Pressemitteilung

Ja zum geplanten Integrationsgipfel – und zu konkretem Handeln

Ausländerdezernent Jörn-Erik Gutheil appelliert

  • Nr. 63 / 2006
  • 25.4.2006
  • 6044 Zeichen

Einen „Ausweg aus der augenblicklichen politischen Ratlosigkeit“ bietet nach Einschätzung von Jörn-Erik Gutheil, Ausländerdezernent der Evangelischen Kirche im Rheinland, der von Bundeskanzlerin Angela Merkel geplante Integrationsgipfel. Angesichts aktueller Vorkommnisse wie die so genannten „Ehrenmorde“ und fremdenfeindliche Übergriffe bestehe Anlass, Vernunft an die Stelle des verantwortungslosen Geredes treten zu lassen, so Gutheil. Er forderte dazu auf, sich mit den Erfahrungen derer auseinander zu setzen, „die den Ernst der Lage erkannt haben“. Aus der Praxis der Integrationskurse lägen bereits jetzt Erfahrungen vor, die Defizite aufzeigten und Korrekturen zwingend erforderlich machten.


Integration dürfe z.B. nicht nur als Frage der Sprachvermittlung verstanden werden, so der langjährige Ausländerdezernent der rheinischen Kirche. Die Anzahl der zugelassenen Integrationskursträger sei zu groß und von zu unterschiedlicher Qualität. Das angestrebte Sprachniveau sei in 600 Unterrichtsstunden nur von wenigen Kursteilnehmenden zu erreichen. In kleinen Lerngruppen seien mindestens 900 Unterrichtsstunden zu veranschlagen. Es müsse außerdem stärker auf die Qualifikation der Lehrkräfte geachtet werden.


Fehlentwicklungen wie die Bildung von Ghettos und Parallelgesellschaften und die Verweigerung der Anerkennung von Verfassungsgrundsätzen einer demokratischen Gesellschaft seien faktisch „das Ergebnis einer unterlassenen Steuerung und Gestaltung der ‚faktischen Zuwanderung‘, verbunden mit dem Gefühl bei den Zugewanderten, nicht respektiert und als Mitbürgerin bzw. Mitbürger erwünscht zu sein.“ Sprach- und Kulturvermittlung im Elementarbereich, das Einüben von Grundrechten und die kulturelle Öffnung von Institutionen und die Teilhabe an der politischen Mitgestaltung der Gesellschaft seien notwendig, wenn Integration als Prozess des Gebens und Nehmens verstanden werde.


„Integration als wechselseitiges Lernen ist in Deutschland noch nicht so weit entwickelt, dass zufriedenstellende Ergebnisse vorgestellt werden könnten“, so Gutheil. Einzelne gelungene Beispiele könnten nicht verbergen, dass ein durchdringendes Zuwanderungs- und Integrationskonzept weiterhin fehle.


Statements zum „Gipfel der Integration“ und zu „Gründen für eine Altfall- bzw. Härtefallregelung“ sind im Internet unter www.ekir.de Rubrik Aktuell im Anhang an die Pressemitteilung abrufbar.


 


 


Pressemitteilung



13. April 2006


ASF warnt vor ausgrenzenden und drohenden Tönen


in der Integrationspolitik



 


Anlässlich der aktuellen Debatte um die Integrationspolitik und einen „Integrationsgipfel“ hat sich Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) besorgt über restriktive und vorurteilsgeladene Töne in einzelnen Beiträgen geäußert. In der heute in Berlin veröffentlichten Erklärung des Vorstands heißt es:



ASF begrüßt die selbstkritischen Anmerkungen zu den langjährigen und bis heute andauernden politischen Versäumnissen im Hinblick auf die gesellschaftliche Partizipation von MigrantInnen, die der Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Volker Kauder, vor wenigen Tagen einräumte. Gerade deshalb bedauert ASF, dass als Reaktion darauf unter dem Stichwort „Politik der konsequenten Hand“ hauptsächlich restriktive Maßnahmen vorgeschlagen werden. Zugleich kritisiert ASF eine Sprache, die ausgrenzend wirkt und MigrantInnen vor allem mit einer unrechtmäßigen Inan-spruchnahme von Sozialleistungen und mit Gewalt in Verbindung bringt.



Insbesondere tritt Aktion Sühnezeichen Friedensdienste der Drohung entgegen, „wenn nötig und möglich“ müsse „konsequente Abschiebung“ (V. Kauder) erfolgen. ASF bekräftigt, dass gelingende Integration und Partizipation zuerst die konsequente Akzeptanz brauchen, dass MigrantInnen, die Deutschland als ihren Lebensmittelpunkt gewählt haben, hier zu Hause sind – mit allen Chancen und Problemen. Damit vertragen sich „Herr-im-Haus“-Standpunkte oder Abschiebedrohungen nicht.



Als christlich begründete Organisation und einig mit den Kirchen plädiert ASF nicht für mehr „Respekt vor diesem Land“, sondern für eine praktische Verpflichtung aller zu mehr wechselseitigem Respekt und der Anerkennung der Menschenrechten – einem Kerngedanken aller Religionen, die in Deutschland vertreten sind. Der überraschend aggressive und sich als innovativ verstehende Ruf nach „Gesamtkonzepten“, wie er auch am 7. April 2006 vom CSU-Parteivorstand verabschiedet wurde, nimmt offenkundig nicht die Jahrzehnte lange integrationspolitische Arbeit der Kirchen zur Kenntnis.



ASF verfügt über langjährige Erfahrung mit interreligiösen, internationalen und interkulturellen Projekten zur historisch-politischen und kulturellen Bildung und Begegnung. Dabei versteht ASF einen friedfertigen Umgang mit Konflikten als verständigungsorientierte und nachhaltige Bildungsaufgabe aller. ASF fordert, diese „weichen“ Potenziale der interkulturellen, historischen und politischen Bildung für Jugendliche und Erwachsene deutlich mehr zu nutzen und zu fördern.



Darüber hinaus drängt ASF darauf,


– dass die VertreterInnen der politischen Parteien sich bewusst machen, wie häufig rechtsextreme AktivistInnen sich durch ausgrenzende Forderungen aus der Parteienlandschaft zu Übergriffen und Anschlägen gegen MigrantInnen bestärkt sahen,


– dass alle BürgerInnen und gesellschaftlichen Gruppen, Parteien und Verbände, egal ob Angehörigeder Mehr-oder Minderheiten, ihr Bemühen um gleiche Partizipationschancen intensivieren.



Info/Kontakt: Ulla Kux, Projektbereich Interkulturalität, kux@asf-ev.de, Tel.: 030/28 395-165/-184, Aktion


Sühnezeichen Friedensdienste, Auguststr. 80, 10117 Berlin, www.asf-ev.de