Pressemitteilung

Der un-organisierte Tod - nach dem Unfall ist alles anders

Notfallseelsorge - Opferschutz und Hilfe für die Helfer

  • 22.3.2002

Düsseldorf – Schon wieder kracht es auf der Autobahn, auf der Landstraße, mitten im Stadtverkehr. Die professionellen Helfer kommen schnell, versuchen zu retten, was zu retten ist – vergeblich. Das Verkehrsopfer stirbt. „Verkehrsunfall mit Personenschaden Kategorie 1“ registriert die polizeiliche Statistik. Und dann? Viele Betroffene bleiben mit den Schockerlebnissen allein. Es bleibt oft dem Zufall überlassen, wie ihnen geholfen wird.


Angehörige und Freunde müssen nicht nur mit der Todesnachricht fertig werden. Oft ändert sich durch den Unfall ihr ganzes Leben. Doch auch die Helfer und Zeugen, Feuerwehr und Polizeibeamte, Sanitäter und Bestatter fühlen sich bei schweren Unfällen hilflos und können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Alpträume und körperliche Stresssituationen sind nur einige der posttraumatischen Symptome, mit denen sich die schrecklichen Erinnerungen auch bei professionellen Helfern zurückmelden. Das kann direkt nach dem Ereignis geschehen, aber auch noch Monate und Jahre später. Wird das Erlebte nicht verarbeitet, verschlimmern sich die Symptome um so mehr, je öfter neue traumatische Erfahrungen wachgerufen werden.


Die Notfall- und Polizeiseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland setzt hier mehrfach an. Sie stellt inzwischen in 32 Städten und Kreisen Netzwerke alarmierbarer Seelsorgerinnen und Seelsorger zur sofortigen Unterstützung bei Einsätzen zur Verfügung. Die seelsorgerliche Betreuung gilt sowohl den Opfern als auch den Einsatzkräften. Vielerorts wird für Feuerwehr, Rettungsdienste und Katastrophenschutz das OPEN-TEAM angeboten (= Organisierte Personalbetreuung bei Extremeinsätzen und Nachsorge). In der Nachsorge kann das OPEN-TEAM die Verarbeitung traumatischer Erlebnisse mit gut durchdachten Schritten begleiten – selbstverständlich kostenfrei, unter dem Schutz der seelsorgerlichen Verschwiegenheit und in Abstimmung mit den einsatzleitenden Verantwortlichen.


Auch mit einem neueren – ganzheitlichen – Verständnis von Opferschutz und Opferhilfe konzentriert sich die Notfall- und Polizeiseelsorge auf die vielfältigen Bedürfnisse und Nöte der Unfallbeteiligten und ihrer Angehörigen, und zwar in Kooperation mit den Opferschutz-beauftragten der Kreispolizeibehörden. Diese noch junge Zusammenarbeit hat zum Ziel, stärker auf die Einschätzungen und Wahrnehmungen von Opfern einzugehen, um bei Unfallereignissen die Handlungssicherheit aller zu erhöhen und besser zu koordinieren.


Jüngstes Beispiel für diesen Ansatz ist das Klever Projekt „Ein Jahr danach“. Hier haben neun Beamte unterschiedlicher Dienstgrade und Dienststellen mehr als 50 Gespräche mit Menschen geführt, die in irgendeiner Weise mit tödlichen Unfällen zu tun hatten – als Ersthelfer Zeugen, Angehörige der Verstorbenen, aber auch als Unfallverursacher. Entstanden ist die vierzigseitige Broschüre „Der un-organisierte Tod“ mit systematischer Auflistung der wohltuenden, aber auch negativen Erfahrungen von Betroffenen mit Polizei, Feuerwehr, Sanitätern und Ärzten, Krankenhäusern und Pfarrern.


Das Klever Modellprojekt entstand in Zusammenarbeit der Polizeiseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Kreispolizeibehörde Kleve. Die Projektgruppe erhofft sich die Fortentwicklung der Erkenntnisse zu NRW-weit gültigen Richtlinien für den Umgang mit Menschen nach tödlichen Unfällen. Ein „Opferschutztelefon“ steht Betroffenen in Kleve, die Rat und Hilfe brauchen, schon jetzt zur Verfügung: Telefon 02823/108-1999.