Pressemitteilung

Präses: „Von Gottes Wort bewegte Menschen können die Welt neu würzen“

Ökumenischer Fernsehgottesdienst mit Kardinal Meisner im Kölner Dom

  • Nr. 121/2007
  • 8.6.2007
  • 13426 Zeichen

Achtung, Sperrfrist: Freitag, 8. Juni 2007, 21 Uhr! Es gilt das gesprochene Wort.


 


Das Gleichnis vom Sämann (Lukas 8, 11-15) setzt Präses Schneider in seiner Predigt in Beziehung zur Losung des Kirchentags „lebendig und kräftig und schärfer“, die aus dem Hebräerbrief (4, 12) stammt: „Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und es ist Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.“ In dem bilderreichen Gleichnis gehe es um den verschwenderischen Umgang des Sämanns mit dem Saatgut. Schneiders Auslegung: Der Samen – das Wort Gottes – richte sich an alle Menschen, zu allen Zeiten, an allen Orten. „Das Evangelium, Wort von der Menschenliebe und Menschennähe Gottes, trifft und betrifft alle Menschen“, so Schneider und weiter: „Gottes Wort soll und will in allen Menschen Wurzeln schlagen und Frucht bringen.“
Ein realistischer Blick auf die Menschen und die Verhältnisse in unserer Welt zeige zwar, dass nur hin und wieder Rosengärten blühten und nur hier und da Kornfelder wogten. Noch präziser: „Heute wie zu Jesu Zeiten sehen wir viel Brachland. Wir bekennen viel Dorngestrüpp, und wir beklagen viel Felsengestein“. Vielerlei Weltanschauungen und Ideologien konkurrierten mit dem Glauben. In manchen Erdteilen sei das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche noch immer gesetzlich verboten. Aber auch die Alltagsgeschäftigkeit ersticke ihn Stück für Stück. Es sei gerade für beruflich engagierte und erfolgreiche Menschen nicht leicht, „Zeiten der Beziehungspflege für den Glauben“ herauszukämpfen.
Doch der 59-jährige Theologe bleibt dabei: „Da, wo der Same, wo das Wort Gottes fruchtbar wird, da gibt es überreiche Frucht. Gottes Segen ist so reichhaltig, so verschwenderisch, und Gottes Wort ist so lebendig und kräftig.“ Gottes Gnade sorge für genügend Stärke. Seine Kraft sei sogar in den Schwachen mächtig, und das reiche, um Salz der Erde und Licht für die Welt zu sein. Denn auch einige wenige von Gottes Wort bewegte Menschen könnten die Welt neu würzen, ein neues Licht auf unsere alte Welt werfen. Die bewegende Kraft des Wortes Gottes könne und wolle uns anstoßen, unser Verhalten zu überdenken und zu verändern. So sei auch heute „fruchtbarer Boden für die Saat Gottes, für Gottes Wort“ Realität.


Achtung, Sperrfrist: Freitag, 8. Juni 2007, 21 Uhr! Es gilt das gesprochene Wort.
Ökumenischer Gottesdienst im Dom anlässlich des
31. Deutschen Evangelischen Kirchentags in Köln


Predigt von Präses Nikolaus Schneider
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend stellen wir Ihnen die Predigt im ökumenischen Gottesdienst von Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, zu Ihrer Verwendung zur Verfügung.
Bitte beachten Sie die angegebene Sperrfrist und den Wortlautvorbehalt.
Jens Peter Iven
Pressesprecher
(Vom 6. bis 10. Juni erreichen Sie uns unter den bekannten, unten angegebenen Rufnummern per Anrufweiterschaltung in Köln oder auch persönlich in der Pressestelle, Medienzentrum, CC-Ost, Ebene 1, Raum 39.)
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Gnade und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus sei mit uns allen. Amen.


