kampf um die Würde aller Menschen. Unsere Waffen sind nicht Pflastersteine und Molotow-Cocktails, sondern das lebendigende und verändernde Wort Gottes; das ist schärfer als jedes zweischneidige Schwert. Gerade daran hat uns doch der Kirchentag unter der Losung aus dem Hebräerbrief erinnert.
2. Anders als bei vorangegangenen Kirchentagen der jüngeren Vergangenheit waren die Veranstaltungen, in denen es um die aktuellen Fragen wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit ging, wieder ausgesprochen gut besucht.
Es ist gut, dass der Kirchentag sein Interesse an diesen Fragen wieder deutlicher macht. Wir brauchen die Stimme des Protestantismus und seiner Sozialethik, um unsere Gesellschaft auch an dieser brisanten Stelle nicht aus den Fugen geraten zu lassen. Und es ist auch gut, dass wir hierbei nicht mehr unbedingt auf die Haudrauf-Rhetorik vergangener Zeiten zurückgreifen.
3. In Fragen der ökumenischen Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Schwesterkirche schwanken wir Evangelischen ja mitunter zwischen brennendem Vorwärtsdrang und traurig-zorniger Enttäuschung. Dabei vertrete ich die Ansicht, dass wir hier nicht bei einem 100-Meter-Sprint, sondern bei einem Marathonlauf sind.


Umso dankbarer bin ich, dass der 31. Deutsche Evangelischen Kirchentag, gerade hier in Köln, so etwas wie eine Verpflegungsstation an der Laufstrecke war: Hunderte Menschen, die am Lima-Gottesdienst am Donnerstag teilnehmen wollten, mussten weiterziehen, weil es keinen Platz mehr in der Kirche gab.
Aber mit ihrem Andrang haben sie deutlich gemacht, wie groß die tiefe Sehnsucht nach ökumenischer Gemeinschaft ist.


Und das gilt auch für den ökumenischen Gottesdienst im Kölner Dom, den wir gestern Abend mit Bruder Meisner und Metropolit Augostinos gefeiert haben. Seit vier Uhr nachmittags drängten die Menschen in den Dom. Um 18 Uhr waren schon keine Sitzplätze mehr zu bekommen. Ein paar tausend Menschen haben stundenlang gestanden, um an der Feier teilhaben zu können.


Ein Meer von orangefarbenen Kirchentagsschals, eine feierliche Dichte, die auch auf einem Kirchentag nicht alltäglich ist, und am Ende spontaner Applaus – die Sehnsucht der Menschen nach mehr Miteinander, die darin zum Ausdruck gekommen ist,  hat mich tief berührt.
Das war erfüllend. Und dann ist es natürlich wie bei jeder Erfüllung: Sie macht Lust auf mehr. Auf der langen Marathondistanz bis zum Ziel stärkt mich die „Verpflegungsstation“ des gestrigen Abends, trotz manchmal schwerer Beine weiterzulaufen, um das nächste Etappenziel zu erreichen:


Ich wünsche mir, dass das, was gestern im Hohen Dom zu Köln in großer Brüderlichkeit möglich war, auch sonn- und feiertags in unseren Kirchen möglich wird: „Fels muss nicht Fels bleiben. Dornen müssen nicht auf Dauer unseren Alltag bestimmen. Steinige Wege müssen nicht auch noch morgen das passende Bild für unser Glaubensleben sein. All dies kann zu fruchtbarem Boden werden“, das habe ich gestern gepredigt, darum bete ich heute, und daran werden auch wir Rheinländerinnen und Rheinländer morgen weiterarbeiten – hoffentlich mit Gottes Segen.


Die Evangelische Kirche im Rheinland blickt dankbar auf diesen Kirchentag in Köln: Was wir an Projekten und Ideen in den Kirchentag eingebracht haben, hat überwältigende Resonanz gefunden.
Wir sind gerne Gastgeberin gewesen. Und ich hoffe, wir haben das auch gut gemacht. Wir sind mit offenen Augen, Ohren, Händen und Herzen auf unsere Gäste zugegangen. Und wir kehren reich beschenkt in unseren Gemeinde- und Glaubensalltag an Rhein, Ruhr, Mosel, Saar, Nahe, Glan und Wupper zurück.
Die Begegnungen mit Besucherinnen und Besuchern des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentags haben uns Anstöße, Ideen gebracht und Mut gemacht, mit neuem Schwung vom offenen Himmel Gottes zu erzählen und so Menschen zum Glauben einzuladen.


Vielen Menschen, die zu alldem beigetragen haben, wäre an dieser Stelle zu danken – aber so viel Zeit haben Sie verständlicherweise nicht. Deshalb beschränke ich dies auf das Wichtigste: Gott sei Dank für dieses wunderbare Fest des Glaubens!
Ohne seinen Segen wäre unser Planen und Mühen vergeblich.
Und diesen Segen wünsche ich allen, die aus Köln morgen heimkehren – und auch Ihnen für Ihr Tagwerk.“