Pressemitteilung

Präses Schneider: „Gott ist kein Stammesgott. Gott ist kein Kriegsgott“

Barmer Theologische Erklärung auch nach 70 Jahren hochaktuell

  • 28.5.2004

Selbst 70 Jahre nach ihrer Entstehung hat die Barmer Theologische Erklärung nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt. Das unterstrich der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, heute in Düsseldorf: „Sie ist in vielen Bereichen nach wie vor hochaktuell“, so Präses Schneider, „denn sie beschreibt die Grundlagen und den Auftrag von Kirche ganz deutlich“. Die Barmer Theologische Erklärung war am 31. Mai 1934 bei der ersten Bekenntnissynode in der Gemarker Kirche in Wuppertal über alle innerprotestantischen Konfessionsgrenzen hinweg einstimmig verabschiedet worden. Mit ihr grenzte sich die Bekennende Kirche deutlich von den Deutschen Christen ab, die das nationalsozialistische Führerprinzip auch in der Kirche einführen wollten.


Insbesondere in der fünften der sechs Thesen sieht Nikolaus Schneider einen wichtigen Anknüpfungspunkt in der heutigen Zeit: „Die Barmer Theologische Erklärung bringt die inhaltlichen Erwartungen an staatliches Handeln auf folgenden Punkt: ,Die Schrift sagt uns, dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen‘.“ Staatliches Handeln muss sich nach Auffassung Schneiders daran messen lassen, ob es wirklich dem Recht und dem Frieden dient. „Wie in Israel/Palästina und im Irak täglich neu zu erkennen ist, dient staatliches Handeln dem gelingenden Leben aller Menschen dort gerade nicht. Die dort ausgeübte Gewalt provoziert Gegengewalt, Terror und Hass. Die dabei angewandte Folter zerstört die Menschenwürde von Tätern und Opfern“, so der oberste Repräsentant der rheinischen Kirche wörtlich. Die Wertebasis gerade eines demokratischen Rechtstaates werde zerstört, wenn dieser in seinem Handeln die Grundlagen verlässt, auf denen er aufgebaut ist: „ohne öffentliche Verhandlung, Darlegung der Beweise, Anklage und Verteidigung als kriminell erkannte Menschen zu töten“.


Der Geist Gottes aber dränge im Gegensatz dazu darauf, den Nutzen und das Interesse aller in den Blick zu nehmen. Präses Schneider: „Gott ist kein Stammesgott, sondern der Vater aller Menschen. Gott ist kein Kriegsgott, sondern derjenige, der sich den Menschen in Liebe zugewandt hat und ihnen in ihren Dunkelheiten ganz nahe ist, wie am Leben Jesu von Nazareth abzulesen.“


Dass der Barmer Theologischen Erklärung eine klare Aussage zu der sich damals anbahnenden Judenverfolgung fehlt, ist nach Ansicht Schneiders „ein schmerzhafter Mangel“, den man nur aus der Zeit heraus betrachten, heute aber kaum nachvollziehen könne: „Pfingsten 1934 erschien es unsicher, ob die Aufnahme einer solchen Formulierung in der Bekenntnissynode mehrheitsfähig wäre.“ Umso dankbarer sei er, dass neben der rheinischen auch viele andere Landeskirchen das Verhältnis zwischen Christen und Juden neu bestimmt und klar formuliert haben. „Heute leben wir als Kirche die ,siebte These‘, die damals nicht geschrieben wurde“, so Präses Nikolaus Schneider. Als sicht- und erlebbares Zeichen dieser Verbindung wertet er die Neue Bergische Synagoge, die mit Unterstützung auch der Evangelischen Kirche im Rheinland vor zwei Jahren im Garten der Gemarker Kirche gebaut worden war.


Festgottesdienst am Pfingstmontag in Wuppertal


Am Pfingstmontag, 31. Mai 2004, hält der rheinische Präses die Predigt im Festgottesdienst anlässlich des „Jubiläums“ der Barmer Theologischen Erklärung. Der Gottesdienst findet um 18 Uhr in der Gemarker Kirche in Wuppertal-Barmen statt – dort wo die Bekenntnissynode die sechs wegweisenden Thesen vor 70 Jahren verabschiedet hatte. Der Gottesdienst wird unter anderem vom Chor der Jüdischen Gemeinde und dem Chor der Gemarker Gemeinde sowie von Ensemblemitgliedern der Wuppertaler Bühnen mitgestaltet.


Weiterführende Informationen


Mehr zur Barmer Theologischen Erklärung und zum Festprogramm finden Sie im Internet: www.kirche-wuppertal.de
Auf Wunsch stellen wir Ihnen die Predigt des Präses gerne im Wortlaut zur Verfügung.