Pressemitteilung

Der Glaube setzt den Schrecken der Welt die Hoffnung auf Gott entgegen

Präses Nikolaus Schneider erstattete der Landessynode Bericht

  • Nr. 9/2010
  • 11.1.2010
  • 9388 Zeichen

Es gilt das gesprochene Wort.

Im christlichen Glauben ist die Kraft zu finden, mit der Menschen ihr Leben auch angesichts der „Schrecken der Welt“ meistern können: „Christlicher Glaube zaubert die Schrecken dieser Welt und die Schrecken unseres Lebens nicht einfach weg. Christlicher Glaube ist nicht ,Opium fürs Volk’. Er benebelt unsere Sinne nicht so lange mit frömmelndem Geschwätz, bis uns alle Schrecken dieser Welt unbedeutend und klein vorkommen“, betonte Präses Nikolaus Schneider gleich zu Beginn seines jährlichen Berichtes, den er vor der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland abgab. Der Glaube nehme die Schrecken des Lebens ernst, aber: „Als Glaubende bleiben wir uns in allen Bedrängnissen der Liebe Gottes gewiss. Unser Glaube schenkt uns die Kraft, den Schrecken der Gegenwart offen ins Auge zu sehen und – auch gegen den Augenschein – auf Gottes Zukunft zu setzen.“

Neben der Verkündigung des Evangeliums sei es auch Auftrag der Kirche, den Staat „an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten“ zu erinnern. Deshalb „nehmen wir als rheinische Kirche zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Fragen unserer Zeit Stellung“, verwies Präses Schneider auf die Barmer Theologische Erklärung von 1934: „Täten wir es nicht, würden wir unser Kirche-Sein in Frage stellen.“

Einsatz in Afghanistan: Klarheit über ziviles Ziel der Mission gefordert

Vor diesem Hintergrund äußerte sich Schneider (62), der auch stellvertretender EKD-Ratsvorsitzender ist, auch zur aktuellen Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan: „In Afghanistan töten und sterben deutsche Soldaten. Im Namen des deutschen Volkes wird Krieg geführt, wenn auch nicht gegen die Armee eines Staates, so doch gegen Terrorgruppen der Taliban.“ Quer durch alle Parteien und gesellschaftlichen Gruppen und auch in der Kirche werde die Definition des Wortes „Krieg“ derzeit neu diskutiert. „Und wir fragen mit neuer Intensität politisch und theologisch nach den Recht¬fertigungsgründen militärischer Gewalt“, so der Präses.

Angesichts der Gewalt der terroristischen Taliban gegen das eigene Volk ist für Schneider der Einsatz militärischer Gewalt nach den Kriterien der EKD-Friedensdenkschrift „zumindest nicht grundsätzlich abzulehnen“: „So wenig ein Abzug deutscher Soldatinnen und Soldaten aus Afghanistan ‚Hals über Kopf’ zu verantworten ist, so dringend muss gemeinsam mit Repräsentanten der afghanischen Bevölkerung ein realistisches Ausstiegs¬szenario erarbeitet werden. Und nicht nur im Parlament, sondern auch in der ganzen Gesellschaft ist der Diskurs über die Rolle der Bundeswehr im In- und Ausland offen und ehrlich zu führen.“ Zudem sieht der oberste Repräsentant der zweitgrößten Landeskirche in Deutschland politischen Handlungsbedarf: „Wenn der deutsche Bundestag auf der Basis des Parlaments¬beteiligungsgesetzes den Auslandseinsatz der Bundeswehr mandatiert, dann sollte in Zukunft über die gesetzlichen Notwendigkeiten hinaus¬gegangen werden. In dem Beschluss des Bundestages sollte es eine militärische Mandatierung für die Bundeswehr und eine ,zivile Mandatierung’ für deutsche Nichtregierungsorganisationen geben. Beides sollte klar beschrieben und gegeneinander abgegrenzt, auch die damit verbundenen Kosten sollten ausgewiesen werden. Das Missverhältnis zwischen den Summen, die für den militärischen und die für den zivilen Einsatz aufgebracht werden, sollte wenigstens deutlich werden.“

Armut von Kindern hat ein erschreckendes Ausmaß angenommen

Mit Blick auf die Armut von Kindern in unserem Land, die erschreckende Ausmaße angenommen habe, erklärte Schneider vor dem obersten Leitungsgremium der rheinischen Kirche: „Kinderfreibeträge bei der Steuer sorgen dafür, dass Kinder reicher Eltern von uns allen mit Hilfe der Finanzämter mehr Geld für ihr Leben, vor allem für ihre Bildung und Ausbildung zur Verfügung haben als Kinder der Eltern, deren Erziehungs- und Bildungsbemühungen durch Kindergeld gefördert werden. Schon durch diese Systematik entsteht ein Chancennachteil. Es geht diesen Kindern aber deutlich besser als den Kindern der Eltern, die von ,Hartz-IV’ leben. Denn das Kindergeld wird gegen die Grundversorgung aufgerechnet.“

