Pressemitteilung

Eine Woche nach dem „Tag, an dem die Welt sich veränderte“

Beratungsstelle für christlich-islamische Begegnung:

  • 25.9.2001

Offener Brief der Beratungsstelle für christlich-islamische Begegnung der Ev. Kirche im Rheinland und der Ev. Kirche von Westfalen –


 


Sehr geehrte Damen und Herren,


auch eine Woche nach den Terroranschlägen in den USA ist das Entsetzen groß. Die Trauer über die Opfer, das Mitgefühl mit den Angehörigen und der Schrecken, der die Welt am 11. September ergriffen hat, mischen sich heute mit Gefühlen der Unsicherheit darüber, welche Reaktionen die verletzte und gedemütigte Supermacht USA jetzt anstreben. Präsident Bush spricht von einem bevorstehenden „Kreuzzug“. Die Situation ist angespannt, und es ist noch nicht absehbar, welche historisch nachhaltige Bedeutung diesem grausamen Ereignis zukommen wird.



In den Tagen nach den Anschlägen ist der Trauer und dem Schrecken in vielfältiger und würdiger Weise Form und Ausdruck gegeben worden – in unzähligen Gedenk- und Trauerfeiern, Gebeten und Gottesdiensten, in schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen – darunter auch die deutlichen und beeindruckenden Erklärungen der islamischen Verbände und der christlichen Kirchen in Deutschland.



Der sich aus tiefem Entsetzen langsam erhebende Blick nach vorne richtet sich nun u.a. auf eines – nämlich auf die dringende Notwendigkeit, jetzt nicht nachzulassen in dem Bemühen um ein friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen.



Im Bereich der Evangelischen Landeskirchen im Rheinland und von Westfalen arbeiten seit vielen Jahren Christen und Muslime über religiöse und kulturelle Unterschiede hinweg vertrauensvoll zusammen für Verständigung, gute Nachbarschaft und Frieden. Diese Praxis ist das wirksamste Argument gegen einen mitunter heraufbeschworenen „Kampf der Kulturen und Religionen“, wie ihn die Terroristen des 11. September und wie ihn religiös und weltanschaulich verblendete Fanatiker überall auf der Welt provozieren wollen. Im World Trade Center wurden Menschen aller Nationen, aller Kulturen und aller Religionen gemordet; was hier geschah, war kein Kampf der Kulturen und Religionen, sondern ein Verbrechen an der Menschheit.



Gegen die jetzt offenkundig lockende Versuchung, die Weltreligion Islam oder die Muslime allgemein gleichzusetzen mit Radikalismus und Terrorismus sind Muslime wie Christen in diesen Tagen verstärkt dazu aufgerufen, seriös aufzuklären und vor allem überzeugend für Verständigung, für Begegnungen und Zusammenarbeit einzustehen – zuallererst in ihren unmittelbaren Nachbarschaften. Denn jede gelungene Begegnung von Christen und Muslimen ist ein wirksames Zeichen für die Friedensfähigkeit der beteiligten Religionen und gräbt all denen das Wasser ab, die die Religionen dazu missbrauchen, um große oder kleine Kriege zu rechtfertigen, deren wahre Motive mit Religion jedoch nichts zu tun haben.



Ihr



Holger Nollmann, Landespfarrer