Liebe Gemeinde hier im Hohen Dom zu Köln und an den Bildschirmen,
„lebendig und kräftig und schärfer“ – so trifft uns das Wort Gottes. Manchmal, wie auch heute, betrifft uns Gottes Wort durch ein bilderreiches Gleichnis!
Aus dem Lukasevangelium haben wir gerade Gottes Wort gehört. Jesus hat das Gleichnis vom Sämann ausgedeutet. Er lenkte dabei unseren Blick auf die Beschaffenheit des Bodens, der die Saat empfängt. Lassen wir diese Auslegung Jesu noch in uns nachklingen und richten wir gleichzeitig unsere Gedanken als Erstes auf den Sämann und seinen Umgang mit der Saat:
Welch verschwenderischer Sämann ! Er wirft weit – so, dass die Saatkörner auf jedweden Boden fallen. Er scheint keinen Blick dafür zu haben, ob das Saatgut unter Dornen oder auf Felsen oder auf guten Ackerboden trifft. Er streut seine Saat großzügig und freigiebig auf den Boden, welche Form und welche Beschaffenheit auch immer er hat! Hier werden keine Bodenproben genommen, keine Erfolgsaussichten berechnet, hier wird kein Fruchtertrag abgeschätzt und kein Profit erwogen. Hier wird nicht ausgewählt und bewertet wird auch nicht. Großzügig und freigiebig entlässt der Sämann den Samen aus seinen Händen auf alles Land!
„Der Samen ist das Wort Gottes.“, sagt Jesus.
Das Wort Gottes richtet sich also an alle Menschen, zu allen Zeiten, an allen Orten! Allem Volk und allen Menschen will Gott in seinem Wort begegnen. Sprache oder Rasse, arm oder reich, hoch-intelligent oder eingeschränkte geistliche Möglichkeiten, mit Gott schon verbunden als Volk des Bundes oder Teil der weiten Völkerwelt, das alles spielt für diesen Sämann keine Rolle. Barrieren werden nicht akzeptiert, Risiken werden eingegangen.
Jesus Christus bekennen wir als das lebendige und Mensch gewordene Gotteswort. Er hat uns vorgelebt, wie das umfassende Weitergeben des Wortes Gottes gemeint ist:
Jesus Christus bewegt und berührt alle Menschen –
Männer und Frauen und Kinder,
Israeliten und Heiden,
Fromme und Sünder,
Pharisäer und Zöllner,
Schriftgelehrte und Huren,
mächtige Hauptleute und gebeutelte Menschen am Rande der Gesellschaft.
Das Evangelium, Wort von der Menschenliebe und Menschennähe Gottes trifft und betrifft alle Menschen.
Großzügig und verschwenderisch sät der Sämann die Saatkörner auf alles Land.
Gottes Wort soll und will in allen Menschen Wurzeln schlagen und Frucht bringen!


ABER…..


