Pressemitteilung

„Hinhören und hinsehen, wo Menschen in böse Vereinsamung abrutschen“

Vizepräses im WDR-Interview nach dem Amoklauf in Winnenden

  • Nr. 73/2009
  • 16.3.2009
  • 2653 Zeichen

Angesichts des Amoklaufes in Winnenden in der vergangenen Woche hat Vizepräses Petra Bosse-Huber Eltern, Lehrer und Menschen in den Kirchengemeinden zu mehr Achtsamkeit im Umgang vor allem mit Jugendlichen aufgerufen: „Wir müssen deutlicher aufeinander hören und genau hinsehen, wo Menschen in böse Vereinsamung abrutschen“, sagte die Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland am Morgen im WDR-Fernsehen. Gerade die Kirchen hätten mit ihren Angeboten in der Jugendarbeit eine große Chance, Jungen und Mädchen in persönlichen Krisen einen geschützten Ort für Gespräche zu bieten. Auch wenn nur einen Teil der Jugendlichen erreicht werde, sei dies eine wichtige Arbeit, um Jugendliche in ihrer jeweiligen Persönlichkeit mit all den Ängsten und Fragen, die dazu gehören, zu stärken und zu begleiten.

„Angst, Ohnmacht, Wut – wer gibt noch Halt in der Krise?“ lautete die Überschrift der heutigen Ausgabe der neuen Interviewsendung „eins zu eins“ der landespolitischen Redaktion des WDR. Nach der konkreten Arbeit von Notfallseelsorgerinnen und -seelsorgen an einem Einsatzort wie der Albertville-Realschule in Winnenden gefragt, unterstrich Pfarrerin Bosse-Huber: „Als Notfallseelsorgerin sagt man oft erst einmal gar nichts. Das Wichtigste ist da zu sein. Es geht darum, den Menschen, die Unfassbares erlebt haben, ein Geländer zu bieten.“ Gespräch oder Gebet könnten ein „Geländer“ sein, aber mitunter gehe erst einmal rein um menschliche Nähe.

Ein Netz der Nähe und Hilfe biete Kirche nicht nur in konkreten Notfallsituationen, sondern auch im Alltag. So verwies Vizepräses Petra Bosse-Huber auf Gottesdienste und Gemeindearbeit, Erziehungsberatungsstellen oder auch die anonyme Seelsorge im Internet: Die rheinische Kirche ist zum Beispiel federführend an www.chatseelsorge.de beteiligt. „Aber“, so Bosse-Huber, „wir brauchen als Kirche gerade im Blick auf Jugendliche mehr Andockpunkte im Internet“.

Die immer gleichen Politiker-Forderungen nach Amokläufen halte sie für ein „hoch phantasieloses Echo“: „Unsere Waffengesetze sind nicht das gesellschaftliche Defizit in Deutschland“, unterstrich die 49-jährige Theologin. Natürlich erfordere es auch von Politikerinnen und Politikern Mut, öffentlich einzugestehen, dass es keine Patentrezepte geben. Aber ein solches Eingeständnis mache dann den Blick dafür frei, danach zu suchen, was sich in der Gesellschaft verändern müsse. Achtsamkeit im Umgang und das Gespräch miteinander seien jedenfalls nötiger denn je.