Pressemitteilung

„Schule für Circuskinder“: Zum Jubiläum gibt’s auch Abschlusszeugnisse

Nach zehn Jahren wird aus dem Pilotprojekt eine dauerhafte Einrichtung

  • 30.6.2004

Feststimmung heute auf dem Schützenplatz in Monheim am Rhein: Im Zelt des Circus Sperlich feiert die Schule für Circuskinder in NRW ihr zehnjähriges Bestehen. Am gleichen Ort, im gleichen Circus nahm die ungewöhnlichste Schule Nordrhein-Westfalens im Juni 1994 ihre Arbeit auf. Heute betreuen 21 Lehrerinnen und Lehrer 136 Jungen und Mädchen aus 24 Circussen. In 24 mobilen Klassenzimmern, darunter elf umgebaute Wohnmobile, werden die Kinder im Alter von fünf bis 20 Jahre an wöchentlich wechselnden Orten im Land unterrichtet. „Ich freue mich für die Schülerinnen und Schüler, dass es uns durch das große Engagement der Lehrerinnen und Lehrer, der Eltern und nicht zuletzt des Landes NRW gelungen ist, den Kindern eine verlässliche schulische Perspektive zu geben“, kommentiert Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, die Trägerin der Schule für Circuskinder ist.
Dass verlässliche Schulbildung und „ordentliche“ Abschlüsse über Generationen keine Selbstverständlichkeit waren, hatte Circusdirektor Gerd Sperlich schon bei der Pressekonferenz am Morgen in der Manege berichtet: „Ich habe früher 30 bis 40 Mal pro Saison die Schule gewechselt“, so Sperlich, „oft haben mich die Lehrer nicht unterrichtet, sondern mich zum Malen in eine Ecke gesetzt – es lohnte sich für sie ja nicht, weil wir schon ein paar Tage später wieder weiterzogen“. Einen Schulabschluss hat der Circus-Mann nicht bekommen: „Das Rechnen habe ich mir weitgehend nach der Schule beigebracht.“ Umso glücklicher ist Gerd Sperlich, dass seine Kinder die Circusschule haben besuchen können. Edwina ist 15 Jahre alt und seine jüngste Tochter. Sie bekommt heute nachmittag mit acht weiteren Circuskindern ihr Abschlusszeugnis; damit hat sie sogar die Zulassung zur Oberstufe. Vier der „Zeugnis-Kinder“ haben erstmalig ihre gesamte Schullaufbahn in der Schule für Circuskinder absolviert. Und Schultüten wird es heute auch in der Manege zu sehen geben: Acht Jungen und Mädchen aus acht verschiedenen Circussen werden in die reisende Schule eingeschult.
„Wir kümmern uns als Kirche nicht nur um Kinder, die im normalen sozialen Betrieb Schule besuchen“, so Oberkirchenrat Harald Bewersdorff von der Evangelischen Kirche im Rheinland, die inklusive der Circusschule insgesamt zehn Schulen unterhält: „Auch reisende Kinder sollten die Chance bekommen, normal lernen zu können.“ Deshalb hatte Bewersdorff sich vor gut zehn Jahren von der Idee zum Pilotprojekt anstecken lassen. Und er betont: „Eine so verrückte Schule kann man nur machen, wenn die Eltern voll dahinter stehen.“ Die Circus-Familie Sperlich ist dafür nur ein Beispiel. Aber auch andere Partner müssen mitziehen, damit es klappt – im konkreten Fall das Land Nordrhein-Westfalen. „Die Evangelische Kirche im Rheinland ist ein bewährter Schulträger“, so Ministerialrat Ulrich Thünken vom NRW-Schulministerium, „deshalb konnten wir auch so ,verrückt‘ sein und mitmachen“. Die Kreativität, die die Lehrerinnen und Lehrer der Circusschule entwickelten, hätten nicht nur zum Erfolg der Schule selbst, sondern auch zu guten Ideen für den Betrieb an regulären Schulen geführt.
Für Annette Schwer, Leiterin der Schule,  steht der nächste Entwicklungsschritt der in Deutschland einzigartigen Schule schon vor der Tür: Die Kirchenleitung der rheinischen Kirche hat sich bereiterklärt, aus dem Modellprojekt eine dauerhafte Einrichtung zu machen. Die Verhandlungen darüber mit dem Land sind erfolgreich geführt worden. Nun muss noch der Landtag grünes Licht geben. „Ich hoffe, dass sich unsere Schule weiterhin so gut entwickelt, denn wir können noch längst nicht alle Circuskinder beschulen“, so Schwer.


Hinweis an die Redaktionen:
Der Festakt zum Jubiläum, an dem Präses Nikolaus Schneider und Staatssekretär Dr. Elmar Schulz-Vanheyden teilnehmen, findet heute, Mittwoch, 30. Juni 2004, um 15 Uhr im Zelt auf dem Schützenplatz in Monheim/Rhld. statt. Sie sind zur Berichterstattung herzlich eingeladen