Ein realistischer Blick auf die Menschen und die Verhältnisse in unserer Welt zeigt uns: nur hin und wieder blühen Rosengärten.
Ein selbstkritischer Blick auf die Menschen und die Verhältnisse in unseren Kirchen zeigt uns: nur „hier und da“ wogen Kornfelder.
Heute wie zu Jesu Zeiten sehen wir viel Brachland.
Wir erkennen viel Dorngestrüpp
und wir beklagen viel Felsengestein.
So wie Jesus es vor fast 2000 Jahren beschrieben hat erleben auch wir das Scheitern und das Gelingen der Aussaat, wenn wir das Evangelium unter die Leute bringen.
Auch wir erleben Wachstum und Versiegen des Glaubens an Gottes lebendiges Wort: das Vorbild und der Weg Jesu erschienen so einleuchtend und wohltuend, und wurden doch bedeutungslos für den gelebten Alltag.
Das waren und das sind Grunderlebnisse von Gläubigen aller Generationen, solche Erfahrungen haben die Gemeinden der Kirche Jesu Christi durch alle Zeiten hindurch gemacht:
Menschen treffen auf ihren Glaubenswegen auf die Widerstände von Infragestellungen, sie werden angefochten durch schwere Erlebnisse, sie geraten auf Abwege.
Wie bei Krebserkrankungen treten plötzlich und unvorhergesehen unkontrollierbare und alles überwuchernde Entwicklungen unseres Denkens und Verhaltens auf. Sie führen uns in die Irre und manchmal auch in den Tod.
Vielerlei Weltanschauungen, Ideologien und Philosophien konkurrieren mit dem Glauben an den einen und einzigen Gott. Sie stellen die Ausrichtung unseres Denkens, Fühlens und Handelns an den Offenbarungen dieses Gottes in  Frage. Sie bieten Interessanteres oder Exotischeres an. Oder sie beanspruchen einen unschlagbaren Neuigkeitswert. Viele lassen sich davon anlocken!
In manchen Teilen unserer Erde ist das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche noch immer gesetzlich verboten. Staatliche Gewalt, also Polizei und Justiz drohen mit Ausweisung, Berufsverbot, Gefängnis oder sogar mit dem Tod, wenn ein Mensch vom Wort Gottes gefunden wird, sich ansprechen und zum Glauben wecken, zu einem neuen Leben verändern lässt. 
Wer von uns könnte einen Menschen verurteilen, der unter solchem Druck vom neu gewonnen Glauben abfällt oder ihn verleugnet.
Aber nicht nur die großen politischen Drohgebärden versuchen, Gottes Wort am Wachsen zu hindern. Denn da ist auch noch unser ganz normaler Alltag mit all den so genannten „Sachzwängen“, mit all den Sorgen, Mühen und zeitlichen Verpflichtungen. Wie leicht trocknet diese Alltagsgeschäftigkeit unseren Glauben aus, erstickt ihn Stück für Stück, ohne dass wir es recht merken. Unser Glaube, die lebendige Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott in Jesus Christus, braucht nämlich Zeiten des lebendigen Austausches. Es ist wie zwischen uns Menschen: Beziehungen müssen gepflegt werden. Zeit müssen wir uns dafür nehmen. Sie erfordern Aufmerksamkeit und Konzentration. 
Der Alltag, gerade der Alltag beruflich engagierter und erfolgreicher Menschen, kann schon eine rechte Knochenmühle sein. Es ist nicht leicht, Zeiten der Beziehungspflege für den Glauben herauszukämpfen oder freizusperren. Und dann geht es eben nicht anders – leider!
Und vielseitig interessierte Menschen, die leicht auf andere zugehen können und für neue Kontakte offen sind, tun sich häufig schwer damit, zuverlässig und treu im Gespräch mit dem lebendigen Gott zu bleiben. Manchmal ein wenig trauernd, bedauernd lächelnd oder mit einem melancholischen Achselzucken stellen sie fest, dass sie die Beziehung zu Gott doch nicht so leben können, wie sie eigentlich wollten – es ging halt nicht.
Das andere aber, liebe Gemeinde, ist nach den erklärenden Worten Jesu entscheidend. Es wiegt alles Versagen, alle Misserfolge und alle Enttäuschungen auf: da, wo der Same, wo das Wort Gottes fruchtbar wird, da gibt es überreiche Frucht!
Gottes Segen ist so reichhaltig, so verschwenderisch und Gottes Wort ist so lebendig und kräftig.  Die rein numerische Betrachtung des Erfolgs der Körner ist nicht ausschlaggebend. Gottes wiegt und zählt mit einem anderen Maß! Seine Gnade sorgt für genügend Stärke, seine Kraft ist sogar in den Schwachen mächtig – und das reicht, um Salz der Erde und Licht für die Welt zu sein! Denn auch einige wenige von Gottes Wort bewegte Menschen können die Welt neu würzen, können ein neues Licht auf unsere alte Welt werfen, können in unserer alten Welt Gottes neue Welt aufscheinen lassen.
Betrachten wir noch einmal die Bodenwertkarte aus unserem Gleichnis, liebe Schwestern und Brüder. Entscheidend ist für uns dabei: die Beschreibung des Bodens, liebe Gemeinde, und die Auslegung durch Jesus sind keine Anleitung, uns selbst und die Menschen rings um uns her einzuordnen und dadurch festzulegen. Die Bilder des Gleichnisses führen uns keine unveränderlichen Charaktermerkmale von Menschen und Menschengruppen vor Augen.
Wir können sie nicht nutzen, um andere zu klassifizieren. Und wir sollen sie nicht benutzen, um andere festzulegen, ihnen ein Etikett aufzukleben, damit wir uns nicht mehr mit ihnen beschäftigen müssen.
Jesus bezieht seine Gleichnisrede auf einkonkretes Verhalten von Menschen in einer bestimmten Situation. Aber für alle Menschen gilt: Sie können sich und ihr Verhalten ändern! Gerade das zeichnet uns aus: wir sind nicht instinktgebunden und müssen deshalb nicht zwanghaft reagieren. Unsere Fähigkeit, nachzudenken, uns selbst und unser Verhalten zu überdenken und auch zu verändern, macht uns zu Menschen, wie schwer das im Einzelnen auch sein mag! Und die bewegende Kraft des Wortes Gottes kann und will uns dazu anstoßen.
Also: Fels muss nicht Fels bleiben. Dornen müssen nicht auf Dauer unseren Alltag bestimmen. Steinige Wege müssen nicht auch noch morgen das passende Bild für unser Glaubensleben sein. All dies kann zu fruchtbarem Boden werden. Allerdings gilt auch das Umgekehrte: aus fruchtbarem Boden kann auch Felsen werden!
Gottes lebendiges und kräftiges und wirksames Wort begegnet uns jeden Tag neu. Und jeden Tag neu will Gottes Wort in uns Wurzeln schlagen und Frucht bringen.
Fruchtbarer Boden für die Saat Gottes, für Gottes Wort, ist auch heute Realität. Gottes Wort entfaltet auch heute seine unbändige Kraft durch uns Menschen. Es führt Menschen durch seine Lebendigkeit ins Leben. Es kräftigt die müden Knie und die erlahmten Hände. Es schärft Geist und Sinne, um zwischen Lüge und Wahrheit, zwischen Wegen ins Verderben und Wegen ins Leben zu unterscheiden.
Menschen versammeln sich, um Gottes Wort zu hören, zu verstehen, es anzunehmen und es weiterzusagen in Wort und Tat –
durch die Zeiten hindurch. 
Das geschah in Köln beim Weltjugendtag vor 2 Jahren und das geschieht beim Kirchentag heute, in unseren Kirchen und durch alle Menschen, die Gott durch sein Wort in seinen Dienst nimmt.
Denn das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit lebendig und kräftig, es schärft Geist und Sinne und bringt viel Frucht.
Amen