Pressemitteilung

Islambeauftragter geht als Pfarrer in die Türkei

Von Wuppertal nach Istanbul:

  • 4.7.2002


Ein spannender Wechsel steht Landespfarrer Holger Nollmann (37), Leiter der Beratungsstelle für christlich-islamische Begegnung der Evangelischen Kirche im Rheinland und von Westfalen, bevor. Zum 1. September 2002 tritt er nach gut fünfjähriger Tätigkeit in der Beratungsstelle in Wuppertal seinen neuen Dienst als Pfarrer der evangelischen Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei an. Die Berufung in die Auslandspfarrstelle der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) gilt zunächst für sechs Jahre.


Mit einem Empfang wird Holger Nollmann am kommenden


Sonntag, 7. Juli, 15.00 Uhr, im Heester-Needham-Haus (Büro der Beratungsstelle), Rudolfstr. 131, 42285 Wuppertal,


feierlich verabschiedet. Es besteht Gelegenheit der Begegnung mit Freunden, Kollegen und Partnern der Beratungsstelle. Einen Festvortrag wird Dr. Heiner Bielefeldt von der Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld halten. Bielefeldt hat in seiner Habilitationsschrift zur „Philosophie der Menschenrechte“ die Menschenrechte als interkulturellen „overlapping consensus“ beschrieben.


Holger Nollmann ist der erste Landespfarrer in der Islamberatungsstelle, die von der rheinischen und der westfälischen Kirche getragen wird. Der Theologe verfügt über umfangreiche Kenntnisse in islamischen Theologie, in den islamischen Organisationen und Strukturen in Deutschland sowie über Kontakte zu islamischen Verbänden und Gruppierungen. Zu seinen Aufgaben gehörte u.a. die Beratung von Kirchenkreisen, Gemeinden und Gremien im Umgang mit dem Islam. Veröffentlichungen, an denen Nollmann maßgeblich mitwirkte, wurden in den Gemeinden mit großem Interesse aufgenommen, so z.B. die Orientierungshilfe „Erste Schritte wagen – zur Begegnung von Kirchengemeinden mit ihren muslimischen Nachbarn“. Die Nachfrage ist noch immer groß.


Wie bilanziert der Islambeauftragte seine Erfahrungen in der Wuppertaler Beratungsstelle? „In den letzten Jahren ist in den Kirchen die Einsicht gewachsen, dass die friedensstiftende Begegnung mit Muslimen und der respektvolle Dialog mit dem Islam wichtige Bestandteile des christlichen Zeugnisses in dieser Gesellschaft sind“, resümiert Nollmann.


Die neue Aufgabe übernimmt er in einem völlig anderen Umfeld. Im 60-Millionen-Staat Türkei lebt die Minderheit von ca. 150 000 Christinnen und Christen in einer muslimisch geprägten Gesellschaft. Sie sind überwiegend armenischer, syrisch-orthodoxer und griechisch-orthodoxer Herkunft. Zur römisch-katholischen Kirche bekennen sich ca. 10 000 Gläubige. Auch die Bandbreite der reformierten Kirchen ist vertreten: evangelische Gruppen der östlichen Kirchen, evangelisch-armenische Christen und sehr kleine evangelische Freikirchen sowie die Evangelische Kirche deutscher Sprache.


Wer heute als Deutscher oder Deutsche in der Türkei lebt, arbeitet meist als Lehrer oder Lehrerin oder ist bei einer deutschen Firma angestellt. Auch gibt es eine große Anzahl deutscher Frauen, die mit einem türkischen Ehepartner verheiratet sind. Das Pfarramt der evangelischen Kirche deutscher Sprache in der Türkei hat seinen Sitz in Istanbul und Filialgemeinden in Ankara und Izmir. Jeden Sonntag wird in Istanbul ein Gottesdienst in deutscher Sprache gehalten. Evangelische Christen in der Türkei zahlen keine Kirchensteuer. Daher ist die Gemeinde auf Zuschüsse von der EKD und freiwillige Spenden angewiesen, um die Kirche zu erhalten und die Gemeindearbeit durchzuführen. Es wird z.B. Religionsunterricht an deutschen Schulen und Konfirmandenunterricht erteilt und Sozialarbeit sowie Gefangenenbetreuung geleistet. Zur Arbeit der Gemeinde gehört die Unterstützung Bedürftiger inclusive in Not geratener Touristen, aber auch die Kontaktarbeit zu den im Land verstreut wohnenden evangelischen Christen deutscher Sprache.


Neben der Gemeindearbeit gibt es weitere Aufgaben. Der Pfarrer der deutschen Gemeinde in der Türkei vertritt z.B. die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) beim Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und beim Armenischen Patriarchen Mesrob II. Ökumene in der Türkei hat sehr praktische Ziele. So ist im Rahmen des interreligiösen Dialogs für Oktober 2002 in Istanbul ein interreligiöser Kongress mit Vertretern der monotheistischen Religionen in der Türkei geplant – verabredet von Mesrob II. und dem EKD-Ratsvorsitzenden Kock. Dabei geht es u.a. auch darum, dass die Rechtssicherheiten der Christen im Lande verbessert und ihnen mehr Rechte zugestanden werden, ihre Religion und Kultur zu vermitteln – von der Priesterausbildung bis zum Bau von Kirchen. Bis heute besteht ein Verbot der Tätigkeit ausländischer Priester, so dass auch Pfarrer Nollmann das evangelische Pfarramt formal als Angestellter des deutschen Generalkonsulats leiten wird.


Mehr Informationen über die evangelische Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei gibt es im Internet unter www.ev-gemeinde-istanbul.de.cx