Um die Chancengleichheit benachteiligter Kinder zu fördern, „muss der Löwenanteil des Geldes in betreuende, fördernde und begleitende Erziehungssysteme fließen. ,Gerecht’ nach biblischen Maßstäben wäre es, wenn die Kinder armer Eltern dabei besonders gefördert würden“, unterstrich Präses Schneider. Kommunen müssten ihre Kräfte zur Krisenintervention durch geeignete Maßnahmen zur Prävention ergänzen. „Dazu brauchen sie natürlich auch hinreichende finanzielle Mittel. Das sei ergänzend gesagt und ist bei jeder Steuerreform zu bedenken! Ein Hoffnungszeichen sehe ich darin, dass die Bürgermeister armer Kommunen endlich ihre Stimme erheben und eine Stadt wie Wuppertal ein Aktionsbündnis mit dem Namen ,Wuppertal wehrt sich’ hat.“

Besorgt über die Lage in Israel und Palästina

Besorgt äußerte sich Nikolaus Schneider zur Lage in Israel und Palästina: „Eine Perspektive für den Weg zu einem Frieden kann ich in der aktuellen Politik Israels und Palästinas nicht erkennen. Die Radikalen beider Seiten setzen auf Sieg und Unterwerfung bzw. Vertreibung.“ Permanentes Unrecht, ständige Demütigungen, sowie latente und manifeste Gewalt seien kaum zu überwindende Hindernisse auf dem Weg zum Frieden: „Meine besondere Verbundenheit mit Israel lässt mich über das Ausmaß der von Israel ausgeübten Gewalt auch besonders erschrecken“, so der Präses in seinem Bericht. Mit Errichtung der Mauer hätten die Selbstmordattentate aufgehört: „Aber der Verlauf der Mauer ist verbunden mit widerrechtlicher Enteignung von Land. Sie schafft ferner eine Situation, die Begegnung verhindert und Friedensarbeit enorm erschwert.“

Ambivalente Bilanz bei der Ökumene

Eine ambivalente Jahres-Bilanz zog der rheinische Präses beim Thema Ökumene. Ökumenische Weggemeinschaft gehöre zu den Zeichen der wahren Kirche Jesu Christi. Es bleibe als Verheißung die von Jesus selbst an Gott formulierte Bitte, „eins zu sein, damit die Welt glaube“. Schneider wörtlich: „Die theologische Begründung und kirchenpraktische Pflege dieser Gemeinschaft ist unverzichtbarer Teil kirchlichen Lebens. Davon wird uns auch manches ,Gedrängel um den Thron Christi’ nicht abhalten.“ Die Weggemeinschaft mit der römisch-katholischen Schwesterkirche pflege die Evangelische Kirche im Rheinland „am intensivsten zwischen den Kirchengemeinden. Wir erleben dabei nicht nur die Überwindung trennender Gräben oder gegenseitige Ermutigung und Stärkung. Wir leiden manchmal auch an einer einseitigen Profilierung auf Kosten und zu Lasten der jeweils anderen. Und manche Kirchengemeinden klagen zu Recht darüber, dass gewachsene ökumenische Traditionen wieder zurück geschnitten werden.“  

Eine wichtige neue Wegetappe mit den römisch-katholischen Glaubensgeschwistern habe im November des vergangenen Jahres mit der Gründung des „Ökumenischen Instituts für interreligiösen Dialog“ an der Universität Trier begonnen. Hierbei handele es sich um den seltenen Fall einer echten ökumenischen Trägerschaft. „Die Anwesenheit muslimischer Vertreter und die bestehenden Kontakte zur jüdischen Gemeinde Trier lassen erwarten, dass von der Arbeit dieses Instituts kräftige Impulse zum besseren Verstehen und zu einem friedlichen Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen ausgehen werden“, konstatierte Nikolaus Schneider. Dem „guten ökumenischen Geist“ sei es auch zu verdanken, dass der Trierer Bischof Ackermann und der Präses eine gemeinsame Erklärung „Hilfe für die Schwächsten am Arbeitsmarkt“ herausgeben konnten.

Glaube bewahrt vor Resignation und Lähmung

Schneider unterstrich in seinem Vortrag nachdrücklich die Kraft, mit der Christinnen und Christen in Kirche und Welt ans Werk gehen: „Hoffnung ist für Christenmenschen nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass Gott bei uns ist, egal wie es ausgeht! Die Glaubensbindung an Gott und an Jesus Christus bewahrt uns vor Resignation und Lähmung, vor Verzweiflung und Zynismus. Wir können uns dem Wort Gottes und dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen. Wir können uns und unsere Gegenwart verändern. Wir können hoffend handeln und Hoffnungszeichen setzen.“

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